Carsten Schneider (SPD), Ost-Beauftragter der Bundesregierung, am 2. Oktober 2024 im "Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation" in Halle
Carsten Schneider (SPD), Ost-Beauftragter der Bundesregierung: Sein Amt ist umstritten, sein Thema aber anscheinend weniger. Bildrechte: Bundesfoto / Bernd Lammel

Bundestagswahl Weniger Ostdeutschland in den Wahlprogrammen

06. Januar 2025, 06:57 Uhr

Ostdeutschland war in Wahlprogrammen seit 1990 eigentlich immer ein gesondert angesprochenes Thema. Doch vor der Bundestagswahl jetzt scheint es einigen Parteien – in der Eile vielleicht – abhandengekommen zu sein.

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"Stern"-Autor Martin Debes meint, Ostdeutschland werde auch diese Bundestagswahl entscheiden. Dabei fällt auf, dass Ostdeutschland als Thema nicht mehr für alle Parteien zum Wahlprogramm gehört.

Im bereits als beschlossen geltenden Wahlprogramm von CDU und CSU kommen "die Ostdeutschen" genau ein Mal vor, in der Einleitung und einer Aufzählung, worauf man in Deutschland stolz sein könne: "Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Weltmeistertitel, Westbindung, Friedliche Revolution, Wiedervereinigung und Aufbauleistung der Ostdeutschen" und so weiter.

Dass Ostdeutschland sonst als eigenes Thema auf 81 Seiten nicht erscheint, bedeutet zwar nicht, dass die Union keine auch für den Osten relevanten Themen hätte. Sie sind jedoch nicht gesondert adressiert. Die zuletzt auch von der Union wieder aufgebrachte Debatte, ob die Bundesregierung wirklich Ost-Beauftrage brauche, hat damit nur äußerlich zu tun. Denn dass der Osten an sich kein Thema mehr sei, kann niemand ernsthaft behaupten.

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Im 139 Seiten starken Unions-Wahlprogramm von 2021 sah das auch noch anders aus. Hier gab es zwei ganze Seiten unter der Überschrift "Zukunft Ost – Chancen für das geeinte Deutschland" und diverse Erwähnungen, etwa auf Seite 89 auch das Versprechen, Ansiedlungen von Einrichtungen der Forschung und der Wirtschaft in Ostdeutschland weiter zu fördern.

Häufigere Erwähnung bei den Ampel-Parteien

Bei der SPD, die mit Carsten Schneider den Ost-Beauftragten der Bundesregierung stellt, findet Ostdeutschland im bisherigen Programm-Entwurf weit häufiger an verschiedenen Stellen Erwähnung.

Carsten Schneider (SPD), Staatsminister für die neuen Bundesländer und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, präsentiert in der Bundespressekonferenz ein Dokument
Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, mit dem Bericht zum Stand der Einheit 2024 Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

So heißt es schon auf der ersten Seite in der Einführung über das, was die SPD als Erfolge wertet: "Die Renten sind kräftig gestiegen – und mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall in Ost und West endlich angeglichen."

Danach wird der Osten bei der SPD unter verschiedenen Aspekten eigens erwähnt: bei den Netzentgelten, den kommunalen Altschulden, bei der EU-Regionalförderung, den Kosten der Pflege und nicht zuletzt bei den Löhnen, wo die SPD mit dem nicht gerade vollmundigen Versprechen aufwartet, sie in Ostdeutschland "langfristig oberhalb des Mindestlohns zu sichern".

Und natürlich kommt der Osten auch beim Thema Extremismus vor, wobei die SPD hier die "wertvolle und mutige Arbeit" von Vereinen und Akteuren der Zivilgesellschaft lobt, ohne etwa deren Finanzierung genauer anzugehen.

Ostdeutschland bei Grünen und FDP

Im Entwurf der Grünen, der am 26. Januar in Berlin zur Abstimmung steht, sind explizite Erwähnungen schon dünner gesät. Im Naturschutz soll es mehr Großschutzgebiete nach ostdeutschem Vorbild geben sowie in Regionen "wie der Lausitz" im Strukturwandel neue "Infrastruktur, Wirtschaftsförderung, Renaturierung und Investitionen in Zukunftstechnologien".

