Nach Sturz von Assad Bamf: Keine Entscheidung über Asylanträge von Syrern
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09. Dezember 2024, 22:16 Uhr
Der Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat in Deutschland eine Debatte über die mögliche Rückkehr von Flüchtlingen und einen Aufnahmestopp ausgelöst. Nun hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorerst Entscheidungen über Asylanträge von Syrern gestoppt. Deutsche Politiker und Experten sind besorgt über die Zukunft Syriens.
- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat einen Entscheidungsstopp für Asylanträge von Syrern erlassen.
- SPD-Außenpolitiker Michael Roth warnt vor zu viel Euphorie nach Sturz von Assad.
- Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ruft die EU auf, sich für ein friedliches Syrien zu engagieren.
- Deutsch-Syrischer Verband ist besorgt über die radikalen Gruppen, die hinter dem Machtwechsel stehen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stoppt wegen der unklaren Lage in Syrien vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge aus dem Land. Das sagte ein Behördensprecher auf Anfrage.
Eine Möglichkeit sei jetzt eine "Rückpriorisierung" der entsprechenden Anträge, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin. Sie würden also im Stapel der Bamf-Mitarbeiter nach unten geschoben. Asylanträge seien aber immer Einzelfallentscheidungen. Dabei spiele die Sicherheitslage im Herkunftsland eine Rolle.
Der Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat in Deutschland eine Debatte über die mögliche Rückkehr von Flüchtlingen und einen Aufnahmestopp ausgelöst. Hierzulande leben fast eine Million Syrer, hunderttausende flüchteten seit 2011 aus dem Land, als der blutige Bürgerkrieg in dem Land begann.
Lage in Syrien
Das Land steht nun vor einer ungewissen Zukunft. Die Flucht Assads und seiner Familie nach Russland bietet die Chance für einen Neubeginn nach Jahrzehnten Diktatur und fast 14 Jahren Bürgerkrieg mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen.
Vieles hängt davon ab, ob sich die verschiedenen Rebellengruppen auf eine Verteilung der Macht einigen können – oder ob ein Machtvakuum zu neuer Gewalt führt und Syrien mit seinen ethnischen und religiösen Minderheiten im Chaos versinkt. Was in dem Land nach Assads Sturz folgt, könnte neue Konflikte in der Region auslösen.
Roth: Sorge vor neuen Diktatoren
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth hat vor zu viel Euphorie gewarnt. An der Spitze der Aufständischen stünden auch islamistische Gruppen, denen er nicht "über den Weg traue", sagte Roth am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Diese gäben sich derzeit moderat, die Frage sei allerdings, ob das so bleibe. Mitunter würden aber Diktatoren durch neue Diktatoren ersetzt.
Die islamistische Gruppierung Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen hatten am Sonntag nach eigenen Angaben die syrische Hauptstadt Damaskus eingenommen.
Wer sind die Rebellen? Bei den Rebellen handelt es sich um eine heterogene Gruppe. Das Bündnis der Aufständischen wird angeführt von der Islamistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS). Zuvor hatte sie Verbindungen zur Terrororganisation Al Kaida. Sie sagte sich später aber öffentlichkeitswirksam von diesen los. Der Angriff auf die Regierungstruppen wurde aber auch von Rebellengruppen im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten sowie Zellen der Terrormiliz IS geführt. Tagesschau
Nouripour: Kein Grund sich zu entspannen
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hat die EU aufgerufen, sich für ein friedliches Syrien zu engagieren. Nouripour sagte MDR AKTUELL, dass Machthaber Baschar al-Assad ohne viel Blutvergießen gestürzt worden sei, sei eine gute Nachricht. Es sei aber kein Grund, sich zu entspannen.
Es strebe jetzt eine sehr heterogene Gruppe nach der Macht – angeführt von Dschihadisten, die extrem radikal unterwegs seien. Einfluss hätten aber auch Kräfte aus dem Ausland, so Russland, der Iran oder die Türkei. Da müsse die EU pro-aktiv handeln.
Deutsch-Syrischer Verband: Sturz von Assad ist ein Anfang
Auch der Deutsch-Syrische Verband aus Dresden hat den Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad als gute Nachricht bezeichnet. Vorstandsmitglied Said Al-Akel sagte MDR AKTUELL, dies sei ein Anfang. Syrien sei wirtschaftlich und sozial am Ende. Das sehe man weltweit auch an den Flüchtlingszahlen. Er wünsche sich nun endlich Frieden für Syrien. Bauchschmerzen bereiteten allerdings die radikalen Gruppen, die hinter dem Machtwechsel stünden.
Der Syrisch-Deutsche Kulturverein Magdeburg teilte MDR AKTUELL mit, der Sturz des Assad-Regimes sei ein bedeutender Wendepunkt, der für die syrische Gemeinschaft weltweit von großer Bedeutung sei. Es sei ein Tag voller Hoffnung, an dem "wir uns von der jahrelangen Unterdrückung und den Gräueltaten des Regimes befreien können". Doch der Weg des Wiederaufbaus in Syrien werde mit vielen Herausforderungen verbunden sein, mahnte der Kulturverein. Es werde ein langer Prozess sein, der Zeit und internationale Zusammenarbeit erfordere.
Der aus Syrien stammende Flüchtlingsexperte Tareq Alaows von Pro Asyl beschrieb die Gefühle vieler Syrer als Mischung aus Hoffnung und Angst. Einige wollen nun zurück, um den Aufbau des Landes zu gestalten. Sie bräuchten aber Sicherheiten. Bisher gebe es keine Gewissheit, in welche Richtung sich Syrien entwickele.
MDR/AFP/dpa (jst)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nacherichtenradio | 09. Dezember 2024 | 06:48 Uhr