Wirtschaft und Politik Konfliktberater: Unternehmer sollten für Werte werben, nicht gegen die AfD
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19. September 2024, 12:10 Uhr
Viele Jahre galt bei Unternehmern das ungeschriebene Gesetz: Man äußert sich nicht zu Parteien. Doch vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen warnten mehrere Unternehmer und Verbände vor der AfD. Am Sonntag ist Landtagswahl in Brandenburg und dieses Mal sind es die Unternehmensverbände dort, die sagen, die AfD sei teilweise wirtschaftsfeindlich. Die Wirtschaft zeigt also Haltung gegen die rechtsextreme Partei. Aber ist das auch klug?
- Konfliktmanager Gernot Barth rät Unternehmen davon ab, sich öffentlich gegen die AfD zu positionieren.
- Viele Unternehmer haben sich bereits gegen die AfD positioniert.
- Konfliktmanager Barth rät Unternehmen stattdessen, für Werte wie Weltoffenheit oder Toleranz zu werben.
Schraubenkönig Reinhold Würth war einer der Ersten. In einem Brief an seine 25.000 deutschen Beschäftigten mahnte der Unternehmer im Frühjahr: Aus Unmut über die Ampelregierung AfD zu wählen, sei zu wenig. Später riet der Lebensmittelhändler Edeka von Stimmen für die AfD ab.
Auch Colette Boos-Bohn, Bauunternehmerin und Chefin der Familienunternehmer in Thüringen, erzählte nach der Landtagswahl, welche Koalition sie "absolut ausschließen" würde: eine mit der AfD. "Wir haben einen Fachkräftemangel und den gilt es an dem Punkt mit strukturierter Zuwanderung auch zu steuern. Und das kann ich mir unter der AfD beim besten Willen nicht vorstellen", sagt Boos-Bohn.
Konfliktmanager rät von Positionierung ab
Doch ist es klug, sich als Unternehmer so festzulegen? Immerhin wählten zuletzt 30 Prozent der Ostdeutschen die AfD. Gernot Barth arbeitet als Konfliktmanager an der privaten Steinbeis-Hochschule. Er rät Unternehmern davon ab, zur AfD Stellung zu beziehen: "Damit spaltet man durchaus die Gesellschaft. Ich glaube nicht, dass man Menschen gewinnt, wenn man gegen sie argumentiert und für unmündig erklärt. Das ist eher eine Selbstvergewisserung. Wir sind die Guten. Das ist okay. Aber das führt nicht dazu, einen Zusammenhalt zu produzieren."
Nun ist es nicht Aufgabe von Unternehmern, Zusammenhalt zu schaffen, sondern Waren oder Dienstleistungen zu verkaufen. Schraubenkönig Würth räumte ein, dass er nach seiner AfD-Kritik Umsatz eingebüßt habe.
Viele Unternehmer gegen die AfD
Warum sich manche Unternehmer trotzdem gegen die AfD positionieren, erklärt der Wissenschaftler Matthias Diemeier mit der nationalen Wirtschaftspolitik der Partei: "Die Zukunft der exportorientierten Industrie hängt an den freien Märkten, am Freihandel in Europa und am Euro. Das zweite ist das intrinsische Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung."
Mancher Unternehmer, sagt Diemeier, könne nicht anders, als sich gegen die AfD zu stellen. Denn auch ein Firmenchef sei ein Bürger. Tatsächlich gab in einer Befragung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft jeder zweite westdeutsche Unternehmer an, sich im Betrieb oder öffentlich schon einmal aktiv gegen die AfD positioniert zu haben. In Ostdeutschland sagte das in der Befragung jeder Dritte.
Für die AfD sprachen sich in der Erhebung fünf Prozent der Unternehmer aus: Die zunehmende Politisierung und auch die Radikalisierung in Migrationsfragen werde bleiben, sagt Diemeier. "Dementsprechend würde ich auch erwarten, dass das politisierte Unternehmertum so erhalten bleibt und weiterhin viele Unternehmerinnen und Unternehmer hier Position beziehen", sagt Diemeier.
Andere Unternehmen werben für Weltoffenheit
Bei Konfliktforscher Barth sorgt das für Stirnrunzeln. Er befürchtet, dass Unternehmer die politischen Gräben noch mehr vertiefen: "Wenn ich Unternehmen berate, würde ich immer sagen: Werben Sie für Werte, für die Sie stehen. Das tut ihrem Unternehmen gut. Wenn Sie sich in das Parteiensystem einmischen, hätte ich die Hypothese, dass es ihrem Unternehmen nicht guttut." Man könne als Unternehmer für Respekt und für Weltoffenheit einstehen.
Diese Strategie wählte der Jenoptik-Konzern. In seiner Plakat-Kampagne vor den Landtagswahlen tauchte das Wort AfD nicht auf. Trotzdem wurde die Kampagne von vielen als Warnung vor der AfD verstanden. Denn das gehört zur Wahrheit dazu: Wenn man einen Elefanten in den Raum stellt, ohne ihn zu benennen, tun das in einer polarisierten Gesellschaft andere.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 19. September 2024 | 06:07 Uhr