Nach Angriff in Aschaffenburg Merz will schärfere Migrationspolitik – und nimmt offenbar AfD-Zustimmung in Kauf
Hauptinhalt
24. Januar 2025, 20:16 Uhr
Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg will die Union kommende Woche im Bundestag Anträge für schärfere Migrationspolitik einbringen. Kanzlerkandidat Merz sagte, die Anträge würden eingebracht, "unabhängig davon, wer ihnen zustimmt". SPD und Grüne warnen vor einem politischen "Dammbruch".
- Der Kanzlerkandidat der Union Friedrich Merz will Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag offenbar auch mit der AfD durchbringen.
- Die Gewerkschaft der Polizei hält von Merz' geforderte flächendeckende Kontrollen an den deutschen Grenzen für nicht durchsetzbar.
- Bund und Bayern machen sich im Fall Aschaffenburg gegenseitig Vorwürfe.
- Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) verlangt nach dem Angriff von Aschaffenburg ein Drei-Punkte-Sofortprogramm zur Inneren Sicherheit.
CDU-Chef Friedrich Merz hat in Folge der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg eine deutliche Verschärfung in der Migrationspolitik gefordert – über entsprechende Anträge will er im Bundestag abstimmen lassen und Stimmen aller Parteien in Kauf nehmen. Der Kanzlerkandidat der Union sagte in Berlin bei einer Veranstaltung der Unionsfraktion: "Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen. [...] Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt."
Wir werden die Anträge im Bundestag einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt.
Zugleich sagte Merz, seine Haltung zur AfD sei und bleibe klar: "Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen." Dies bedeute: "Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: "Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge." Dies gelte auch für das BSW.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte SPD, Grüne und FDP gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters auf, den Plänen zuzustimmen, um eine Abhängigkeit von der AfD zu verhindern.
Scholz: Brandmauer zur AfD darf nicht bröckeln
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach Merz' Äußerung mehreren Zeitungen, dass die Brandmauer zur AfD nicht bröckeln dürfe. "Bislang hatte ich den Eindruck, dass man sich auf die Aussage des Oppositionsführers verlassen könne, auch nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten", sagte Scholz. "Nun mache ich mir wirklich Sorgen, nachdem die CDU nun ihre Anträge im Bundestag mit Stimmen der AfD durchsetzen will". Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warnten vor einem politischen "Dammbruch".
Scholz kündigte für kommenden Mittwoch eine Regierungserklärung zu "aktuellen innenpolitischen Themen" an. Bei der Regierungserklärung dürfte es um die Messerattacke von Aschaffenburg und deren Konsequenzen gehen.
Polizeigewerkschaft hält Merz' Vorschlag zu Grenzkontrollen für nicht umsetzbar
Zuvor hatte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz angekündigt, im Falle eines Wahlsieges die illegale Einwanderung umgehend zu stoppen. Er werde dafür sorgen, dass künftig dauerhaft an allen deutschen Grenzen wieder kontrolliert werde. Zudem kündigte er an, seine Partei werde sich dafür stark machen, dass künftig auch die Bundespolizei Haftbefehle beantragen darf. CSU-Chef Markus Söder schloss sich Merz an und forderte eine "Null Toleranz"-Politik bei der Migration.
Die Gewerkschaft der Polizei hält die von Merz geforderten Einreiseverbote und den damit verbundenen flächendeckenden Grenzkontrollen für nicht umsetzbar. Der Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte MDR AKTUELL, die Binnengrenzen hätten eine Länge von 3.800 Kilometern. "Wir glauben, das ist gar nicht umsetzbar", so Roßkopf.
Man sei jetzt schon mit den Kontrollen personaltechnisch am Limit. Um mehr zu leisten, bräuchte man tausende zusätzliche Kolleginnen und Kollegen. Zudem müssten diese Kollegen erst einmal ausgebildet werden, was zwei bis drei Jahre dauern könne. Nötig, so Roßkopf, seien auch Investitionen in moderne Hilfsmittel wie Drohnen- und Kennzeichenerfassungs-Technik.
