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Was die US-Entscheidung für die EU bedeutet

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Prognosen aus der Forschung Abschaffung der Faktenchecks bei Meta-Plattformen: Was verändert sich auf Facebook und Instagram?

15. Januar 2025, 05:00 Uhr

Der Konzern Meta stellt in den USA die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktencheckern ein. Bislang gab es Anhaltspunkte dafür, dass Factchecking wirkt – aber die Effekte waren immer gering. Nun soll es stattdessen "Community Notes" geben. Was diese leisten können – und was nicht.

Meta-Chef Mark Zuckerberg gab kürzlich bekannt, dass es auf Facebook und Instagram künftig keine Faktenchecks mehr geben soll. Bislang hatte es Kooperationen mit unabhängigen Faktencheck-Redaktionen gegeben. Identifizierte Falschmeldungen wurden mit Hinweisen versehen, das soll nun durch ein System ersetzt werden, das den "Community Notes" bei X (ehemals Twitter) entspricht. Damit ist künftig geplant, dass vor allem andere Nutzende auf den Plattformen Falschmeldungen entsprechend markieren sollen.

Digital Services Act legt Einschränkungen innerhalb der EU fest

7. Januar 2025, Asunción, Paraguay: „Wir werden die Faktenprüfer abschaffen und sie durch Community Notes ähnlich wie X ersetzen, beginnend in den USA“, sagte Meta-CEO Mark Zuckerberg in einem am Dienstag geposteten Video, das auf einem Smartphone mit dem Logo von Meta Platforms im Hintergrund zu sehen ist.
„Wir werden die Faktenprüfer abschaffen und sie durch Community Notes ähnlich wie X ersetzen, beginnend in den USA“, sagte Meta-CEO Mark Zuckerberg. Bildrechte: IMAGO/ZUMA Press Wire

Für Großbritannien und die EU gilt das aber bisher nicht. Laut Meta gibt es bislang "keine unmittelbaren Pläne", die unabhängigen Faktenprüfer hier abzuschaffen. In der Europäischen Union gilt außerdem der Digital Services Act, der festlegt, dass Big-Tech-Konzerne Verantwortung dafür übernehmen müssen, was auf ihren Plattformen verbreitet wird. Die rechtlichen Hürden, das Melden von Falschmeldungen alleine an die Nutzenden abzugeben, sind hier vergleichsweise höher, allerdings werden Inhalte auf den Meta-Plattformen global ausgespielt.

Forschende befürchten, dass diese Entscheidung bei Meta Folgen für die Demokratie haben, denn: Fake-News sind nicht dasselbe wie eine klassische "Zeitungsente", eine Falschmeldung, die aus Versehen passiert ist. Fake-News haben häufig eine politische Komponente. Ein Beispiel dafür ist die Eskalation der Gewalt gegen die ethnische Minderheit Rohingya in Myanmar 2017. Der Gewalt vorangegangen waren Inhalte auf Facebook, darunter Fake-News, die Stimmung gegen die Gruppe machten und so den Hass beförderten. Der darauffolgende Genozid war damals ein Auslöser für Facebook, gegen Fake-News auf der Plattform vorzugehen.

Wie gehen Tech-Konzerne mit Fake-News um?

Sogenannte "Faktenchecks" haben sich in den vergangenen Jahren in diesem Zusammenhang entwickelt. Lena Frischlich ist Professorin am Digital Democracy Centre der Süddänischen Universität in Odense. Sie sagt, Faktenchecks seien wichtig, denn "schließlich haben die wenigsten von uns Zeit, alles selbst zu überprüfen, was beim Warten auf den Bus über den Bildschirm unseres Smartphones läuft".

Dabei haben sich zwei unterschiedliche Strategien im Umgang mit Desinformation etabliert: "Pre-Bunking" (dt. etwa: "Vor-Widerlegung"), hier wird ein Warnhinweis quasi über den entsprechenden Inhalten angezeigt, der die Lesenden darüber informiert, dass die Richtigkeit der Inhalte angezweifelt wird – anklicken und lesen der Inhalte ist dann trotzdem noch möglich. Die zweite Strategie im Umgang mit Fake-News ist das "Debunking", das Widerlegen im Nachgang. Hier wird die Erklärung nachgereicht, also nachdem die Menschen die Fake-News gelesen haben.

Auf Buchstabenwuerfel mit dem Wort Faktencheck liegt eine Lupe. 4 min
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Effekte von Faktenchecks sind in der Regel eher schwach

Dazu, wie wirkungsvoll Faktenchecks überhaupt sind, gibt es unterschiedliche Erkenntnisse: Lena Frischlich betont, man wisse mittlerweile, dass Menschen, die noch nicht an eine bestimmte Fehlinformation glauben, empfänglicher für einen Faktencheck seien als diejenigen, die bereits von den entsprechenden Fake-News überzeugt sind. "Die Erfolgsrate hängt davon ab, wie Faktenchecks gemacht sind und wen sie wann erreichen."

