Fristen, Ferien und Feiertage Neuwahl des Bundestags: Was die Suche nach einem Termin erschwert
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12. November 2024, 10:46 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD ringen mit der Union um einen Termin für die vorgezogene Bundestagswahl 2025. Sollen die Neuwahlen "spätestens bis Ende März" stattfinden, wie Scholz unmittelbar nach dem Bruch der Ampel vorschlug? Oder wesentlich früher, etwa am 19. Januar, wie von der Union genannt? Ein Überblick über Fristen, organisatorische Hürden und geeignete Termine.
- Ein baldiger Termin für die vorgezogene Bundestagswahl stellt Verwaltung und Parteien vor Herausforderungen.
- Ferienzeiten blockieren zwischen Ende Januar und Ende März mögliche Wahltermine.
- Daher ist inzwischen ein Neuwahl-Termin in den sächsischen Winterferien im Gespräch.
- Fazit: Kanzler Olaf Scholz wählte Ende März mit Bedacht.
Opposition und größere Teile der Bevölkerung drängen nach dem Aus der Ampel-Koalition auf schnelle Neuwahlen des Bundestags, der Bundeskanzler und die Bundeswahlleiterin wollen hingegen einen späteren Termin. Fest steht: Einfach ist die Suche nach einem Wahltag nicht. Denn neben politischem Ringen um letzte Gesetzesbeschlüsse gilt es auch gesetzliche Fristen, Ferienzeiten und andere Faktoren zu beachten.
Neuwahlen setzen Ämter unter Druck
Die gesetzlichen Fristen für die Neuwahl sind eindeutig – und dennoch lassen sie einen Spielraum. Zunächst muss der Bundeskanzler den Prozess mit der Vertrauensfrage auslösen. Er allein bestimmt dabei über den Zeitpunkt. Spricht ihm der Bundestag das Misstrauen aus, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag mit einer Frist von 21 Tagen auflösen. Spätestens 60 Tage nach der Auflösung des Bundestages müssen Neuwahlen stattfinden. Zwischen Misstrauensvotum im Parlament und Neuwahlen können also rund zweieinhalb Monate vergehen. Den genauen Termin legt der Bundespräsident fest.
Das Staatsoberhaupt wird sicherlich den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen im Blick haben. So hat unter anderem die Bundeswahlleiterin Ruth Brand darauf gedrängt, die Frist von 60 Tagen voll auszuschöpfen, "um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können", wie es in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz hieß. Brand verwies auf das Risiko, Wahlämter und Gemeinden zu überfordern. "Die Gemeindebehörden könnten über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus in gesteigertem Maße belastet werden", schrieb sie. Dabei geht es insbesondere um verschiedene rechtliche Fristen, die einerseits gekürzt werden müssen und die andererseits bei einem sehr frühen Wahltermin rund um Weihnachten und Neujahr liegen würden.
Bundesweit müssen unter anderem hundertausende Wahlhelfende geworben und geschult werden. Wahlräume müssen gefunden und ausgestattet werden, mehr als 60 Millionen Wahlbenachrichtigungen verschickt werden. Hinzu kommen der Versand der Briefwahlunterlagen und die Einrichtung von Briefwahlbezirken. Die Wahlbenachrichtigungen müssen den Wahlberechtigten laut Bundeswahlordnung mindestens 21 Tage vor der Wahl zugehen.
Die Wahl ist schon machbar.
Sachsen-Anhalts Landeswahlleiterin Christa Dieckmann wies im Gespräch mit MDR AKTUELL ebenfalls auf rechtliche und organisatorische Herausforderungen einer Neuwahl hin. Sie nannte den 19. Januar als frühestmöglichen Termin. Dieckmann sagte zugleich: "Die Wahl ist schon machbar."
