Reform Sozialverbände loben Kindergrundsicherungs-Pläne
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03. April 2024, 20:35 Uhr
Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung ist auf dem Weg, 2025 soll die neue Regelung eingeführt werden. Bei der Grundsicherung sollen Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengefasst werden. Doch es gibt Streit um die Verantwortlichkeiten. Während die Sozialverbände es begrüßen, aus der Holschuld von Familien eine Bringschuld des Staates zu machen, sieht der sozialpolitische Sprecher der CDU Sachsen-Anhalt, Tobias Krull, die Verantwortung bei den Familien.
- Weil die Antragsprozedur für Sozialleistungen für Kinder sehr kompliziert ist, nehmen viele Familien sie nicht in Anspruch.
- Tobias Krull von der CDU Sachsen-Anhalt möchte bei der Selbstverantwortung bei der Beantragung von Sozialleistungen bleiben.
- Da die Kinderarmut immer weiter steigt, befürwortet Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder eine Reform.
Mit dem großen Reformprojekt Kindergrundsicherung möchte die Ampel nichts weniger als einen Systemwechsel einleiten. Das betont Bundesfamilienministerin Lisa Paus immer wieder. Hier zum Beispiel in ihrer Stellungnahme zur Haushaltsplanung 2025 im vergangenen August: "Mit der Kindergrundsicherung führen wir einen Paradigmenwechsel herbei, indem wir aus der Holschuld der Familien eine Bringschuld des Staates machen."
Beifall gibt es dafür von den Sozialverbänden. Das bisherige Antragsprozedere sei purer Bürokratiewahnsinn, gerade für Familien mit wenig Geld, sagt Annemarie Schoß, Referentin für Familienpolitik beim Sozialverband VdK: "Es gibt zum Beispiel den Kinderzuschlag, es gibt Leistungen für Bildung und Teilhabe, es gibt den Unterhaltsvorschuss und so weiter. Die Familien müssen derzeit bis zu vier Behörden ablaufen, um alle ihre Leistungen zu bekommen."
Wenn Familien wechselnde Einkommen hätten, dann kämen teilweise sogar noch mehr Behörden ins Spiel, sagt Schoß. Und: "Manche Anträge muss man alle sechs Monate wiederholen, manche alle zwölf Monate, manche auch nur unregelmäßig. Und die Leistungen werden dann auch noch alle miteinander verrechnet."
Diese Praxis führt dazu, dass überforderte Familien Geld nicht in Anspruch nehmen, das ihnen zusteht. Das Bundes-Familienministerium schätzt, dass bis zu 70 Prozent den Kinderzuschlag verfallen ließen. Weil Kinder sich aber nicht selbst aus Armut befreien können, befürwortet der VdK die Idee von der Bringschuld des Staates.
CDU befürwortet altes Modell
Tobias Krull, sozialpolitischer Sprecher der CDU Sachsen-Anhalt, will lieber beim alten System bleiben. Er hält die Zahl der Anträge für zumutbar: "Wir erwarten schon ein Stück weit, dass auch die Menschen ihrer Selbstverantwortung nachkommen."
Wenn Menschen dies selber nicht schafften, gebe es die Unterstützung sozialer Träger, die die Beantragung in bestimmten Fällen übernähmen: "Es gibt gute Beispiele bei dem Bildungs- und Teilhabe-Paket, dass zum Beispiel auch Klassenlehrer die Anträge stellen können für Klassenfahrten", erklärt Krull.
Letztlich ist die Diskussion wohl eine zwischen zwei Philosophien: Soll der Staat eher als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger auftreten? Oder ist es am Ende pädagogisch wertvoller, wenn Familien Sozialleistungen erst beantragen, sobald sie diese wirklich brauchen?
Kinderarmut steigt weiter
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel findet den Ruf nach Eigenverantwortung nachvollziehbar. Aber: Beim Thema Kinderarmut sei dieser Ruf offensichtlich gescheitert. "Da wir schon viel versucht haben und alle Wege bisher nicht dazu geführt haben, dass die Kinderarmut abgebaut werden konnte, sondern die Kinderarmut eher gestiegen ist, sollte man jetzt den umgekehrten Weg gehen. Das muss wissenschaftlich begleitet werden", sagt Schroeder. Nach vier bis sechs Jahren solle eine Auswertung erfolgen.
Laut dem Politikwissenschaftler bringt es nichts zur herumzureden: "Weil es wirklich um eine zentrale Zielsetzung staatlicher Vorsorge geht, dass Kinder nicht in Armut aufwachsen müssen, sondern ihnen die Mittel, die sie benötigen, um Chancengleichheit wahrnehmen zu können, auch zur Verfügung gestellt werden."
Sicher ist: von der Holschuld zur Bringschuld zu wechseln, wird aufwändig. 5.000 Stellen will Ministerin Paus dafür bundesweit bei den Familienkassen schaffen. Ob und wo die Kindergrundsicherung dafür Bürokratie reduziert, ist eine andere, noch unbeantwortete Frage.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 03. April 2024 | 06:10 Uhr
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