Eine deutsche Bundeswehr-Soldatin steht zusammen mit ihrem Kameraden beim von der Bundeswehr angeführten Nato-Bataillon auf dem Militärstützpunkt in Rukla.
Eine deutsche Bundeswehr-Soldatin steht zusammen mit ihrem Kameraden beim von der Bundeswehr angeführten Nato-Bataillon auf dem Militärstützpunkt in Rukla. Bildrechte: picture alliance / Bernd von Jutrczenka/dpa | Bernd von Jutrczenka

Verteidigungsfall Was passiert, wenn Deutschland militärisch angegriffen wird

30. Juli 2024, 05:00 Uhr

Gehen wir mal vom Schlimmsten aus: Die Bundesrepublik wird militärisch angegriffen. Was dann passiert, regelt das Grundgesetz: Bundestag und Bundesrat müssen zusammenkommen und den sogenannten Verteidigungsfall feststellen. Unser Hörer Janko Kretschmann aus Berlin fragt sich, wie das genau abläuft.

Uns hat folgende Frage unseres Hörers Janko Kretschmann aus Berlin erreicht: "Wann kann der Verteidigungsfall ausgerufen werden? Schon wenn sich gegnerische Truppen an der deutschen Grenze aufstellen oder erst, wenn diese die Grenze überqueren? Mir erscheint die Zeit, die verstreicht, bis der Bundestag zusammengetreten ist und eine Entscheidung getroffen hat, sehr lang. Wer übernimmt in der Zwischenzeit die Verteidigung der Grenzen?"

Folgendes Szenario: Es ist Samstag, feindliche Truppen kommen über den Fichtelberg. Im Talkessel von Aue stellt sich ihnen die Bundeswehr in den Weg. Der Feind beginnt zu schießen. Und die Deutschen? Nein, zurückschießen dürfen sie noch nicht. Sie müssen warten, bis in Berlin Bundestag und Bundesrat den Verteidigungsfall feststellen. Doch die treffen sich erst am Montag – nein, so weit geht die deutsche Regelungswut dann doch nicht.

Bundeswehr darf im Angriffsfall verteidigen

Selbstverständlich darf die Bundeswehr sofort verteidigen, erklärt der Verteidigungsexperte der CDU, Henning Otte. Das ergebe sich schon allein aus internationalem Recht. "Wir bewegen uns hier im Völkerrecht und deswegen ist es klar geregelt, die Bundeswehr ist jederzeit einsatzfähig. Wir wollen niemanden angreifen, aber wir wollen deutlich machen, dass auch uns bitte niemand angreift. Und deswegen ist es gut, dass nach dem Völkerrecht ein solcher Fall klar geregelt ist."

Klar geregelt, das heißt, Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen erlaubt die Selbstverteidigung. Das Grundgesetz schränkt dieses Recht keineswegs ein. Im Gegenteil, Verfassungsrechtler gehen davon aus, dass Art. 87 a, Abs. 2 das Selbstverteidigungsrecht sogar explizit unterstützt. Der Verteidigungsfall ist keinesfalls Voraussetzung dafür, feindliche Truppen zurückschlagen zu dürfen. Was hat es dann aber mit dem Verteidigungsfall auf sich? Weshalb ist der im Grundgesetz geregelt? Und um alles noch verwirrender zu machen, wozu gibt es zusätzlich noch den sogenannten Spannungsfall?

Spannungsfall als Vorstufe zum Verteidigungsfall

Es geht darum, gewisse Vorbereitungen treffen zu können, wenn Aggressionen beobachtet werden, sagt Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. "Dann haben wir ein abgestuftes Verfahren. Und da könnte also zum Beispiel der Spannungsfall ausgerufen werden, das ist ja die Vorstufe zum Verteidigungsfall. Wenn der Spannungsfall ausgerufen werden sollte, dann werden entsprechende militärische Maßnahmen, Alarmmaßnahmen, eingeleitet und es wird die allgemeine Wehrdienstpflicht der Männer wieder eingeführt."

Was im Verteidigungsfall passiert

Kommt es dann auch noch zum Verteidigungsfall, dann erhält der Bundeskanzler die Macht über die Bundeswehr. Er hat dann die oberste Gewalt, sowohl politisch als auch militärisch. Das soll eine effektivere Verteidigung ermöglichen. Der Verteidigungsfall muss übrigens vom Bundestag mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Der Bundesrat muss zustimmen. Möglich ist auch, dass der Gemeinsame Ausschuss aus Bundestag und Bundesrat den Fall feststellt. Und der Bundespräsident muss ihn am Ende auch noch verkünden.

Das ist also tatsächlich sehr kompliziert, doch das hat auch seinen Grund, so Henning Otte. "Es ist gut, dass verschiedene Hürden eingebaut sind. Auch aus den Erfahrungen, die vor der Geschichte unserer Bundesrepublik Deutschland stattgefunden haben."

Sollten Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident außer Stande sein, sich sofort mit dem Verteidigungsfall zu beschäftigen, lässt das Grundgesetz auch eine praktikable Lösung zu:  Der Verteidigungsfall gilt dann einfach automatisch mit dem Angriff, die Formalitäten können später nachgeholt werden. Bislang kam es in der Bundesrepublik noch nie zu einem Verteidigungsfall.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Juli 2024 | 07:27 Uhr

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