Energiewende Kabinett will neue Wasserstoffstrategie vorstellen

26. Juli 2023, 09:21 Uhr

Der Entwurf kursiert seit einigen Wochen, jetzt will die Bundesregierung mit der neuen Wasserstoffstrategie an die Öffentlichkeit gehen. Danach muss sie sich an konkreten Zielen messen lassen. Was bisher bekannt ist.

Die Bundesregierung wird am Mittwoch voraussichtlich eine überarbeitete Wasserstoffstrategie vorstellen. Diese Strategie enthält Ziele und Maßnahmen, um Wasserstoff als Energieträger in Deutschland zu etablieren. Unter dem Eindruck von Corona, Verwerfungen auf den Energiemärkten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der Debatte um das Heizungsgesetz und einer bis 2045 geplanten Dekarbonisierung schreibt das Papier die erstmals im Juni 2020 präsentierte Wasserstoffstrategie der damaligen Bundesregierung fort.

Wasserstoff soll demnach künftig in allen wichtigen Sektoren eine Rolle spielen, berichtet unter anderem die dpa unter Berufung auf den Entwurf des Papieres, das offenbar weiteren Agenturen, Medien und Verbänden vorlag. So soll unter anderem das Elektrolyse-Ausbauziel bis 2030 von fünf Gigawatt auf zehn Gigawatt (GW) steigen, heißt es in einem Statement des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Zehn Gigawatt stehen bereits im Koalitionsvertrag.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte im Vorfeld wiederholt auf dieses neue Ausbauziel hingewiesen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland laut Statista 57 Megawatt Elektrolyse-Leistung, also 0,057 Gigawatt.

Wasserstoffbedarf höher angesetzt als zuvor

Der voraussichtliche Wasserstoffbedarf im Jahr 2030 wird den Berichten zufolge in der neuen Strategie nach oben korrigiert von ca. 90 bis 110 Terawattstunden auf 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) oder drei Prozent des jährlichen Primärstromverbrauches. Der Primärstromverbrauch bezeichnet den Energiegehalt aller in Deutschland eingesetzter Energieträger.

Wie hoch der Wasserstoffbedarf in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen konkret aussieht, ist derzeit noch unklar. In Sachsen-Anhalt wird nach Angaben des Energieministeriums aktuell eine Wasserstoffstudie erarbeitet, die voraussichtlich Ende 2023 vorliegen soll. Das Thüringer Energieministerium geht von mittelfristig einem Bedarf von mehreren Terawattstunden grünem Wasserstoff aus. Das sächsische Umweltministerium beruft sich bei seiner Bedarfsangabe auf eine Studie der Fraunhofer IEG, ISI und IKTS, in der ab 2030 von 0,8 bis 1,6 TWh pro Jahr in Sachsen ausgegangen wird. Inzwischen geht allerdings allein der Energiedienstnetzleister eins energie für die Region Chemnitz von einem Bedarf von 1 TWh und mehr aus.

Um den Transport des sehr dünnen Gases nach Deutschland und durch Deutschland zu gewährleisten, soll zudem laut Reuters bis 2027/28 ein mehr als 1.800 Kilometer langes Startnetz an umgestellten oder auch neu gebauten Wasserstoffleitungen entstehen. Europaweit sollen weitere 4.500 Kilometer hinzukommen. Bis 2030 sollen demnach alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den wichtigen Abnehmern verbunden sein.

Kritik an Wasserstoff-Verteilnetz

In der ersten Strategie wurde auch der Aus- und Zubau von Wasserstoffnetzen erwähnt. Erste Planungen eines sogenannten Wasserstoff-Kernnetzes hatten die Fernnetzbetreiber erst im Juli vorgestellt. Inzwischen gibt es erste Kritik, so meldeten Sachsen-Anhalt und Sachsen Nachbesserungsbedarf an. Das sächsische Umweltministerium teilte dem MDR mit, eine entsprechende sächsische Stellungnahme für das Bundeswirtschaftsministerium werde derzeit innerhalb der Staatsregierung abgestimmt. Grundsätzlich gelte daher weiterhin die "Pressemitteilung samt Äußerung des Ministers vom 12.7. zum Anliegen Chemnitz, Dresden und die Lausitz an das künftige Kernnetz anzubinden".

Hypos: Alternative Transportmöglichkeiten wichtig

Um den weiteren Ausbau zu beschleunigen, sollen demnach außerdem Genehmigungsverfahren vereinfacht und gekürzt werden. Dafür soll den Berichten zufolge noch in diesem Jahr ein sogenanntes Wasserstoffbeschleunigungsgesetz beschlossen werden. Das in Mitteldeutschland ansässige Wasserstoff-Netzwerk Hypos sieht langfristig nur den Wasserstoffimport via Pipeline als Möglichkeit den hohen Bedarf zu decken. Jedoch werden laut Hypos nicht alle Unternehmen, die Wasserstoff benötigen und einsetzen wollen, an ein zukünftiges Wasserstoff-Transportnetz angeschlossen werden können. Es brauche daher alternative Transportoptionen bspw. über Wasserstoff-Hubs, H2-Transport via Schiene und Straße oder die eigene Produktion vor Ort. Zehn bis fünfzehn Prozent des langfristigen Bedarfes könnten dezentral in Mitteldeutschland erzeugt werden.

Der Bundesverband der Industrie hatte zuletzt eine Weiterentwicklung der Nationalen Wasserstoffstrategie dringend eingefordert, kritisierte aber auch, dass die im Entwurf formulierten Rahmenbedingungen nicht investitionsfreundlich genug sind, um das Zehn-Gigawatt-Ausbauziel zu erreichen.

Hintergrund: Nationale Wasserstoffstrategie

Das Dokument enthält Ziele und Maßnahmen, um den Wasserstoff-Markt bis 2030 aufzubauen. Laut Bundesforschungsministerium soll die Strategie Klima-, Energie-, Industrie- und Innovationspolitik verzahnen und Deutschland zum Vorreiter beim Grünen Wasserstoff und den grünen Wasserstoff marktfähig machen sowie industrielle Produktion, Transportfähigkeit und Nutzbarkeit ermöglichen. "Klimaschutztechnologien 'made in Germany' sollen zu einem neuen Markenzeichen werden", schreibt das Bundesforschungsministerium auf seiner Seite. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt Wasserstoff als Schlüsselelement für die Energiewende heraus, mit dem Ziel der Diversifizierung der Energieimporte und um eine Versorgungssicherheit in Deutschland zu sichern. Es verweist außerdem auf viele zukunftsfähige Arbeitsplätze, neue Wertschöpfungspotenziale und einen globalen Milliardenmarkt.

In den vergangenen Jahren wurden bereits erste Instrumente installiert, zum Beispiel um den sogenannten Wasserstoffhochlauf zu befördern. Zum Beispiel Wasserstoffprojekte im Rahmen des IPCEI Wassersoff oder Initiativen zum Wasserstoffeinkauf.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Juli 2023 | 21:17 Uhr

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