Viele Jugendliche auf Förderschulen So kommt die hohe Schulabbrecherquote im Osten zustande
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13. Februar 2024, 05:00 Uhr
Deutschland hat ein großes Problem mit der hohen Zahl von Schulabbrechern. Innerhalb der EU hat die Bundesrepublik die vierhöchste Abbrecherquote. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern ist der Anteil von Jugendlichen ohne Schulabschluss besonders hoch. Das liegt aber auch daran, dass Förderschüler darunter fallen – obwohl sie die Schule regulär verlassen.
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- Viele Jugendliche brechen die Förderschule ab – dort werden die von Programmen für den Verbleib in der Schule nicht erreicht.
- Den Projekten gegen Schulabbrüche fehlt es an zusätzlichem Personal und Geld.
- Hürden im Schulsystem müssten direkt abgebaut werden, anstatt sie mit teuren Präventivprogrammen auszugleichen.
Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Abschlussjahrgang 2022 blieben in Sachsen-Anhalt 11,8 Prozent der Schüler und Schülerinnen ohne anerkannten Schulabschluss. Der schlechteste Wert in ganz Deutschland.
In Thüringen lag die Quote bei 9,5 Prozent, in Sachsen bei 8,1 Prozent. Dabei ist die Liste der Schulabbrecher-Programme in den drei Ländern lang.
Programme nicht für Förderschulen
Warum die aber offenbar nicht fruchten, erklärt Bildungsforscher Klaus Klemm: "Ein wesentliches Manko dieser Programme ist, dass sie einen Punkt außer Acht lassen: Bundesweit kommt die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, die keinen Schulabschluss haben, aus Förderschulen. Die Programme richten sich aber im Wesentlichen an die nicht-gymnasialen Schulformen des allgemeinen Bildungssystems."
Die Programme hätten also die Hälfte derer, die keinen Schulabschluss erreichen, schlichtweg nicht im Blick. An Förderschulen für geistige und Lernbehinderungen sind tatsächlich keine anerkannten Abschlüsse möglich, dennoch sind die Jugendlichen, die diese Schulen ganz regulär verlassen, Teil der Statistik. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern gibt es besonders viele Förderschüler.
Zu wenig Personal und Geld für Präventivprogramme
Damit nun zur eigentlichen Zielgruppe der präventiven Programme: Hauptschülerinnen und Hauptschüler. Am weitesten verbreitet ist das sogenannte Produktive bzw. Duale Lernen, das einer Berufsausbildung gleicht. Das Lernen in der Schule und in der Praxis sind dabei verknüpft.
Etwa 80 Prozent derjenigen, die daran teilnehmen, schafften am Ende den Abschluss, sagt Dieter Dohmen. Er ist Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. "Die Erfolgsquoten sind immer relativ gut, weil die Jugendlichen in Kontakt mit Betrieben kommen, und in der Schule lernen sie wesentliche Skills."
Trotzdem ist laut Dohmen die Zahl der teilnehmenden Schulen und damit die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die davon profitieren können, viel zu niedrig. Der Grund: Diese Programme sind meist nur Modellprojekte. "Um aber einen merkbaren Effekt zu erzeugen, müssten die Programme großflächig umgesetzt werden."
Andere Programme sollen die Zahl der Schulabbrecher senken, indem zusätzliches Personal an den Schulen eingestellt wird – sogenannte Praxisberater oder Berufseinstiegsbegleiter. "Aber das ist deutlich ausbaufähig in den allermeisten Schulen. Man braucht da regelrechte Strukturen, das heißt nicht nur eine Person für zum Teil 400 bis 500 Schülerinnen und Schüler. Man braucht dafür mehr Personal", erklärt Dieter Dohmen. Doch daran mangele es genauso sehr wie am Geld, um diese zusätzlichen Fachkräfte zu bezahlen.
Programme selbst sind nicht das Problem
Die Programme selbst sind aber nicht das Problem. Zu diesem Schluss kommt neben den Bildungsforschern Klaus Klemm und Dieter Dohmen auch der bildungspolitische Sprecher der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, Thomas Lippmann. Es sei entscheidend, endlich besser zu verstehen, wo diese Hürden im Schulsystem aufgebaut werden.
"Wir müssen dafür sorgen, dass der Nachschub an diesen schwachen Schulleistungen reduziert wird und nicht mit einem immer weiteren, teuren Ausbau von Begleitsystemen versuchen, hinterher das aufzufangen, was wir vorher selbst in unserem Schulsystem organisiert haben", sagt Thomas Lippmann.
Was die nahe Zukunft anbetrifft, ist er wenig optimistisch. Er geht davon aus, dass sich die Corona-Jahre mit den vielen Schulschließungen nachhaltig negativ auf die Schulabbrecherzahlen auswirken werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 13. Februar 2024 | 06:52 Uhr