Bildung und Integration Zu wenige Schulplätze in Sachsen und Thüringen, vereinzelt Engpässe in Sachsen-Anhalt
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02. Februar 2025, 05:00 Uhr
An sächsischen Schulen fehlen Plätze für 1.869 Kinder und Jugendliche. In Thüringen sind es 248 Kinder, die keinen Schulplatz haben, wie das Bildungsministerium in Erfurt auf MDR-Anfrage mitteilte. In Sachsen-Anhalt gibt es keinen vergleichbaren Engpass. Was bedeuten die Zahlen?
Sachsen: Geflüchtete Kinder wochenlang unbeschult
Von den rund 1900 Schülerinnen und Schülern ohne Schulplatz in Sachsen brauchen etwa 530 Kinder einen Platz an einer Grundschule, etwa 700 Kinder müssten eine weiterführende Schule besuchen. Das geht aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen in Sachsen hervor.
Kristina Kocyba ist Schulforscherin an der TU Dresden. Sie ordnet die sächsische Zahl ein: "Alarm muss man bei dieser Zahl nicht schlagen. Die Kinder und Jugendlichen werden einen Schulplatz bekommen. Allerdings ist davon auszugehen, dass es nicht der Erst-, Zweit- und auch nicht der Drittwunsch der Liste werden wird."
Dass es zu einem solchen Defizit an Schulplätzen komme, sei vor allem auf den anhaltenden Lehrkräftemangel zurückzuführen. Bei einer angespannten Personalsituation könne man keine neuen Klassen gründen. Auch Seiteneinsteiger könnten die Überlastungssituation nur bedingt entschärfen.
"Für wen die Situation aber in der Tat kritisch ist, sind geflüchtete Kinder", sagt Kocyba. Für sie könne es zu wochen- bis monatelangen Ausfällen kommen. Das sei nicht nur mit Blick auf den Lernzuwachs problematisch, sondern vor allem hinsichtlich des sicheren, sozialen Ankommens der Kinder, sagt die Schulforscherin. Das Bündnis "Recht auf Schule für Alle in Sachsen" hatte bereits im vergangenen Jahr in einem Offenen Brief darauf aufmerksam gemacht.
Thüringen: Grundschul-Plätze werden in Gotha ausgelost
In Thüringen sind es 248 Schulplätze, die derzeit fehlen. Das Defizit konzentriere sich auf Ostthüringen, genauer Gera und das Altenburger Land. 50 der fehlenden Plätze sind Grundschulplätze, wie das Bildungsministerium auf MDR-Anfrage mitteilte. Aber auch anderswo gibt es Engpässe.
Die Friedrich Löffler-Grundschule in Gotha ist beispielsweise sehr beliebt. Dort muss seit mehreren Jahren gelost werden, wer einen der begehrten Plätze bekommt. Und Eltern, die keinen Platz für ihre Kinder bekommen, sind deshalb nicht selten enttäuscht. Schulleiterin Andrea Friedrich sagt im Gespräch mit MDR AKTUELL: "Eine Oma war darüber sehr unglücklich, sehr böse. Sie behauptete, dass ausländische Kinder pauschal angenommen werden würden, deutsche Kinder nicht. Das stimmt nicht und ist unsachlich."
In den vergangenen Jahren sei es ihr aber immer gelungen, mit allen Eltern zu sprechen. Immer wenn Kinder zurückgestellt werden oder doch noch vor Schulbeginn wegziehen, würden ein paar Plätze frei und könnten wieder verlost werden. Die Schulleiterin sagt: "Es ballt sich zu sehr bei uns in den Städten." Die Situation sei nicht ideal, weder für die Lehrkräfte noch für die Kinder.
Sachsen-Anhalt: Vereinzelt Engpässe
Anders als in Sachsen und Thüringen stellt sich die Situation in Sachsen-Anhalt dar, wo trotz Lehrermangel kaum ein Mangel an Schulplätzen zu beklagen ist: "Migrationsbedingt gab es im vergangenen Jahr im Burgendlandkreis vereinzelt räumliche Engpässe, weshalb einige Schülerinnen und Schüler von externen Trägern beschult wurden", schreibt das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt. Die öffentlichen Schulträger kämen der schulgesetzlichen Regelung nach.
Derzeit werde noch eine Klasse über einen externen Träger beschult, etwa ein Drittel werde voraussichtlich zum Halbjahreswechsel in Schulklassen öffentlicher Träger integriert: "Dies ist – nach baldigem Erwerb ausreichender Deutsch-Kenntnisse – auch für die übrigen Schülerinnen und Schüler geplant", heißt es weiter aus Magdeburg.
Schulforscherin: Fluchtbewegung wird relevant bleiben
Lehrermangel und Überlastung, das seien die Gründe für fehlende Schulplätze, bestätigt Michael Jung, Mitglied im sächsischen Lehrerverband "Bildung und Erziehung". "Es heißt aus der Politik immer nur: 'Das müssen wir hinkriegen'. Aber nichts passiert. Der enorme Lehrermangel wird negative Folgen für die Gesellschaft haben, nicht nur in Sachsen", sagt Jung.
Wir verschenken Chancen und setzen Biografien aufs Spiel.
Kinder, die deshalb zu Hause bleiben müssten, würde ihr Recht auf Bildung verwehrt. "Wir verschenken Chancen und setzen Biografien aufs Spiel", sagt Michael Jung.
"Flucht wird in unserer Welt weiterhin ein Thema bleiben. Daran können wir nicht vorbeiblicken und deshalb muss es auch bildungspolitisch mitgedacht werden", ergänzt Schulforscherin Kocyba.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | THÜRINGEN JOURNAL | 30. Januar 2025 | 19:00 Uhr