Bei der ländlichen Gesundheitsversorgung "gerade in Ostdeutschland" regen die Grünen "zusätzliche Programme für Gemeindegesundheitspfleger*innen, früher die Gemeindeschwester", sowie eine "Medizin auf Rädern" an. Und bei den gesetzlichen Renten sollen die Erträge einer zusätzlichen Kapitaldeckung "insbesondere Frauen und Menschen in Ostdeutschland" unterstützen.

Die Aktienrente, eigentlich eine FDP-Idee, soll so offenbar auch Thema für Ostdeutschland werden. Dabei ist der Osten auch im fertigen FDP-Programm präsent. So stehen für das Motto "Alles lässt sich ändern" bereits am Anfang "die mutigen Menschen in Ostdeutschland" von 1989 als Beispiel.

Tatsächlich aber setzt die FDP auch die nach wie vor "besonderen wirtschaftlichen Herausforderungen in den ostdeutschen Bundesländern" als Programmpunkt: "Auch die Vermögenssituation unterscheidet sich erheblich." Helfen sollen da "Steuersenkungen, Bürokratieabbau, die Umsetzung von Reallaboren und eine praxistaugliche Wirtschafts- und Forschungsförderung für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Ostdeutschland".

Abwesenheit des Themas bei der AfD

Die AfD spricht den Osten direkt gar nicht an. Obwohl die Partei mit Tino Chrupalla einen ostdeutschen Ko-Vorsitzenden hat, fehlten dem Leitantrag zum Programm entsprechende Bezüge. Verabschiedet wurde das Programm am 11. und 12. Januar bei einem Parteitag im sächsischen Riesa.

Als Text-Dokument war das beschlossene AfD-Programm im Internet allerdings eine Woche später noch nicht verfügbar.

AfD-Spitzen Alice Weidel links und Tino Chrupalla rechts 3 min
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Gleichwohl mischte AfD-Vize Stephan Brandner bei der Debatte um den Ostbeauftragten mit und forderte, dass 35 Jahre nach der Wende das Amt "sofort und unwiderruflich abgeschafft" werden müsse. Weder der für den Osten "noch einer der anderen 45 Bundesbeauftragten" habe "irgendeinen nennenswerten Erfolg vorzuweisen", erklärte Brandner kürzlich.

Beim BSW ist das Thema noch präsent

Dem mit zehn Seiten erst sehr knappen BSW-Kurzwahlprogramm war zu Ostdeutschland noch nichts zu entnehmen. In dem am 12. Januar in Bonn beschlossenen Programm hat der Osten aber noch Platz gefunden.

So heißt es auf Seite 21, "nach wie vor sind die Menschen im Osten Deutschlands benachteiligt". Das Lohnniveau liegt teils weiter 21 Prozent unter dem im Westen. Weder in Eliten der Verwaltung, an Gerichten, Hochschulen oder in Medien seien Ostdeutsche proportional zu ihrem Bevölkerungsanteil vertreten. Relativ vage wird dagegen eine "Förderung Ostdeutscher zumindest im Öffentlichen Dienst" in Wissenschaft und Kultur sowie bei Zugängen zu Stipendien als BSW-Forderung formuliert.

Linke setzt eigenen Schwerpunkt

Die Linke, die möglicherweise jetzt auch wieder stärker als Ost-Partei wahrgenommen werden will, ist bisher die einzige Partei mit einem eigenen Absatz zum Thema im Entwurf. Unter der Überschrift "Gerechtigkeit für Ostdeutschland" bezeichnet sie die ostdeutschen Länder als "noch immer die größte zusammenhängende strukturschwache Region Deutschlands".

Tatsächlich sind explizite Bezüge bei der Linken auch am häufigsten. Die Partei will "höhere Renten und wirkliche Rentengerechtigkeit, insbesondere in Ostdeutschland" und deshalb die Ost-Verdienste "noch bis 2030 hochwerten, damit sich Renten und Ost- und Westdeutschland angleichen".

Auch kritisiert die Linke "schlechte Löhne und unsichere Jobs" vor allem im Osten und nennt hier zahlreiche Programm-Punkte – etwa Genossenschaften sowie Betriebsübernahmen durch Belegschaften – und Probleme wie die Finanzen der Kommunen, die Gesundheitsversorgung in der Fläche oder den öffentlichen Nahverkehr.

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