Sachsens Innenminister Schuster: Sachsens Polizei kann bei Grenzkontrollen helfen
Sachsens Innenminister Armin Schuster teilte MDR AKTUELL mit, Sachsen stehe zur Unterstützung die Bundespolizei bereit. Es gebe schon "traditionell ein hervorragende Zusammenarbeit mit der Bundespolizei" wegen der Grenze zu Polen und Tschechien, die sich in vielen Einsätzen der gemeinsamen Fahndungsgruppen bewährt habe.
Schuster sagte: "Wenn eine Bundesregierung den fordernden Einsatz für rigorose Zurückweisungen anordnen würde, dann steht die sächsische Polizei der Bundespolizei sofort zur Seite und hält ihr im Grenzraum den Rücken frei für die wichtige Arbeit auf der Grenzlinie."
Bund und Bayern machen sich im Fall Aschaffenburg gegenseitig Vorwürfe
Unterdessen machen sich Bund und Bayern gegenseitig für Versäumnisse verantwortlich. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach im Interview mit MDR AKTUELL von Vollzugsdefiziten in Bayern. Es sei schwer verständlich, dass es in diesem Fall nicht gelungen sei, den Täter rechtzeitig aus Deutschland rauszubringen.
Außerdem warf er der Union vor, sie hätten im Bundesrat aus parteipolitischen Gründen Gesetze zur Verbesserung der inneren Sicherheit aufgehalten. Scholz hatte sich Mittwoch mit den Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden getroffen und danach Konsequenzen angekündigt.
Faeser: Bayern soll Versäumnisse im Umgang mit Täter aufklären
Auch Bundesinnenminister Nancy Faeser forderte die bayerischen Behörden auf, mögliche Versäumnisse beim Umgang mit den Tätern aufzuklären. Die SPD-Politikerin forderte, die bayerischen Behörden müssten erklären, warum der Mann trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß und in Deutschland war.
Faeser sagte, es gehe jetzt darum, die bestehenden Gesetze konsequent umzusetzen. Dies sei sinnvoller, als jetzt neue populistische Vorschläge zu machen.
Bayerns Innenminister Herrmann sieht Fehler beim Bundesamt für Migration
Der CSU-Politiker Herrmann warf dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Innenministerium unterstellt ist, Versagen vor. Er sagte, die am 19. Juni 2023 im Dublin-Verfahren angeordnete Abschiebung des tatverdächtigen Afghanen nach Bulgarien sei den zuständigen bayerischen Behörden verspätet mitgeteilt worden. Damit sei die Frist, innerhalb derer die Abschiebung hätte vollzogen werden müssen, so weit fortgeschritten gewesen, dass eine Abschiebung nicht mehr möglich gewesen sei.
Bundesinnenministerin Faeser bestätigte, dass Fristen für die Abschiebung nicht eingehalten wurden und deshalb der Täter von Aschaffenburg in Deutschland bleiben konnte.
Sachsens Innenminister Schuster fordert Drei-Punkte-Sofortprogramm
Sachsens Innenminister Armin Schuster etwa verlangt nach dem Angriff von Aschaffenburg ein Drei-Punkte-Sofortprogramm zur Inneren Sicherheit. Dazu gehören für den CDU-Politiker die "vollständige Zurückweisung an der Grenze nach der Drittstaatenregelung", der sofortige Stopp aller Aufnahmeprogramme und des Familiennachzugs. Zudem fordert er eine Flüchtlings-Obergrenze. Diese könne für Jahre nicht über der Zahl von 100.000 liegen, sagte Schuster.
Messerattacke in Aschaffenburg
Ein ausreisepflichtiger Afghane hatte am Dienstag in einem Park in Aschaffenburg einen zweijährigen Jungen marokkanischer Abstammung und einen 41 Jahre alten Mann mit einem Küchenmesser getötet und drei weitere verletzt. Der Mann litt unter psychischen Problemen und war Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zufolge ausreisepflichtig. Ein Ermittlungsrichterin ordnete inzwischen die Einweisung des 28-Jährigen in eine psychiatrische Klinik an.
MDR/dpa/AFP (lmb,jks/kar)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 23. Januar 2025 | 13:16 Uhr