Ein Mann raucht einen Joint bei einer Demonstrationen für eine zügige Legalisierung von Cannabis.
Die Teillegalisierung von Cannabis wird am 1.April in Kraft treten. In Sachsen ist nicht jeder darüber glücklich. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Teillegalisierung Reaktionen aus Sachsen nach Cannabis-Freigabe: von "endlich" bis "um Gottes willen"

22. März 2024, 18:15 Uhr

Die Teillegalisierung von Cannabis wird wie geplant am 1. April in Kraft treten. Zuvor hatte der Bundesrat das Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses passieren lassen. In Sachsen reagieren Politiker, Mediziner und Sozialträger wie schon in den vergangenen Diskussionen sehr unterschiedlich. Einige freuen sich über die Entkriminalisierung, andere fürchten Konsequenzen. Und die Koalition streitet sich auf großer Bühne.

Bis zum Schluss war nicht ganz klar, ob die geplante Teillegalisierung von Cannabis doch noch im Bundesrat verhindert wird oder sich verzögert. Am Ende hatten die Cannabis-Gegner keine Mehrheit in der Länderkammer, SPD und Grüne setzten sich durch. Damit kann das Gesetz zur Freigabe am 1. April in Kraft treten. So sehen Vertreter von Politik, Medizin und Wirtschaft die Entkriminalisierung in Sachsen.

Karl Lauterbach 4 min
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MDR um 2 Fr 22.03.2024 14:00Uhr 04:13 min

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Cannabis-Großhändler erwartet Wachstum

"Endlich ist es geschafft", teilt beispielsweise der Cannabis-Großhändler Demecan aus Ebersbach im Kreis Meißen mit. Demecan ist nach eigenen Angaben das einzige deutsche Unternehmen das medizinisches Cannabis anbaut und deutsche Apotheken beliefert.

"Wir können nun die heimische Produktion in Sachsen hochfahren und Patienten und Patientinnen direkt mit bestem medizinischem Cannabis 'Made in Germany' versorgen", sagt ein Unternehmenssprecher. Er erwartet für seine Firma und jeden, "der in Deutschland medizinisches Cannabis anbauen möchte, einen Wachstumsschub".

Anbauverein in Chemnitz will loslegen

Seit mehr als einem Jahr haben Interessenten für den Cannabis Social Club (CSC) Chemnitz auf den Bundesratentscheid gewartet. Nach dem grünen Licht für Anbauvereine, will Martin Sinang jetzt den Verein beim Notar eintragen lassen und Mitglieder aufnehmen. Es stünden rund 250 Interessierte auf der Warteliste, sagte der Clubvorsitzende MDR SACHSEN. Danach werde der Mietvertrag für eine zweistöckige Werkhalle unterschrieben.

Nach Sinangs Angaben werde der Cannabis Club bis Jahresende 250.000 Euro investieren. Ab 1. Juli dürfen derartige Clubs Pflanzen ziehen. Die erste Ernte sei drei Monate später möglich. "Uns geht es nicht um Masse oder dass sich die Mitglieder volldröhnen, sondern darum, dass wir hochwertiges Cannabis anbauen", erklärte Sinang. Cannabis, das bisher auf dem Schwarzmarkt erhältlich sei, nannte er "grottenschlecht".

Ein Mann Mitte,. Ende 30, hat ein schwarzes Hemd und einen dunklen Anzug an und guckt selbstbewusst in die Kamera.
Der Vorsitzende des Social Cannabis Clubs Chemnitz, Martin Sinang, hat via Handy die Bundesratsdebatte online mitverfolgt. Er hatte auf die Freigabe von Cannabis gehofft und ist zufrieden. Bildrechte: privat

Sächsischen Grünen: Schwarzmarkt wird geschwächt

Auch die sächsischen Grünen zeigen sich zufrieden. "Mit dem neuen Gesetz stärken wir den Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Der Schwarzmarkt wird geschwächt und durch einen kontrollierten Anbau und Verkauf die Qualität der Droge verbessert", sagt die Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen, Christin Furtenbacher.

Die Diakonie Sachsen wiederholt in einer Pressemitteilung ihre Kritik am Gesetz aus dem vorigen Jahr. So sind die 25 Gramm zum Eigenbrauch, die Aufbewahrung von 50 Gramm und der Anbau von drei Pflanzen pro Erwachsenem laut Diakonie zu viel.

