Uniformen von Wolfgang Wegerich
Wer in der DDR seinen Wehrdienst geleistet hat, erhält weniger Rentenpunkte als Rekruten der Bundeswehr. Bildrechte: MDR/Wolfgang Wegerich privat

Der Redakteur | 27.09.2023 Wehrdienst in der DDR – Weniger Rentenpunkte für DDR-Rekruten?

04. Oktober 2023, 09:03 Uhr

Zwischen dem Wehrdienst bei der NVA und der Bundeswehr werden in Sachen Rentenpunkte Unterschiede gemacht. DDR-Wehrdienstler bekommen weniger. MDR-Nutzer Dieter Siegel aus Jena ist Rentner und möchte wissen, warum Männer für ihre Zeit im Grundwehrdienst unterschiedlich viele Rentenpunkte bekommen.

Für den Wehrdienst im Westen werden ihnen 1,0 Rentenpunkte gutgeschrieben, für den Wehrdienst in der DDR nur 0,75. Das Unverständnis ist sicher größer als die Summe, um die es geht. Die eineinhalb Jahre Grundwehrdienst sind nicht die tragende Säule der Altersrente. Aber warum werden diese Unterschiede gemacht?

Der Sozialverband VDK Sachsen empfiehlt auf seiner Website, Widerspruch gegen den Rentenbescheid einzulegen. Das könnte von Vorteil sein, wenn ein Fall vor Gericht kommt und am Ende festgestellt wird, dass alles nicht ganz rechtmäßig ist, hier einen Unterschied zu machen zwischen einem Grundwehrdienstleistenden der NVA und der Bundeswehr. Beide hätten ganz sicher etwas Besseres und auch besser Bezahltes vorgehabt in ihren jungen Jahren.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeiten in der DDR, sich dem Militäreinsatz zu entziehen, nahe Null waren. Im Westen hingegen nutzten viele die Ausweichmöglichkeit Zivildienst. Auch hat der Austausch der Armeegeschichten der ehemaligen "Klassenfeinde" ergeben, dass in der Bundeswehr bis hin zum Heimschläfer und freien Wochenenden vergleichsweise paradiesische Zustände herrschten. Und dafür soll es nun auch noch mehr Rente geben? Das war zumindest die Meinung von gedienten MDR THÜRINGEN-Hörern zum Thema. Und trotzdem entweicht die Luft aus dem großen Ballon der Aufregung beim näheren Hinsehen sehr schnell.

NVA- und Bundeswehr-Mützen liegen auf einem Regal.
NVA- und Bundeswehr-Mützen liegen auf einem Regal: Unterschiede gab's bei der Kleidung - bei der Rente auch? Bildrechte: IMAGO / Rolf Hayo

Wie werden die Unterschiede bei Wehrdienst-Rentenpunkten begründet?

Zunächst ist die Rente nicht abhängig von der Schwere der Tätigkeit oder dem Benehmen eines Vorgesetzten. Die Gerichte, die wegen dieser offensichtlichen Gerechtigkeitslücke bereits bemüht wurden, haben aber bisher keinen Grund gesehen, die bestehende Regelung zu kritisieren. So bestätigte das Landessozialgericht in Sachsen 2022 (Aktenzeichen L 4 R 453/20) das Urteil des Sozialgerichts Dresden (S 35 R 1075/19) aus dem Jahre 2020. Mit der unterschiedlichen Bewertung werde nicht der Gleichheitssatz verletzt, weil es verkürzt gesagt unterschiedliche Dinge waren, die die Grundlage für die Rentenhöhe lieferten. Auch wenn in beiden Fällen eine Uniform getragen wurde.

Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie im vorliegenden Fall ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen...

Landessozialgericht Sachsen 14.4.2022 (Aktenzeichen L 4 R 453/20)

Das Gericht verweist als Beispiel auf Stichtage, die immer Härten für einzelne mitbringen. Trotzdem ist nicht so, dass alle Soldaten aus dem Westen grundsätzlich einen Rentenpunkt pro gedientem Jahr gutgeschrieben bekommen. Basis ist nämlich der Paragraf § 256 SGB VI, wonach von 1982 bis 1991 für jedes volle Kalenderjahr 0,75 Entgeltpunkte gutgeschrieben werden und nur für die Zeit von 1961 bis 1981 diese 1,0 Entgeltpunkte.

Davor gab es andere Berechnungsmaßstäbe, für deren Verständnis fast schon ein Fachstudium erforderlich ist. Das bedeutet, zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gab es die 0,75 Entgeltpunkte auch im Westen und dieser Wert wurde für die ehemaligen NVA-Grundwehrdienstleistenden quasi übernommen. Also die vermeintliche "Ungerechtigkeit" gibt es nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen früh- und spätdienenden im Bundeswehrsoldaten.

Der Gesetzgeber war nicht gehalten, Vergünstigungen, die er in einem bestimmten Zeitraum einer Versichertengruppe einräumte, auf weitere Personengruppen auszuweiten, die unter anderen Versicherungsbedingungen lediglich zum gleichen Zeitpunkt ihren Grundwehrdienst leisteten.

Landessozialgericht Sachsen 14.4.2022 (Aktenzeichen L 4 R 453/20)

Die Gerichte verweisen auch noch auf einen weiteren Sachverhalt. In der DDR erfolgte - anders als in den alten Bundesländern - rechtlich keine Beitragszahlung. In der DDR war der Wehrsold beitragsfrei. Trotzdem hat der Gesetzgeber in der Bundesrepublik die DDR-Soldaten den Wehrpflichtigen der alten Länder gleichgestellt, zumindest denen, die nach 1982 gedient haben.

NVA-Rekruten entgehen etwa 14 Euro Rente monatlich

Aktuell gibt es für einen Rentenpunkt 37,60 Euro Rente im Monat. Das heißt nach den Regeln der Prozentrechnung, dass für 0,75 Rentenpunkte nur 28,20 Euro monatlich für ein volles Jahr im Waffenrock gezahlt werden. Die "Gerechtigkeitslücke" beträgt also 9,40 Euro. Bei eineinhalb Jahren "Ehrendienst" wäre das ein finanzieller Nachteil für die NVA-Soldaten (und eben auch für die Bundeswehrsoldaten mit Dienstantritt ab 1982) von circa 14 Euro monatlich. Alle Angaben ohne Gewähr.

Und trotzdem: Es ist ganz sicher kein Wehrdienstleistender in der DDR auf diese bei Lichte betrachtet völlig irre Idee gekommen: Ja, diese eineinhalb Jahre sind vielleicht die schlimmsten meines Lebens, aber irgendwann bekomme ich dafür monatlich ein paar Kröten Westgeld.

MDR (thk/ask/ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 27. September 2023 | 16:40 Uhr

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