CDU will "Neue Grundsicherung" Sachsens SPD-Chefin wirft der Union Populismus vor
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20. März 2024, 12:23 Uhr
Es sind ganze fünf Seiten, mit denen die Union für viel Wirbel sorgt. Der Tenor: Das Bürgergeld solle abgeschafft, umbenannt und mit härteren Sanktionen versehen werden. Insbesondere Totalverweigerer sollten bestraft werden: Wer einen akzeptablen Job ablehnt, der soll gar keine Leistungen mehr erhalten. Während die FDP in Sachsen-Anhalt diese befürwortet, kritisiert die SPD in Sachsen den Vorstoß stark.
- FDP-Politiker Pott befürwortet Vorschlag der Union, kritisiert diesen aber als zu unkonkret.
- SPD-Co-Chefin in Sachsen, Kathrin Michel, nennt den Plan der CDU einen "Angriff auf den Sozialstaat".
- Ob die Sanktionen eine langfristige, effektive Wirkung haben, ist fraglich.
Bei der FDP in Sachsen-Anhalt steht man dem Vorstoß der Union grundsätzlich offen gegenüber. Seine Partei sehe den ein oder anderen kritischen Punkt beim Bürgergeld, sagt der sozialpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Konstantin Pott. Aber: "Im Bürgergeld ist es aktuell so, dass die Sanktionsmöglichkeiten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts voll ausgeschöpft werden."
Und das schließt sogar eine zweimonatige Streichung des Bürgergeldes für Totalverweigerer ein. Dennoch, sagt Pott, könne man mit der Union diskutieren, welche weiteren Sanktionsmöglichkeiten es gebe und wie man die in Einklang mit der Rechtsprechung bringen könne.
Pott kritisiert hin und her der CDU
Trotzdem störe Pott der Kurs von CDU und CSU. "Es gab ja Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, wo die CDU gerne solche Vorschläge hätte vorbringen und einbringen können. Da hätte sie uns mit Sicherheit auch als Verbündeten gehabt, das Ganze umzusetzen", erklärte Pott.
Der FDP-Politiker führt fort: "Jetzt nach der ganzen Einführung zu kommen, dem Bürgergeld erst zuzustimmen – das kommt dann noch mal dazu – und dann zu sagen 'wir haben jetzt hier aber noch mal ganz andere Vorschläge und uns reicht das alles vorn und hinten nicht aus', dann finde ich auch die Zustimmung ein bisschen inkonsequent." Zudem sei der Vorschlag der Union an vielen Stellen noch nicht so konkret, dass man es in die Umsetzung geben könne.
Michel: Vorschlag der Union ist respektlos
Einen Schritt weiter geht Kathrin Michel, SPD-Co-Chefin in Sachsen und Bundestagsabgeordnete. Michel kritisiert: "Sie operieren komplett ohne Zahlen. Es enthält viele Generalverdächtigungen, Generalannahmen. Es wird nicht unterlegt. Und ja, das ist nun mal eine Form des Populismus. Und das tut uns allen nicht gut. Auch unserer Gesellschaft nicht."
Was die Union vorgelegt habe sei respektlos, sagt Michel. Es sei ein eindeutiger Angriff auf den Sozialstaat. Dessen Grundgedanke sei schließlich, dass niemand frieren und hungern müsse. Für Michel eine Frage der Menschenwürde.
Unterstützung erhält sie vom Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Er wirft der Union politische Schaumschlägerei vor. "Wir haben so gut wie keine sogenannten Totalverweigerer", meint Schneider. Der Arbeitsminister spreche von vielleicht 8.000 Menschen. "Mehr sind das nicht, die da vielleicht infrage kämen – und das bei über fünf Millionen Bezieherinnen und -beziehern von Bürgergeld." Man wüsste auch, dass es bei den Sanktionen im letzten Jahr gerade mal etwa 13.000 Menschen betroffen waren.
Die Bundesagentur für Arbeit spricht von gut 13.800 Fällen, in denen Leistungen gekürzt wurden, weil die Betroffenen Jobs oder die Teilnahme an Maßnahme verweigert haben.
Wirkung der Sanktionen ist fraglich
Aber helfen die Sanktionen? Ja, sagt Jürgen Schupp, der für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung umfassend zum Thema gearbeitet hat. Empirische Studien hätte gezeigt, dass Personen, die sanktioniert wurden, schneller wieder in die Erwerbstätigkeit kommen. "Allerdings: Die dunkle Seite dieser eigentlich positiven Nachricht ist, dass die Erwerbstätigkeit, die dann wahrgenommen wird, vielfach nur von sehr kurzer Dauer ist, also bald wieder beendet ist und vor allen Dingen auch im Niedrigeinkommensbereich sich darstellt, sodass die Personen weiter im Leistungsbezug bleiben, also als aufstockende Bürgergeldempfänger tätig sind."
Die Maßnahme sei also nur kurzfristig wirksam, so Schupp. Und zur Wahrheit gehöre auch, dass sich wegen der Sanktionen insbesondere viele Jüngere komplett zurückzögen und das Bürgergeld gar nicht erst beantragten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. März 2024 | 06:10 Uhr