Kurze Vorbereitungszeit für Parteien auf Neuwahlen
Die Parteien haben mit Unterstützung der Wahlbehörden normalerweise einen langen Vorlauf. In der Regel legen die Parteien in den Kreis- und Stadtverbänden zunächst die Direktkandidierenden in den Wahlkreisen fest. Dann stellen sie ihre Landeslisten auf. Die Vorschläge für die Listenkandidierenden müssen die Parteien eigentlich 69 Tage vor der Wahl einreichen. Diese Frist müsste bei den vorgezogenen Vorwahlen gekürzt werden.
Die Parteien in Mitteldeutschland geben sich allerdings zuversichtlich, dass sie dies alles auch in kurzer Zeit bewältigen können. Zum Teil stecken sie bereits länger in den Vorbereitungen, da die nächste reguläre Bundestagswahl ohnehin im September 2025 stattgefunden hätte.
Die Co-Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen, Christin Furtenbacher, sagte etwa am Wochenende: "Wir sind vorbereitet, unsere Listenaufstellung zur Bundestagswahl früher als geplant, voraussichtlich im Januar, durchzuführen." Geplant war die Aufstellung eigentlich für Mitte März.
Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Mario Karschunke bezeichnete die Herausforderung im Gespräch mit MDR AKTUELL als "sportlich". Aber seine Partei sei gerüstet: "Wir sind kampagnenfähig. Wir schreiben gerade ein Kurz-Wahlprogramm, sodass die Bürgerinnen und Bürger genau sehen, wofür wir stehen."
Die Thüringer AfD teilte mit, dass sie ihren Landesparteitag schon in Erwartung eines Koalitionsbruchs in Berlin vorverlegt habe. Nun soll bei diesem Parteitag Mitte Dezember die Landesliste für die Bundestagswahl erstellt werden.
Andere Vertreter wünschen sich einen längeren Vorlauf, weil die gesamte Organisation in den Parteien vor Ort hauptsächlich von Ehrenamtlichen getragen werde. Der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber bezeichnete eine Vertrauensfrage in dieser Woche gar als verantwortungslos: "Weil es zur Folge hätte, dass wir Ende Januar oder Anfang Februar wählen würden. Was in der Endkonsequenz heißt, dass Briefwahlunterlagen bereits Ende Dezember verschickt werden müssten und bis Ende November alle Kandidaten und Listen aufgestellt werden müssten."
Ferien von Ende Januar bis Ende März
Angesichts des rechtlichen und organisatorischen Aufwandes raten Fachleute von einem allzu frühen Neuwahl-Termin ab. Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler verwies insbesondere auf die Weihnachtsferien. Zwischen dem 20. Dezember und 6. Januar pausieren nicht nur viele Betriebe, sondern auch große Teile der Verwaltung in Ländern und Kommunen. Bröchler erklärte, ein zu früher Wahltermin womöglich mit Wahlkampf über Weihnachten sorge nach seiner Einschätzung für viele Probleme, etwa bei der Suche nach Räumen für Wahllokale, bei der Anwerbung und Schulung von Wahlhelfern oder bei Papierbeschaffung, Druck und Versand von Wahlunterlagen.
Neben den Weihnachtsferien schränken auch die Winterferien die Auswahl an Wahlterminen ein. Zwischen dem 27. Januar und dem 21. März hat immer irgendein Bundesland Ferien. Das beginnt mit den Winterferien in Sachsen-Anhalt und endet mit den Osterferien in Hamburg. So erklärt sich möglicherweise auch der Vorschlag von Friedrich Merz für den 19. Januar (vor den Ferien) und die Aussage des Kanzlers zu Ende März (nach den Ferien). Denn in Ferienzeiten wird in aller Regel nicht gewählt, weil viele Wahlberechtigte verreist sind. Verboten ist es gleichwohl nicht.
