Kampfjet. 2 min
Video: Was die Bundeswehr vom Sondervermögen anschaffen will Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

100 Milliarden Euro verplant Wofür das Sondervermögen der Bundeswehr verwendet wird

17. Januar 2025, 20:12 Uhr

Das 100 Milliarden Euro große Sondervermögen der Bundeswehr ist ausgegeben. Was für das Geld angeschafft wird, ist nicht einfach nachzuvollziehen. Die Liste der Anschaffungen ist lang. Verteidigungspolitiker aus der Region rufen dennoch nach weiteren Milliarden für die Rüstung.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Alexander Laboda
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Deutschland rüstet auf. Kurz vor Weihnachten meldete das Beschaffungsamt der Bundeswehr: "Die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen (...) sind zum Jahresende 2024 praktisch vollständig in Verträge mit der wehrtechnischen Industrie gebunden". Knapp zweieinhalb Jahre benötigte die Truppe, um die Finanzspritze auszugeben, die ihr der Bundestag mit Beschluss im Juni 2022 zur Verfügung stellte. Wofür wird das Geld im Detail verwendet?

Ausgaben für Sondervermögen intransparent

Die Frage ist abschließend schwierig zu beantworten. Verantwortliche Stellen geben sich bedeckt. Die Bundeswehr will sich auf Anfrage von MDR AKTUELL nicht zum Sondervermögen äußern. Die drei Landeskommandos in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen auch nicht sagen, inwieweit sie heute besser ausgestattet sind als vor knapp drei Jahren. Alle Bundeswehrstellen verweisen auf das Bundesverteidigungsministerium (BMVG).

Von dort gibt es auf Anfrage jedoch auch keine Liste der Anschaffungen und Ausgaben. Ein Sprecher des Ministeriums verweist auf Anhänge des Bundeshaushalts. Dort wiederum finden sich zwar viele Ausgabeposten. Aber teilweise sind Abkürzungen unverständlich oder Formulierungen sehr allgemein. Etwa, wenn schlicht "Munition" aufgeführt wird. Schwer nachvollziehbar sind die Ausgaben auch deshalb, weil die Rüstungsprojekte oft anteilig aus Sondervermögen und regulärem Wehretat bezahlt werden und meist über mehrere Jahre laufen. Für 2025 gibt es aber noch keinen Haushalt, erst recht nicht für die Folgejahre.

Viel Geld für Marine und Lufwaffe

Die nachfolgende Liste ist daher nicht vollständig und muss mit Vorsicht betrachtet werden. Sie basiert auf Mitteilungen des BMVG zu sogenannten 25-Millionen-Vorlagen. Beschaffungsaufträge, die diese Summe übersteigen, müssen vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden. Über diese öffentlichen Beschlüsse hat das Ministerium regelmäßig informiert.

Wie wurde das Sondervermögen also verwendet? Eine kurze Antwort lautet, ein großer Teil des Geldes wurde für eine übersichtliche Anzahl besonders teurer Geräte, Waffensysteme und Raketen ausgegeben:

Indienststellung Waffensystem IRIS-T SLM bei der Flugabwehrraketengruppe 61 der Bundeswehr in Todendorf
Indienststellung von Luftverteidigungssystemen des Typs IRIS-T im vergangenen Jahr. Bildrechte: picture alliance/Chris Emil Janßen

