Staatsausgaben Warum die Schuldenbremse immer wieder zu Streit in der Politik führt

07. Juli 2024, 14:16 Uhr

Kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause kam der Durchbruch nun doch noch: der Haushaltsentwurf der Bundesregierung steht. Lang hing die Einigung an einer Frage: Hält man die Schuldenbremse ein? Die SPD und Grüne fordern schon lange eine grundlegende Reform, die FDP stellte sich quer. In der oppositionellen CDU gibt es widersprüchliche Haltungen. Warum ist die Schuldenbremse so umstritten?

MDR AKTUELL Autorin Kristin Kielon
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Sie war eine Lehre aus der Finanzkrise: 2009 wurde die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Sie begrenzt die maximal möglichen Kredite, die der Staat aufnehmen darf, um eine dauerhaft stabile Finanzpolitik sicherzustellen.

Lediglich leichte, konjunkturbedingte Abweichungen sind möglich, erklärt Finanzexperte Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. "Die heutige Schuldenbremse hat sehr sehr strikte Vorgaben – 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts darf maximal zusätzlich als Kredit aufgenommen werden. Das sind rund 15 Milliarden Euro", sagt Hentze und zieht den Vergleich zu EU-Regeln. "Zum Beispiel das Maastricht-Kriterium, also die EU-Vorgaben, die hatten ursprünglich mal drei Prozent vorgesehen, also fast das Zehnfache dessen, was wir uns heute erlauben.

Die Bundesländer dürfen zusätzlich gar keine Schulden mehr machen. Einzige Ausnahme: Bei Notlagen kann die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden. Vielen Kritikern ist das zu streng.

Wirtschaftsforscher bemängelt Konstruktionsfehler der Schuldenbremse

So meint etwa auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, dass die aktuelle Regelung eher schade. Er begrüße die Schuldenbremse per se ja, sagt Fratzscher. "Aber bitte eine Schuldenbremse, die nicht blind ist dafür, wofür der Staat Geld ausgibt. Und die Bremse ist blind. Sie vernachlässigt die öffentlichen Investitionen und das ist ein Konstruktionsfehler der Schuldenbremse."

Das sehen zahlreiche Politikerinnen und Politiker ganz ähnlich und wollen nachbessern. Sogar der konservative Flügel der SPD ist dafür. Darüber kann auch die Einigung beim Bundeshaushalt nicht hinwegtäuschen, sagt der Chef des Seeheimer Kreises, Dirk Wiese. "Davon unbenommen ist allerdings die generelle Diskussion über eine Reform der Schuldenbremse. Es geht nicht um eine Abschaffung. Und die haben ja sehr viele Ökonomen – ich sag mal aus arbeitgebernahen Bereichen, aus den Gewerkschaften ja gesagt, dass es hier gerade beim Investitionsbegriff sinnvoll ist, die Schuldenbremse zu reformieren. Das wird auf der Tagesordnung bleiben." Es brauche deutlich mehr Zukunftsinvestitionen etwa in Bildung, ergänzt Wiese.

Auch in der CDU zweifeln manche am Sinn der Schuldenbremse

Für eine Gesetzesänderung braucht es allerdings eine Zweidrittelmehrheit und die gibt es nicht ohne die Union. Doch auch in der CDU sind bereits kritische Stimmen laut geworden. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner etwa forderte eine Reform, die CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Hendrik Wüst zeigten sich ebenfalls offen dafür und Michael Kretschmer zumindest gesprächsbereit.

"Wir brauchen eine Verständigung. Dazu muss man sich zusammensetzen", sagt Kretschmer. "Diejenigen, die das tun müssen, ist die Bundesregierung, sie ist in der Verantwortung. Will sie diese Verantwortung tragen, kann sie auf die Länder zukommen, kann sie auf die Opposition im deutschen Bundestag zukommen und wir haben ein Verständnis, dass wir dann auch immer reden werden."

Merz und Lindner verweigern eine Reform der Schuldenbremse

Das schließt CDU-Parteichef Friedrich Merz jedoch bisher aus. Er sagte im ARD-"Morgenmagazin": "Die Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz angelegt ist, ist richtig. Sie hat bis heute dafür gesorgt, dass wir eben nicht zu hohe Schulden machen. Sie gibt viele Spielräume." Darüber hinaus weitere Schulden zu machen, sei unverantwortlich.

Doch nicht nur in der Union herrscht Uneinigkeit, auch die Ampel ist sich uneins. Während SPD und Grüne eine Reform fordern, hat FDP-Finanzminister Christian Lindner eine klare Haltung: "Man kann nicht Gebote der Verfassung ein- und ausschalten wie einen Lichtschalter, sondern das muss geachtet werden und außerdem ist es ökonomisch vernünftig, wir zahlen ja Zinsen."

Ob die Zinsen für künftige Generationen belastender sind als ausbleibende Investitionen, ziehen Fachleute wie DIW-Präsident Fratzscher in Zweifel. Er sagt, dass die Obsession mit den Schulden langfristig zu weniger Wohlstand führen dürften.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. Juli 2024 | 14:11 Uhr

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