Termin in den sächsischen Winterferien im Gespräch
Tatsächlich hat CDU-Chef Merz am Dienstag zwei Termine Gespräch gebracht, die in der Ferienzeit liegen: den 16. oder 23. Februar. Das würde direkt die Menschen in Sachsen betreffen, wo die zweiwöchigen Winterferien am 17. Februar beginnen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte am Dienstagmorgen im ZDF mit Blick auf die Vorschläge und eine Einigung mit der SPD: "Ja, darauf läuft es wohl hinaus, das wird wohl ein Kompromiss werden."
Ein Wahltermin in den Ferien dürfte in Sachsen in jedem Fall den Briefwahl-Anteil deutlich erhöhen. Auch könnte es schwieriger werden, Wahllokale sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu finden.
Winterferien in Mitteldeutschland Winterferien sind in Sachsen-Anhalt vom 27. bis 31. Januar, in Thüringen vom 3. bis 8. Februar und in Sachsen vom 17. Februar bis 1. März.
Im politischen Terminkalender steht zudem eine Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März. Zu diesem Termin sind zwar Ferien im Saarland und Ferienbeginn in Bayern. Jedoch könnte argumentiert werden, dass es effizient ist, diese Landtagswahl mit der Bundestagswahl zu koppeln. Allerdings liegt dieser Wahlsonntag direkt vor Rosenmontag. In den Karnevalshochburgen sind die Menschen also an dem Wochenende mit den Vorbereitungen für Feiern und Umzüge beschäftigt.
Fazit: Neuwahlen Ende März hat Vorteile
Bundeskanzler Scholz wählte den Termin Ende März offenbar mit Bedacht. Der 23. März und der 30. März sind die ersten Sonntage außerhalb der Winter- und Frühjahrsferien. Zudem ließe ein so später Termin den Parteien und Wahlbehörden ausreichend Zeit für die Vorbereitungen und den Wahlkampf.
Müssen wir jetzt immer im Januar oder März wählen gehen?
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es bislang 20 Wahlen zum deutschen Bundestag gegeben. Zwölf von ihnen fanden im September statt. Als Grund dafür gilt, dass die Sommerferien und die Ernte vorbei sind und der Beginn des Herbstsemesters an den Hochschulen noch bevorsteht – sprich, dass möglichst alle Wahlberechtigten wählen gehen können.
Artikel 39 des deutschen Grundgesetzes legt fest, dass die Neuwahl des Bundestags frühestens 46 Monate, spätestens 48 Monate nach Beginn einer Wahlperiode stattfinden muss – also dem Zeitpunkt, an dem der bisherige Bundestag nach der vorherigen Wahl erstmals zusammengetreten ist. Das bedeutet, dass der Termin für eine Neuwahl regulär höchstens zwei Monate vorgezogen werden kann. Nach den vorgezogenen Neuwahlen im November 1972 und März 1983 wurden die Wahlen nach und nach wieder in Richtung Herbst verschoben – seit 1998 fanden sie ausschließlich im September statt, auch die vorgezogene Neuwahl 2005, nachdem SPD-Kanzler Gerhard Schröder im Juli die Vertrauensfrage gestellt hatte.
Heißt also, bei einem Wahltermin im Januar könnte – eine "normale", vierjährige Wahlperiode vorausgesetzt – frühestens im September 2032 wieder eine September-Wahl stattfinden, bei einem Wahltermin im März sogar erst 2036.
Bestimmt wird der Wahltag vom Bundespräsidenten, wobei ihm die Regierung in der Regel einen Termin vorschlägt. Die Wahl muss dem Bundeswahlgesetz zufolge auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fallen.
Soll der Wahltermin außerhalb der Ferien liegen, aber früher stattfinden, wäre der 19. Januar die einzige Alternative. Wie oben beschrieben, müssten die Wahlbenachrichtigungen aber nach geltender Wahlordnung drei Wochen vorher bei den Wählerinnen und Wählern sein. Die Frist wäre also kurz vor Silvester zu Ende – ein Zeitpunkt, an dem das öffentliche Leben traditionell weitgehend stillsteht.
mit Material von Reuters und dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 11. November 2024 | 16:47 Uhr
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