  • 10 Milliarden Euro für 35 F-35 Kampfjets inklusive Ersatzteilen, Bewaffnung und Wartungsleistungen für fünf Jahre
  • Fast 7 Milliarden Euro für 60 Chinook-Transporthubschrauber
  • 5,3 Milliarden Euro für vier Fregatten der Klasse F126
  • 4 Milliarden Euro für das Luftabwehrsystem Arrow
  • 3,8 Milliarden Euro für vier Patriot-Flugabwehrsystem plus 400 dazugehörige Lenkflugkörper
  • 2,9 Milliarden Euro für 123 Kampfpanzer Leopard 2
  • Rund 2,7 Milliarde Euro für 123 Radpanzer (Schwere Waffenträger Infanterie) inklusive Wartungsvertrag
  • Gut 2,6 Milliarden Euro für 62 leichte Kampfhubschrauber H145M
  • Circa 2,3 Milliarden Euro für 22 Panzerhaubitzen 2000 sowie mindestens Hunderttausend Schuss Munition Kaliber 155 Millimeter
  • 2,2 Milliarden Euro für Kommunikationssatelliten
  • Über 1,2 Milliarden Euro für die Entwicklung eines Luftverteidigungssystems für Landoperationen
  • 1,1 Milliarden Euro für drei Seefernaufklärer des Typs P-8A Poseidon
  • 1,1 Milliarden Euro für 50 Puma-Panzer
  • Über 1 Milliarde Euro für "mehrere Hundert" Lenkflugkörper RAM für die Marine
  • Knapp 1 Milliarde Euro für sechs Luftverteidigungssysteme Iris-T

Milliarden für Kleidung, Helme und Rucksäcke

Allein diese Anschaffungen summieren sich auf über 48 Milliarden Euro – knapp die Hälfte des Umfangs des Sondervermögens. Hinzu kommen größere Ausgaben für Ausrüstungsgegenstände in hohen Stückzahlen, die der Bundeswehr in ihrer gesamten Breite zukommen:

  • 2,4 Milliarden Euro für persönliche Ausstattung in Form von Gefechtskleidung, Kampfhelmen, Rucksäcken und Nachtsichtgeräten
  • Über 1 Milliarde Euro für 1.430 ungeschützte sowie 285 geschützte Lastwagen
  • 920 Millionen Euro für 227 Geländefahrzeuge
  • 450 Millionen Euro für mehrere Millionen Schuss in 500er-Gurten für Maschinengewehre
  • 350 Millionen Euro für 6.000 neue Funkgeräte
  • 150 Millionen Euro für 60.000 Headsets

Die Ausgaben für diese Liste aus Beispielen beläuft sich wiederum auf über fünf Milliarden Euro.

Weitere Beschaffungen über 100 Millionen Euro sortiert nach Investitionsvolumen

  • 650 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Entwicklung des neuen Überschalllenkflugkörpers Super Sonic Strike Missile
  • 650 Millionen Euro für 19 Flugabwehrkanonenpanzer für das künftige "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"
  • 520 Millionen Euro für Luft-Luft-Lenkflugkörper Meteor
  • 380 Millionen Euro für Mehrere hundert Exemplare Lenkflugkörpersystem Brimstone
  • 230 Millionen Euro für Bordanlagen für den Elektronischen Kampf (EK) auf den Fregatten der Klasse F124
  • 220 Millionen Euro für Fähigkeitserweiterung der Helicopter des Heeres und der Marine
  • 190 Millionen Euro für 16 Fahrschulpanzer Leopard 2
  • 180 Millionen Euro für Lenkflugkörper des Typs Advanced Medium Range Air-to-Air Missile
  • 170 Millionen Euro für Aus- und Weiterbildung der Hubschrauberführeroffiziere der Marine
  • 160 Millionen Euro für über 6.000 Nachtsichtgeräte – sogenannten Bildverstärkerbrillen – sowie über 8.400 dazu gehörenden Kopftragesysteme
  • 150 Millionen Euro für ein Upgrade des Transportflugzeuges A400M
  • 150 Millionen Euro für gehärtete IT-Informationstechnik-Komponenten samt Zubehör
  • 120 Millionen Euro für Luftkampf-Lenkflugkörper
  • 110 Millionen Euro für Duellsimulator für den Schützenpanzer Puma
  • 110 Millionen Euro für Standard Gewehr- und Pistolenmunition
  • 110 Millionen Euro zum Erhalt der Einsatzverfügbarkeit der Fregatten der Klasse 123
  • 100 Millionen Euro für Infrastrukturinvestition ins Marinekommando
  • 100 Millionen Euro für Unterwasser-Ortungssysteme
  • 100 Millionen Euro für die Weiterentwicklung des Eurofighter

