Kristin Schwietzer "Unter der Lupe Bundesrat"
Bundestag und Bundesrat stimmten der Cannabis-Legalisierung zu – die CDU hatte bis kurz zuvor versucht, das Gesetz zu verhindern. Bildrechte: MDR/DPA

Unter der Lupe - die politische Kolumne Cannabis-Legalisierung: Kräftemessen in der Länderkammer

24. März 2024, 05:00 Uhr

Ab dem 1. April darf in Deutschland offiziell gekifft werden. Cannabis wird weitestgehend legalisiert. Die Debatte darum hat die Gemüter erhitzt. Die CDU wollte das Gesetz in letzter Minute im Bundesrat verschieben. Vor allem in Sachsen waren die Positionen bis zur Abstimmung unversöhnlich.

Was für eine Inszenierung. Alles schaut auf die sächsische Landesbank. Die Cannabis-Abstimmung im Bundesrat gerät zum politischen Showdown. Wie wird sich die Landesregierung verhalten? Soll das Cannabis-Gesetz in den Vermittlungsausschuss? Ja, nein, Enthaltung. Auf Wunsch der Sachsen wird jedes Bundesland einzeln abgefragt. Und dann ist es soweit. Der Ministerpräsident spricht sich für eine Verschiebung des Gesetzes aus. Also, CDU "Ja". Der SPD-Wirtschaftsminister murmelt ein "Nein" und der Energieminister von den Grünen enthält sich. An den Mehrheiten ändert das nichts. Das Gesetz wird durchgewunken.

Auf der sächsischen Landesbank hängt der Koalitionssegen schief. Der Ministerpräsident, Michael Kretschmer, ist verärgert, dass das Gesetz durchkommt. SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig ist verärgert, dass die Abstimmung zum Politikum geworden ist. Und der grüne Energieminister Wolfram Günther ärgert sich, dass sich keiner an die Abmachung hält. Lauter Verlierer.

CDU forderte Nachverhandlung des Gesetzes

Dabei hätte das Gesetz tatsächlich noch Verbesserungen gebrauchen können. Darin war man sich parteiübergreifend vor gut einer Woche auch noch einig. Das Cannabis-Gesetz müsse im Vermittlungsausschuss noch mal nachverhandelt werden, so die CDU. Die Christdemokraten halten das Gesetz für grundsätzlich falsch. Wie sollen die Behörden in Zeiten von Personalnot möglichen Missbrauch kontrollieren? Kinder und Jugendliche seien nicht ausreichend geschützt. Viele Fragen bleiben offen.

Und es ist in der Tat ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Die Teillegalisierung von Cannabis, das Gesetz ist umstritten, wie selten und die Debatte emotional aufgeladen, wie selten. Bedenken gibt es auch bei SPD und Grünen. 50 Gramm getrocknete Cannabis-Blüten soll jeder Bürger künftig besitzen dürfen. Ein ganzes Wasserglas voll. Davon kann man sich etwa einen Monat lang die Welt schön rauchen. Ein bisschen weniger hätte es doch auch getan, war auch von Sozialdemokraten zu hören. All das war vor der Abstimmung im Bundesrat offenbar noch Konsens. Doch in der Debatte wird klar. Es geht um mehr.

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Kretschmer: Legalisierung für Jugendliche gefährlich

Der SPD- Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Teillegalisierung von Cannabis als Chance, den Schwarzmarkt einzudämmen. Für den CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ist es die "Büchse der Pandora". Um im Bild zu bleiben: Karl Lauterbach habe sie geöffnet und das Übel in die Welt gelassen. Die Einstiegsdroge teilweise zu legalisieren, werde vor allem zu einer gefährlichen Verführung von Jugendlichen führen. Lauterbach sagt, die Büchse sei längst offen, die Zahl der Drogentoten steige seit Jahren. Man merkt schon an diesem Wortwechsel im Bundesrat – die Positionen sind unvereinbar und wohl auch ein bisschen hochgejazzt.

Auf der Online-Plattform "X" ehemals "Twitter" nimmt die Debatte seit einer Woche Fahrt auf. Michael Kretschmer twittert am Sonnabend "Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem VA [Vermittlungsausschuss] herauskommt." Die Nachricht sitzt. Der zuständige Minister legt am Sonntag nach. Karl Lauterbach textet zurück: "Wenn Bundesländer Cannabis-Gesetz in Vermittlungsausschuss zwingen, kommt es nicht mehr raus." Und weiter schreibt er: "Mit Tricks würde Gesetz gestoppt, für das 400 Bundestagsabgeordnete stimmten." Lauterbach warnt vor politischen Machtspielchen und beteiligt sich selbst daran. Jetzt geht es längst nicht mehr um Inhalte. Jetzt geht es um Parteidisziplin. Die Machtarithmetik im Bundestag mag da noch einfach sein. Hier konnte die Ampel-Koalition das Gesetz mit ihrer Mehrheit verabschieden. Im Bundesrat sieht das anders aus. In der Länderkammer hat niemand eine absolute Mehrheit, weder die CDU-regierten noch die SPD-regierten Länder.

Die Veto-Macht des Bundesrates

Das Cannabis-Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es kann nur durch das Anrufen des Vermittlungsausschusses nachgebessert und zeitlich verschoben werden. Hinter den Kulissen werden genau dafür die Mehrheiten ausgelotet. Der SPD-Minister will sein Gesetz durchbringen, mahnt die Länder, mit SPD-Beteiligung, nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die CDU-Ministerpräsidenten wollen das verhindern. Doch die Koalitionspartner in den Ländern spielen da schon nicht mehr mit. SPD, FDP und Grüne enthalten sich in den meisten Bundesländern. Also, kein Vermittlungsausschuss, Parteidisziplin statt Inhalte. So richtig glücklich ist damit am Ende wohl niemand.

Aber es könnte wohl ein Vorgeschmack auf das Wahljahr werden. Wann immer ein Gesetz die Zustimmung der CDU-geführten Länder braucht, werden die Ministerpräsidenten genau hinschauen, ob sie zustimmen oder nicht. Keine Seltenheit. Die Veto-Macht des Bundesrates hat auch die SPD in der Ära Merkel gern für sich genutzt, 2013 etwa. Da wurde mit den Stimmen der SPD-Länder schon mal ein gesetzlicher Mindestlohn im Bundesrat beschlossen und die CDU-Länder vor sich hergeschoben. Jetzt also mal wieder die Möglichkeit zur Revanche. Die absolute Mehrheit haben die CDU-Länder nicht, aber immerhin, im Moment drei Länder-Stimmen mehr. Das dürfte das Regieren für die Ampel-Koalition im Bund nicht gerade leichter machen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 22. März 2024 | 19:30 Uhr

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