Fabian Prochazka ist Juniorprofessor für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt interpersonale Kommunikation im Kontext der Digitalisierung an der Universität Erfurt. Er findet, Faktenchecks wirken durchaus. Man habe in vielen Studien nachweisen können, dass Menschen die korrigierten Inhalte im Großen und Ganzen akzeptieren und sich von faktenbasierten Argumenten überzeugen lassen: "Allerdings sind diese Effekte in der Regel eher schwach – besonders, wenn Menschen misstrauisch gegenüber journalistischen Medien sind oder die Falschmeldung vorher geglaubt haben."

Faktenchecks können eine Abwehrhaltung auslösen

Besonders gering sei die Wirkung von Faktenchecks bei jenen Personen, die relativ viel Falschinformation konsumieren und glauben, ergänzt Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement und politische Kommunikation an der Universität Leipzig: "Dies vor allem, weil es sich in der Regel um Individuen mit einem gefestigten Weltbild handelt, die Falschinformation gezielt aufsuchen."

Auf psychologischer Ebene scheinen Faktenchecks allerdings auch eine gewisse Abwehrhaltung bei den Nutzenden auszulösen: "Interessant ist auch, dass manche Menschen eine Belehrung durch Faktenchecks nicht zu mögen scheinen – selbst, wenn sie in einem Experiment ihre Fehlwahrnehmung korrigieren, entwickeln sie zugleich eine negativere Einstellung gegenüber dem Absender des Faktenchecks oder gegenüber Medien generell."

Ein Allheilmittel sind Faktenchecks also keineswegs. Wird sich also überhaupt etwas verändern, wenn die Meta-Netzwerke nun auf Community-Notes setzen?

Was können Community Notes leisten?

Wie sich die Debatten auf Instagram und Facebook künftig ohne Factchecking entwickeln werden, ist schwer abzusehen, findet Kommunikationswissenschaftler Pochazka. "In jedem Fall zeigt sich, dass journalistische Standards für Meta im Zweifel wenig Bedeutung haben. Fact-Checking ist professionelle Arbeit mit Routinen und Mechanismen zur Qualitätssicherung, das kann nicht gleichwertig durch Laien ersetzt werden."

Community Notes sind Anmerkungen, die jeder Nutzer und jede Nutzerin zu einem Post machen kann. Wenn ausreichend andere Nutzende die Anmerkung als hilfreich bewerten, wird sie neuen Lesenden dann gemeinsam mit dem Post angezeigt. Für die Plattformbetreiber ist das ökonomisch sinnvoll, mussten sie zuvor noch ausgebildete Factchecker bezahlen, wird diese Aufgabe nun kostenfrei von den Nutzenden einer Plattform übernommen.

Hassrede auf Facebook und Instagram könnte stark zunehmen

Kommunikationswissenschaftler Christian Hoffmann von der Universität Leipzig sagt, er erwarte nicht, dass ein Wechsel vom professionellen Fact-Checking zu Community Notes einen nennenswerten Einfluss auf die Verbreitung oder Akzeptanz von Falschinformation haben wird. Im Detail hänge dies natürlich von der Art der Umsetzung ab. Social-Media Forscherin Lena Frischlich wirft ein, dass X/ Twitter, das bereits auf Community Notes setzt, nicht davon profitiert habe: "Viele Nutzende sind zu anderen Plattformen gewechselt, der Marktwert ist ziemlich eingebrochen – auch wenn die aktuelle politische Situation das wieder beeinflusst."

Auch wenn die potenziellen Effekte der Community Notes aktuell noch schwer abzuschätzen sind, zeigt die bestehende Forschung eine Sache sehr deutlich: Die meisten Mediennutzenden sind grundsätzlich sehr an korrekten Fakten interessiert. Und insbesondere Hassrede führt dazu, dass sich die Menschen von den entsprechenden Plattformen zurückziehen. Auch hier könnte sich bei den Meta-Netzwerken Facebook und Instagram künftig etwas verändern, denn auch hier sollen Richtlinien gelockert werden. So wird es beispielsweise mit den neuen Regeln wieder erlaubt sein, Homosexualität und Transsexualität als "Geisteskrankheit oder Anomalie" zu bezeichnen.  

Links/Studien

Shifting attention to accuracy can reduce Falschinformation online - das Menschen sich vornehmlich korrekte Informationen im Netz wünschen, ergibt diese Studie, erschienen im Journal Nature.
Dass Hassrede zu einem Rückzug von sozialen Medien führen kann, ist u.A. das Ergebnis dieser Studie.

iz/ mit smc

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