Soldaten der Bundeswehr
Auch für die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten werden hunderte Millionen Euro ausgegeben. Bildrechte: picture alliance/dpa/Boris Roessler

Verteidigungspolitiker sehen jährlich weiteren Milliarden-Bedarf

Ein großer Teil der aufgeführten Waffen und Fahrzeuge wird erst in den kommenden Jahren nach und nach ausgeliefert. Sie stehen also erst in Zukunft zur Verfügung. Der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann, Mitglied im Verteidigungsausschuss, sieht die Bundeswehr vor diesem Hintergrund weiter "äußerst schwach ausgestattet". Nach seiner Darstellung sind auch die falschen Prioritäten gesetzt worden: "Wir kaufen neue Fregatten, neue U-Boote, alles sicherlich wichtig für Deutschland, aber ich hätte mir mehr Mittel für das Heer gewünscht." Als Beispiele nennt Lehmann zusätzliche Fahrzeuge und mehr Munition.

Zwei-Prozent-Ziel Die Nato-Staaten haben sich 2023 zum Ziel gesetzt, dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Mit dieser Vereinbarung wurde das Zwei-Prozent-Ziel aus dem Jahr 2014 erweitert, das offiziell nur vorsah, dass alle Alliierten auf Ausgaben in Höhe von zwei Prozent hinarbeiten.

Damals lagen bis auf die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Griechenland alle Mitgliedstaaten unter dieser Marke, einige wie Deutschland sogar sehr weit. Inzwischen hat sich das im Zuge der drastisch zunehmenden Bedrohung aus Russland geändert. 

Nach der jüngsten Nato-Statistik vom Juni 2024 liegen von den 32 Nato-Staaten nur noch acht Länder unter zwei Prozent, wobei Island als Mitglied ohne eigene Streitkräfte nicht berücksichtigt wird.

Deutschland erreichte 2024 der Schätzung zufolge mit 2,12 Prozent erstmals das Ziel – eine direkte Wirkung des Sondervermögens. dpa/MDR

Der sächsische CDU-Politiker Lehmann hält in den kommenden Jahren weiterhin hohe Investitionen in die Bundeswehr für nötig. Wolle Deutschland am 2-Prozent-Ziel festhalten, fehlten ab 2027 jährlich zusätzlich 30 Milliarden Euro. Der gesamte Verteidigungshaushalt lag 2024 bei gut 50 Milliarden Euro. Lehmann: "Da muss man sich einig werden. Wo priorisiert man. Sind die allein durch erhofftes Wirtschaftswachstum zu erreichen, versucht man beim Bürgergeld einzusparen oder nimmt man eben neue Schulden auf." Am Ende werde es wohl nicht ohne neu Verschuldung gehen, bekennt Lehmann. Allerdings sollten zuvor alle andere Einsparungsmöglichkeiten genutzt werden.

Jens Lehmann, CDU 1 min
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Wir brauchen deutlich mehr Geld für unsere Sicherheit.

Merle Spellerberg, Grüne Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Dresden II - Bautzen

Die Grünen-Politikern Merle Spellerberg, auch Bundestagsabgeordnete aus Sachsen und Mitglied im Verteidigungsausschuss, fordert ebenfalls zusätzliche Mittel für die Bundeswehr. Die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Dresden II – Bautzen sagt: "Wir brauchen deutlich mehr Geld für unsere Sicherheit". Diese dürften aber nicht auf Kosten sozialer Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalts gehen. Deshalb hält auch sie die Aufnahme neuer Schulden für unausweichlich. "Mehr Investitionen in unsere Sicherheit gehen Hand in Hand mit einer Reform der Schuldenbremse".

In einem Punkt widerspricht Merle Spellerberg allerdings der Darstellung ihres CDU-Kollegen. Die Bundeswehr sei heute "viel besser" ausgestattet als vor dem Sondervermögen. "Und es wird jeden Tag besser."

Merle Spellerberg 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/Jürgen Lösel

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 17. Januar 2025 | 19:30 Uhr

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