Wassermangel nach Kohleausstieg Es fließt nicht mehr
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27. März 2024, 07:41 Uhr
Etwa die Hälfte der Spree besteht aus Wasser vom Braunkohleabbau. Dieses wird mit dem Ausstieg aus der Kohle in den nächsten Jahren immer mehr versiegen. Es droht ein eklatanter Wassermangel – vor allem in Berlin. Ein riesiges Rohrleitungssystem soll das verhindern. Es soll Wasser aus der Elbe in die Spree leiten. Eine Illusion?
- Um nach dem Ende des Bergbaus genügend Wasser in der Spree zu halten, wird die Überleitung von Wasser aus der Elbe in die Spree diskutiert.
- Einer Studie zufolge braucht die Spree künftig 60 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr – der BUND warnt vor Entnahme aus Elbe.
- Das Umweltbundesamt hält eine Elbwasser-Umleitung unter bestimmten Bedingungen für möglich.
Als wäre der Inhalt des kompletten Bodensees in den vergangenen 100 Jahren einmal in die Spree gekippt worden. Es geht dabei um ungefähr die Hälfte der langjährigen Wasserzufuhr jenes Flusses, der so friedlich aus drei Quellen im Lausitzer Bergland entspringt. Neben dem Bergwasser besteht die Spree aus sogenanntem Sümpfungswasser aus den Gebieten der Braunkohletagebaue, wie etwa Eichwalde, Nochten, Welzow-Süd und Jänschwalde. Seit rund 120 Jahren wird Wasser in die Spree gepumpt, um trocken an die Kohle zu kommen.
Mit dem beschlossenen Gesetz zum Ausstieg aus dem Kohleabbau werden jedoch nach und nach die Pumpen abgestellt. Die Spree wird somit bis zu 75 Prozent seiner aktuellen Wasserzufuhr verlieren, wie eine Studie vom Umweltbundesamt (UBA) im vergangenen Jahr erörtert. Das ist keine gute Nachricht für Berlin, den Spreewald und die Elbe. Denn die Hauptstädter beziehen nicht nur Trinkwasser über ihr größtes Wasserwerk Friedrichshagen aus der Spree. Der Fluss wird mit jährlich 220 Mio. Kubikmeter auch wesentlich zur Verdünnung der Abwässer genutzt.
Idee einer Elbe-Überleitung soll geprüft werden
Auch der Spreewald, das einmalige Unesco-Biosphärenreservat, lebt vom Wasser der Spree. Rund 1.000 Kilometer Fließe schlängeln sich durch diese Naturregion südöstlich von Berlin und versorgen Auwälder, Wiesen, Teiche sowie den Wassertourismus mit Wasser. Damit das alles auch in Zukunft so bleiben kann, suchen Wissenschaft und Politik nach einer Lösung. Eine Idee ist es, durch ein riesiges Rohrsystem Wasser aus der Elbe anzuzapfen.
Das Vorhaben scheint nun konkreter zu werden, wie ein Sprecher des sächsischen Umweltministerium MDR AKTUELL bestätigt. Denn derzeit werde an einer Ausschreibung gearbeitet, um jemanden mit einer Untersuchung dieser Idee zu beauftragen. Denn noch wirkt eine Überleitung von der Elbe in die Spree wie eine große Illusion. Es spielten bei der Verlegung großer Rohre vor allem räumliche Hindernisse wie Siedlungen, Schutzgebiete und geologische Gegebenheiten eine Rolle. "Und natürlich die nachhaltige Verfügbarkeit von Wasser im Einzugsbereich der Elbe."
Hat die Elbe genug Wasser?
Genau diesen letzten Punkt sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mehr als kritisch.
Denn der zusätzliche Wasserbedarf im Oberlauf der Spree wird vom Umweltbundesamt in Zukunft auf bis zu 60 Millionen Kubikmeter pro Jahr prognostiziert. Und das Wasser soll vor allem aus der Elbe kommen, da die bisherigen Pumpen der Braunkohlegruben nicht ewig laufen können – schon der Kosten wegen. Der BUND sieht die Ideen eines Elbe-Überleiters in die Spree kritisch. Vor allem, weil die Elbe selbst mit Wasserknappheit zu kämpfen hat.
"Durch eine Überleitung würde ein Teil des sowieso schon knappen Wassers der Elbe abgeleitet. Dabei wird es dringend in der Flussaue gebraucht", sagt Elbe-Expertin Iris Brunar vom BUND dem MDR. Aufgrund von anhaltenden niedrigen Wasserständen habe die Elbe zehn Jahre lang ihre Aue nicht mehr erreicht, um sie flächendeckend mit Wasser zu versorgen. Seit dem Jahrhunderthochwasser 2013 habe größtenteils Niedrigwasser und Dürre die Flusslandschaft geprägt, die von der Wasserknappheit schwer gezeichnet sei. "Weite Teile des wertvollen Auwaldes sind abgestorben oder die Bäume sind vom Trockenstress geschädigt."
Wasserbedarf wird weiter steigen
Und noch etwas macht der Elbe zu schaffen. Laut Iris Brunar hält Tschechien in Regenphasen Wasser zurück, um Talsperren aufzufüllen. "Damit sichern sie unter anderem ihre Trinkwasserversorgung, betreiben Wasserkraftwerke und halten Wasser für landwirtschaftliche Beregnung vor." Auch die Neuansiedlungen der Chipindustrie sowie die Landwirtschaft bräuchten immer mehr Wasser.
"Eine Überleitung von Wasser aus der Elbe würde die herrschende Wasserknappheit und Trockenheit verschärfen", sagt die Expertin zusammenfassend. Das UNESCO-Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich in Sachsen-Anhalt und das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe mit der größten zusammenhängenden Hartholzaue Mitteleuropas seien schon jetzt in ihrem Fortbestand gefährdet.
Planung, Genehmigung, Umsetzung: Die Zeit drängt
Auch das UBA weist auf die schwankenden Pegelstände der Elbe hin und empfiehlt daher, ein Mindestmaß des möglichen Wasserabflusses festzulegen und auch einzuhalten. Eine kontinuierliche Wasserentnahme käme nicht infrage, so ein UBA-Sprecher. Deshalb sei die Wasserüberleitung immer nur im Zusammenhang mit einer konzipierten Wasserspeicherung zu diskutieren. Diese könnte laut UBA-Gutachten in bereits vorhandenen Seen, wie etwa dem Schwielochsee südöstlich von Berlin stattfinden. Dennoch sieht das UBA Potenzial für einen Überleiter aus der Elbe – denn Anfang des Jahres zum Beispiel hatte der Strom einen Abfluss von gigantischen 2.000 Kubikmetern pro Sekunde.
Allerdings: Sollte das Vorhaben wirklich umgesetzt werden, dürfte mit einem Start nicht mehr allzu lange gewartet werden. "Die Dringlichkeit des Handels und der maßgeblichen Grundsatzentscheidungen ergeben sich aus der Dimension und Komplexität notwendiger Maßnahmen, die zudem einen zeitintensiven Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungszeitraum erfordern", schreibt ein Vertreter des Umweltbundesamtes MDR AKTUELL. Zentrale Punkte, wie die "verträgliche" Erhöhung der Wasserzuführung der Spree sowie eine ausreichende Wasserspeicherung für die Zeiten von Wassermangellagen, würden einen zeitlichen Vorlauf benötigen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. März 2024 | 06:53 Uhr
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