Frisch gegründet Welche Chancen die neue Partei "Bündnis Deutschland" hat

26. Januar 2023, 15:40 Uhr

Vor wenigen Monaten hat sich die Kleinstpartei "Bündnis Deutschland" gegründet. Anfang Januar gab ein ehemaliger sächsischer AfD-Abgeordneter bekannt, der Partei beitreten zu wollen. Doch welche Chancen hat die Partei überhaupt? Wird sie ein neues Auffangbecken für ehemalige AfD-Mitglieder?

Es war am Neujahrstag, als Ivo Teichmann bekannt gab, dass er künftig bei "Bündnis Deutschland" Politik machen will. Teichmann saß bisher als direkt gewählter Abgeordneter für die AfD im sächsischen Landtag und hatte kurz vor Weihnachten seinen Austritt aus Partei und Fraktion bekannt gegeben.

Begründet hatte er den Austritt unter anderem damit, dass sich die AfD öffentlich zu wenig von "extremistischen Personen, Vereinigungen oder Parteien wie zum Beispiel den 'Freien Sachsen'" abgrenze. Am Neujahrtag schrieb Teichmann dann in seinem Blog, dass "Bündnis Deutschland" künftig "freiheitlich-konservative Kräfte in Sachsen und dem gesamten Bundesgebiet" bündele. Der Vorsitzende von "Bündnis Deutschland", Steffen Große, bestätigte dem MDR den Mitgliedsantrag Teichmanns.

Wer ist "Bündnis Deutschland"?

Mit "Bündnis Deutschland" formiert sich gerade eine neue Partei – entsteht damit ein weiteres Auffangbecken ehemaliger AfD-Politiker? Es wäre nicht der erste Versuch – und ob er Erfolg bringt, wäre mehr als ungewiss. Bisher betonen die Beteiligten, nicht gezielt ehemalige AfD-Politiker abwerben zu wollen.

"Bündnis Deutschland" hatte sich im November in Fulda gegründet – viele Medien berichteten damals von der entsprechenden Pressekonferenz kurz darauf in Berlin. Vorsitzender Steffen Große ist Referatsleiter im sächsischen Kultusministerium. Nach eigenen Angaben war er bis 2006 Mitglied der CDU und trat dann "wegen Angela Merkel" aus der Partei aus. Später war er für die Freien Wähler aktiv und leitete den sächsischen Landesverband.

Große hatte die Freien Wähler nach einem Streit im Jahr 2020 verlassen. Zuvor wollte ihn die Partei offenbar ausschließen, so berichteten es damals mehrere Medien. Vordergründig ging es um eine Forderung Großes, den damaligen Corona-Lockdown zu beenden. Hintergrund war aber – so berichteten es damals verschiedene Medien – offenbar die Befürchtung in Teilen der Partei, bei den Freien Wählern Dresden könne ein rechtes Netzwerk entstehen. Später gründete Große dann die Partei "Bürgerallianz Deutschland" mit. Mehrere Mitglieder der Freien Wähler, vor allem aus Sachsen, folgten ihm. Laut Internetpräsenz ist er dort noch immer Vorsitzender.

"Bündnis Deutschland" hingegen hat nach der Gründung im November 2022 nach eigenen Angaben etwas mehr als 1.000 Mitgliedsanträge erhalten. Rund 600 davon seien bereits bearbeitet worden, sagte Große Anfang Januar dem MDR. Die Finanzierung der Partei, so Große, sei für die kommenden zwei Jahre gesichert und ergebe sich aus Spenden. Es sei bereits ein kleinerer Millionenbetrag zusammengekommen.

Personelle Verzahnung von "Bündnis Deutschland" und BFA

Stellvertreter von Parteichef Große ist Walter Münnich, nach eigenen Angaben früher CDU-Mitglied und seit Frühjahr 2021 auch stellvertretender Bundesvorsitzender des konservativen Vereins "Bürgerlich-Freiheitlicher Aufbruch" (BFA). Der Verein sieht sich als Vernetzungsplattform und Sammlungsbewegung – und war in den späteren Aufbau von "Bündnis Deutschland" offenbar stark einbezogen.

In einer Pressemitteilung Ende Oktober hatte der Verein angekündigt, er werde sich einem neuen Projekt als "parteinahe Vereinigung" anschließen. Damit war offenbar "Bündnis Deutschland" gemeint – auch, wenn der konkrete Name nicht fiel. Münnich berichtete laut der Mitteilung auf einer Klausur zum "Sachstand über die Gründung einer neuen, vernunftorientiert ausgerichteten Partei, die seit Frühjahr aufgebaut wird und die es sich um Ziel gesetzt hat, die klaffende Lücke zwischen AfD und Union/FDP zu schließen." Eine Fusion sollte es aber nicht geben.

Neben Münnich sind drei weitere Mitglieder aus dem Bundesvorstand des BFA seit November im Bundesvorstand von "Bündnis Deutschland" aktiv. Dazu ein Mitglied des politischen Beirats des BFA. Der Einfluss des Vereins auf die neue Partei dürfte also stark sein. Mehrere Mitglieder des Bundesvorstandes der neu gegründeten Partei gehörten zudem vorher CDU oder CSU an. Im gesamten siebenköpfigen Gremium ist nur eine Frau.