"Wir befürchten eine zwangsläufige Zunahme des Konsums auch bei Jugendlichen und damit mehr Folgestörungen. Für die Suchtkrankenhilfe ist das neben der ohnehin viel zu großen Zahl von Alkohol- und anderen Suchtmittelabhängigen nicht hinnehmbar", sagt Diakonie-Chef Dietrich Bauer.

Eine Polizistin der Spurensicherung in einer Cannabis-Plantage. mit Video
Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Philipp Schulze

Umweltminister kritisiert Kretschmer

Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) äußert sich kritisch zum Verhalten von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Dieser hatte sich öffentlich gegen seine Koalitionspartner gestellt und wollte den Vermittlungsausschuss einschalten.

Auf X (vormals Twitter) hatte Kretschmer einige Zeit zuvor angekündigt, dass das Cannabis-Gesetz niemals den Vermittlungsausschuss verlassen solle. Bei der Abstimmung im Bundesrat wurde die Stimme der sächsischen Landesregierung nicht gezählt, weil nur einheitlich abgestimmt werden kann.

"Darüber werden wir im Koalitionsausschuss am Dienstag zu sprechen haben", kündigt Günther an. "Mit seinem Tweet am letzten Wochenende hat der Ministerpräsident eine Einigung auf einen beschränkten, punktuellen Vermittlungsausschuss unmöglich gemacht. Damit hat er die Verständigung in der Sache verhindert."

Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) hatte genau wie Vize-Regierungschef Günther (Grüne) nicht zugestimmt und sich enthalten, betont aber, dass er vor der Haltung Kretschmers Respekt habe, aber auch die demokratischen Spielregeln im Bundesrat zu respektieren seien. "Ein Vermittlungsausschuss hat die Aufgabe, ein Gesetz zu verändern, zu verbessern und nicht zu verhindern", so Dulig.

Cannabis-Gesetz laut Kretschmer große Fehlentscheidung

Kretschmer warnte in einer Rede vor dem Bundesrat vor den Folgen einer Teillegalisierung und bezeichnete sie als eine der "ganz großen Fehlentscheidungen der deutschen Politik". Gerade die Konsequenzen für die Suchtberatungen und den Jugendschutz wären schwerwiegend, so der Ministerpräsident.

Der sächsische CDU-Generalsekretär Alexander Dierks lobt Kretschmer dafür, Wort gehalten zu haben und kritisiert gleichzeitig SPD sowie Grüne dafür, alle Warnungen aus anderen Ländern beiseite gewischt zu haben. Dierks: "Der Vermittlungsausschuss wäre eine große Chance gewesen, dieses gefährliche Gesetz noch aufzuhalten."

Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) mahnt, dass das, was am Freitag und vor der Bundesratssitzung passiert sei, nicht zur Regel werden dürfe. "Populistische Kampagnen dürfen sachliche Einigungen nicht verhindern. In einer Koalition diskutiert man Dinge aus und akzeptiert gemeinsame Entscheidungen, auch wenn sie einem mal nicht passen", so Köpping weiter.

SPD beklagt Demokratie-Schauspiel der CDU

SPD-Chef Henning Homann wird noch deutlicher. Mit ihrem Schauspiel habe die CDU die Demokratie beschädigt, meint Homann und holt zu einer generellen Kritik am Verhalten der Partei aus.

"Ständig werden einseitig von der CDU fest vereinbarte Projekte aufgekündigt, torpediert oder verzögert: Vergabegesetz, Agrarstrukturgesetz, Verfassungsänderung. Und dann wurde per Twitter das Abstimmungsverhalten im Bundesrat vorgegeben. So geht man nicht miteinander um", sagt Homann.

Vor 22 Jahren hatte Uneinigkeit im Bundesrat schon einmal zu einer ungewöhnlichen Abstimmung geführt. Damals stimmte der Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) in Bezug auf ein geplantes Zuwanderungsgesetz anders ab als sein Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Stolpes Votum wurde als Entscheidung des Landes gewertet. Neun Monate später kippte das Verfassungsgericht das Gesetz, weil Länder einheitlich abzustimmen hätten.

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MDR (mad, nok)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 22. März 2024 | 19:00 Uhr

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