Syrische Frauen feiern bei einer Kundgebung das Ende des Assad-Regimes auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs von Duisburg. 3 min
Audio: So ist die Lage in Syrien einen Monat nach dem Sturz Assads. Bildrechte: IMAGO / Jochen Tack
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Syrien zwischen Hoffnung und Anzeichen einer islamistischen Agenda

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Asylpolitik Viele Hindernisse für Ausweisungen von Syrern

07. Januar 2025, 17:50 Uhr

Innenministerin Nancy Faeser hat ankündigt, dass der Schutzstatus von Syrern in Deutschland überprüft wird. Bis tatsächlich Ausweisungen ausgesprochen werden, dürfte aber viel Zeit vergehen. Die Lagebeurteilung in Syrien ist schwierig. Selbst wenn es ein klares Bild gäbe, dürfte die Bearbeitung hunderttausender Verfahren lange dauern.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rechnet nicht damit, in Kürze neu über den Aufenthalt syrischer Geflüchteter in Deutschland entscheiden zu können. "Zeitnah wird nichts passieren", sagte Bamf-Sprecher Jochen Hövekenmeier am Dienstag im Gespräch mit MDR AKTUELL. Es brauche zunächst ein Lagebild, auf dessen Grundlage Widerrufsprüfungen der Asylanträge stattfinden könnten, erklärte Hövekenmeier.

Für die grundlegende Lageeinschätzung sei das Auswärtige Amt in Berlin zuständig, erläuterte der Bamf-Sprecher. "Aufbauend auf dieser Einschätzung können Expertinnen und Experten bei uns im Haus das in Bezug zu unseren Richtlinien setzen und die Leitlinien für die Asyl-Entscheidungen anpassen."

Es sei aber weiter unklar, wann die Lage in Syrien so stabil sei, dass man eine Analyse abschließen und seriöse Asylentscheidungen treffen könne. Das Bamf hatte die Bearbeitung von Asyanträgen mit Bezug zu Syrien im Dezember vorerst gestoppt.

Lageeinschätzung schwierig

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Sonntag gesagt, dass Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium gemeinsam daran arbeiteten, ein klareres Lagebild von Syrien zu gewinnen. In den Reise- und Sicherheitshinweisen zu Syrien schreibt das Auswärtige Amt derzeit: "Die allgemeine Sicherheitslage ist im ganzen Land weiterhin äußerst volatil." Ein erneutes Aufflammen von Kampfhandlungen könne nicht ausgeschlossen werden. Das Amt verweist zudem auf israelische Luftangriffe und Anschläge der Terrororganisation IS.

Faeser kündigte dennoch an, dass das Bamf den Schutzstatus von Syrern überprüfen werde. Der Schutz solle aufgehoben werden, "wenn Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr brauchen". Das solle für jene gelten, die kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen wie Arbeit oder Ausbildung hätten und nicht freiwillig nach Syrien zurückkehrten.

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin bei Pro Asyl, kritisierte diese Ankündigung als "übereilt und unrealistisch". Es sei derzeit völlig unklar, "ob es in Syrien die Sicherheit und Stabilität geben wird, die solche Widerrufe rechtfertigen würde."

Frauen und religiöse Minderheiten im Fokus

Die möglichen Gründe für den Widerruf der Anerkennung einer Schutzbedürftigkeit sind im Asylgesetz geregelt. Insbesondere kann die Flüchtlingseigenschaft widerrufen werden "nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben."

Hierbei kommt es wiederum oft auf den individuellen Hintergrund an. Die meisten geflüchteten Syrer und Syrerinnen in Deutschland verfügen über einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention (39 Prozent). Das heißt, ihnen droht als politisch Verfolgte aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Nationalität oder politischen Überzeugung in Syrien eine schwere Verletzung ihrer Menschenrechte. Ein weiterer großer Teil der Syrer in Deutschland hat subsidiärer Schutz (34 Prozent). Dieser greift, wenn im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, etwa willkürliche Gewalt in einem Bürgerkrieg. Er gilt aber etwa auch, wenn eine "erniedrigende Behandlung" droht.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies nach ihrem Besuch in Syrien zuletzt vor allem auf die Bedeutung von Frauenrechten hin sowie auf die Behandlung der Minderheiten im Land. "Wenn Frauen in Zukunft in Syrien nicht sicher sind, werden die so dringend benötigten, gut ausgebildeten Millionen Männer und Frauen aus dem Ausland niemals zum Wiederaufbau in ihre Heimat zurückkehren", sagte Baerbock – allerdings ohne konkreten Bezug zu Asylentscheidungen.

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Hunderttausende Verfahren neu zu beurteilen

Selbst bei einer positiven Lageeinschätzung für Syrien wird die Bearbeitung der Asylverfahren im Bamf viel Zeit in Anspruch nehmen. Circa 700.000 Bescheide müssten überprüft werden. Das Bamf bereite sich derzeit auf das Szenario vor, diese Arbeit zu leisten, sagte Sprecher Hövekenmeier. So könne bei Bedarf Personal umgeschichtet werden, etwa aus den Arbeitsbereichen Integration oder freiwillige Rückkehr. Allerdings sei die Arbeit ohne zusätzliches Personal nur langsam zu bewältigen.

Gegen etwaige Ausweisungen könnten Betroffene außerdem noch vor den Verwaltungsgerichten klagen. Bis ein Urteil in oberster Instanz am Bundesverwaltungsgericht Leipzig vorliege, könnten mehrere Jahre vergehen.

Nötige Gesetzesänderungen versus klarer Fahrplan

Vor diesem Hintergrund sagte der Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, es gehe eben nicht nur um Verwaltungsvollzug, sondern auch um nötige Gesetzesänderungen. Nur so sei das Bamf in der Lage, hunderttausende Asylbescheide zu überprüfen. Was genau geändert werden müsse, sagte er jedoch nicht. Innenministerin Faeser warf er vor, "hinter ihrer entschlossen wirkenden Rhetorik eigentlich nur ihr Nichtstun" zu verbergen.

Der SPD-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses Lars Castellucci sagte am Dienstag bei MDR AKTUELL, es gebe momentan einen "Überbietungswettbewerb", der "ein bisschen dem Wahlkampf geschuldet" sei. Unterschiedliche Stimmen wollten sich als besonders handlungsfähig darstellen. "Aber eigentlich ist der Fahrplan klar. Es gibt Menschen, die haben hier einen dauerhaften Aufenthaltsstatus, der ist dann auch gesichert. Aber wer hier vorübergehenden Schutz hat, der kann auch widerrufen werden, wenn im Heimatland tatsächlich Sicherheit und Frieden einkehrt."

dpa/AFP/MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - das Nachrichtenradio | 07. Januar 2025 | 14:18 Uhr

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