Auf der Pressekonferenz im November sagte Parteichef Große zudem, dass der ehemalige AfD-Politiker Markus Scheer dabei sei. Er bezeichnete Scheer als tollen "Strippenzieher", jede Partei könne sich glücklich schätzen, so einen zu haben. Scheer war im Sommer aus der AfD ausgetreten und vorher Kreisvorsitzender der Partei in Bochum.

Wirtschaftsliberale und konservative Positionen

Parteichef Große hatte beim Gründungsparteitag im November von einer Repräsentationslücke zwischen CDU und AfD gesprochen. Doch was die politischen Ziele der Partei genau sind, ist bisher nicht ganz klar. Zwar gibt es ein Grundsatzprogramm, in dem es heißt: "Wir sehen die individuelle Eigenverantwortung, Chancengleichheit und die freie Entfaltung des Individuums als erstrebenswert an."

Die Positionen zu einzelnen Politikbereichen sind bisher aber eher marginal beschrieben: Die Partei setzt sich nach eigenen Angaben für weniger Steuern, eine sichere und bezahlbare Energie sowie Bürokratieabbau und mehr Eigenverantwortung ein – im Kern also wirtschaftsliberale Ansätze. Dazu kommen eher konservative Positionen wie Kritik am Gendern. Politik solle künftig mehr durch Experten in bestimmten Politikgebieten gestaltet werden.

Gruppe im sächsischen Landtag?

Unklar ist noch, ob weitere ehemalige oder aktuelle AfD-Abgeordnete zu "Bündnis Deutschland" wechseln. Ende Februar ist eine Presseveranstaltung in Berlin geplant. Große bestätigte vorab lediglich, dass Gespräche mit weiteren Landtagsabgeordneten stattfänden. Im sächsischen Landtag gibt es derzeit noch zwei weitere fraktionslose Abgeordnete: die ehemaligen AfD-Mitglieder Wolfram Keil und Christopher Hahn. Beide hatten AfD und Landtagsfraktion im April 2021 verlassen. Keil hatte dem MDR bereits im Dezember bestätigt, dass Gespräche mit "Bündnis Deutschland" laufen, es aber noch keine Ergebnisse gebe.

Sollten sich Teichmann, Keil und Hahn zu einer Zusammenarbeit entschließen, könnten sie eine "Gruppe" bilden. Das gab es bisher in diesem Bundesland noch nie – und die Hürden dafür sind hoch. Denn für eine Anerkennung wäre ein Parlamentsbeschluss auf Empfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten nötig. Ob es soweit kommt, ist offen.

Politikwissenschaftler sehen eher geringe Chancen für neue Partei

Fraglich ist, welche Chancen "Bündnis Deutschland" mittelfristig überhaupt hat, eine Rolle im Parteiensystem zu spielen – selbst wenn weitere ehemalige AfD-Abgeordnete nicht nur aus Sachsen überlaufen würden. Eric Linhart ist Politikwissenschaftler und Parteienforscher an der Technischen Universität Chemnitz. Er sagte dem MDR, dass es zwar grundsätzlich Platz für eine Partei zwischen CDU und AfD gebe. "Ob diese aber wirklich Erfolg bei Wahlen haben kann, ist eine andere Frage." Bisher habe noch keine Partei Kapital daraus ziehen können, dass die AfD so weit nach rechts gerückt sei.

Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Hendrik Träger. "Es gehört schon fast zur Entwicklung der AfD dazu, dass es Abspaltungen gibt. Das zeugt von der Heterogenität der Partei", sagte Träger dem MDR. Nach Angaben von Träger, der an der Uni Leipzig lehrt, brauche eine neue Partei im besten Fall ein inhaltliches Alleinstellungsmerkmal und eine bekannte Person. Aber auch das sei noch kein Garant für Erfolg. "Ehemalige bekannte AfD-Vorsitzende wie Frauke Petry oder Bernd Lucke konnten langfristig auch keine erfolgreiche Partei aufbauen", sagte Träger.

In den vergangenen Jahren hatten mehrere ehemalige AfD-Abgeordnete neue Parteien gegründet, darunter Bernd Lucke (Alfa/später Liberal-Konservative Reformer), Frauke Petry (Die Blauen) und André Poggenburg (Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland). Der Anfang 2022 aus der AfD ausgetretene Jörg Meuthen wechselte zur Deutschen Zentrumspartei. Eine Zählung des MDR ergab, dass alleine in den vergangenen zwei Legislaturen mehr als 30 AfD-Abgeordnete in Landtagen oder Kreistagen in Mitteldeutschland ihre Partei verlassen haben.

Laut Träger haben es neue Parteien grundsätzlich schwer, sich im Parteiensystem zu etablieren, es gebe eine Reihe von Stolpersteinen. "Zum einen gibt es eine organisatorische Hürde. Parteien, die nicht aus eigener Kraft im Parlament vertreten sind, brauchen eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Unterschriften, um bei Wahlen antreten zu können", sagt Träger. Auch sei die Finanzierung oft ein Problem. In der Vergangenheit seien es meistens Regionalparteien gewesen, die es neben den etablierten Parteien häufig nur kurzzeitig in Parlamente geschafft hätten.

Dieses Thema im Programm: MDR exakt | 09. November 2022 | 20:15 Uhr

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