Nach Angriff in Aschaffenburg Kriminalist fordert stärkere Auseinandersetzung mit Biografie von Gewalttätern
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23. Januar 2025, 21:08 Uhr
Nach der Messerattacke eines Afghanen mit zwei Toten fordern Politiker härtere Migrationsregeln und Null-Toleranz. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser dagegen sehen die Verantwortung bei den bayerischen Behörden. Sie verweisen darauf, dass der ausreisepflichtige und durch Gewalttaten bereits aufgefallene Afghane noch in Deutschland ist. Im Interview mit MDR AKTUELL sagt der ehemalige Kriminalist Axel Petermann, wie man mit psychisch auffälligen Tätern umgehen sollte.
MDR AKTUELL: Herr Petermann, ein Tag danach – lässt sich für Sie diese Tat in einen größeren Zusammenhang einordnen. Wo sehen Sie Parallelen zu anderen Gewalttaten?
Axel Petermann: Also Parallelen zu anderen Gewalttaten – ein Einzeltäter hat auf wehrlose Menschen quasi aus dem Hinterhalt eingestochen und leider dabei zwei Menschen getötet. Das sind so offensichtliche Parallelen, dass wir doch sagen müssen, dass diese Gewalt anscheinend zunimmt.
Axel Petermann
Axel Petermann hat 40 Jahre lang als Kriminalbeamter gearbeitet. Er war unter anderem langjähriger Leiter einer Mordkommission in Bremen. Er absolvierte eine mehrjährigen Ausbildung zum zertifizierten polizeilichen Fallanalytiker und leitete bis zu seiner Pensionierung in der Hansestadt die Dienststelle Operative Fallanalyse
Er vertrat den interdisziplinären kriminalistischen Ansatz des Profilings, wonach der Schlüssel zur Klärung eines Tötungsdeliktes durch die Interpretation der Spuren am Tatort und die Analyse der Opferpersönlichkeit zu finden ist.
Seit 2001 ist er Berater bei verschiedenen Tatort-Produktionen und unterstützt Krimi-Autoren. Er selbst schreibt Bücher, die auf wahren Fällen beruhen. Zudem lehrt er an verschiedenen Hochschulen Kriminalistik, u.a. im sächsischen Mittweida.
Hätte der Täter bei der Sachlage, die mittlerweile bekannt ist, gestoppt werden können? Es gab mehrere Gewaltdelikte, er war dreimal in einer psychiatrischen Einrichtung.
Das ist ja natürlich immer das große Problem, dass wir leider viele Menschen haben, die unter psychischen Störungen leiden können, die Gewaltdelikte begangen haben. Aber bei denen es zum Glück nicht zum Äußersten kommt.
Ein Mittel wäre, wenn eine Gefahr gesehen wird, dass man sich ganz konkret mit dieser Person auseinandersetzt, mit dessen Biographie, dessen Handeln und versucht, in gewisser Weise in die Zukunft zu blicken, eine Gefährdungsanalyse oder Gefahrenanalyse zu erstellen, um dann zu sagen: Von diesem Menschen kann weitere Gewalt erwartet werden – bis hin zu tödlich verlaufender Gewalt.
Das ist natürlich ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen. Ich kann das deshalb so gut beurteilen, weil zu meiner aktiven Zeit als Fallanalytiker habe ich vornehmlich zurückliegende Taten zu analysieren gehabt. Aber auch, wenn es um häusliche Gewalt oder Stalking oder mutmaßliche Amokläufe ging, habe ich versucht, eine Einschätzung durchzuführen: Was muss man befürchten? Das ist natürlich verdammt schwierig, genau jemanden auf dem Kopf zuzuschreiben: Eines Tages wird diese Person auch andere töten.
In diesem Zusammenhang gibt es jetzt Forderungen aus der Politik, aber auch vom Psychologen Ahmad Mansour, nach einem Register für psychisch kranke Gewalttäter. Was halten Sie davon?
Also ein Register alleine hilft nicht, wenn dann nicht die weiteren Schritte unternommen werden. Allein das Festhalten, dass eine Person auffällig ist, eine psychische Störung hat oder eben auch im Maßregelvollzug oder der Forensik war: Das, denke ich, wird allein nicht helfen.
Was bedeutet es, dass wir auch in dieser Gruppe psychisch kranker Gewalttäter noch einmal differenzieren müssen, weil viele dieser Gewalttaten auf Migranten und auch Geflüchtete zurückzuführen sind?
Also letztendlich handelt es sich ja erst einmal um Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden. Da ist natürlich Fachkompetenz gefragt in der Einschätzung, wie wird sich diese Person verhalten, wenn sie sich jetzt nicht mehr in diesem gesicherten Umfeld aufhält. Ich könnte mir gut vorstellen, dass jetzt die Einschätzungen zur Gefährlichkeit von kranken Straftätern noch rigider gehandhabt werden. Dass man nicht mehr so schnell sagt: Von diesen Menschen geht keine Gefahr mehr aus.
Christian Lindner, der FDP-Vorsitzende, spricht nach der Tat von einem Muster aus Herkunft, Auffälligkeit und Ausreiseverpflichtung. Da spricht ein Politiker. Ist das für Sie als Kriminalist eine taugliche Eingrenzung?
Also ich würde als Kriminalist eher auf die Fakten achten wollen. Wie hat sich ein Mensch verhalten? Was hat er gezeigt bei seinen Taten? Wie ist seine Persönlichkeit? Ich denke, bei dieser Bewertung wird man einiges über diesen Menschen erfahren. So schlagwortartige Zuschreibungen, die mag ich nicht so gern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 23. Januar 2025 | 18:00 Uhr