Politik Ex-DDR-Bürgerrechtler warnen vor Koalitionen mit BSW
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05. August 2024, 17:23 Uhr
Wie hältst du es mit der Wahrheit? Das fragen DDR-Bürgerrechtler das Bündnis Sahra Wagenknecht in einem Offenen Brief. Sie verweisen darauf, dass von BSW-Mitglieder behauptet werde, dass in der Ukraine Faschisten herrschen. Außerdem werde verschwiegen, dass in Russland unabhängige Zeitungen und Fernsehsender verboten sind. Wagenknecht reagierte scharf. Auch die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf wies die Kritik zurück.
Frühere DDR-Bürgerrechtler haben vor einer Regierungsbeteiligung der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland gewarnt.
Brief zum BSW: Initiative aus Sachsen
Es herrsche eine große Beunruhigung, dass das BSW mitregieren könnte, vor allem wegen der außenpolitischen Positionen der Wagenknecht-Partei, sagte die ehemalige Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, der Nachrichtenagentur "dpa". Die Initiative für den Offenen Brief sei von Sachsen ausgegangen, und sie habe dies gern unterstützt.
Unterschrieben haben auch der frühere Thüringer Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Christian Dietrich, die Erfurter Bürgerrechtlerin Barbara Sengewald oder der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel (SPD).
Vor allem Aussagen zum Krieg in der Ukraine kritisiert
In dem auf der Plattform X veröffentlichten Papier werden vor allem Aussagen von Parteigründerin Sahra Wagenknecht und anderen BSW-Mitgliedern zum Krieg in der Ukraine als falsch kritisiert. Unter anderem habe Wagenknecht Mitte 2023 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesagt, alle Militärexperten sagten eine Niederlage der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland voraus - was nicht der Fall sei. Angeführt werden noch weitere Beispiele, die aus Sicht der Autoren des Papiers irreführend sein sollen.
Der Brief endet in einem Appell an die "demokratischen Parteien" und vor allem an die CDU, sich genau zu überlegen, ob sie nach den Landtagswahlen eine Koalition mit dem BSW eingehen und sich tolerieren lassen wollten. Zudem sollten sich die Parteien klarer vom "nationalen Sozialismus" des BSW distanzieren, heißt es in dem Papier weiter.
Wagenknecht: Partei soll offenbar diskreditiert werden
Wagenknecht reagierte scharf. "Der Brief ist wohl kaum im Sinne der DDR-Bürgerrechtsbewegung, von der sich viele unter den Slogans 'Frieden schaffen ohne Waffen' und 'Schwerter zu Pflugscharen' für Frieden, Diplomatie und ein Ende des Wettrüstens einsetzten", erklärte die BSW-Vorsitzende auf Anfrage. "Das Bemühen um eine diplomatische Beendigung des Ukraine-Krieges als russische Propaganda zu diffamieren, ist auch eine Beleidigung für Millionen Ostdeutsche, die zu Recht Angst vor einem großen europäischen Krieg haben."
Hier solle offenbar eine neue Partei, die vielen Menschen aus dem Herzen spreche, wenige Wochen vor entscheidenden Wahlen diskreditiert werden, mutmaßte Wagenknecht. "Dass sich aktuell viele Ostdeutsche bei politischen Debatten wieder an die Enge der DDR-Zeit erinnert fühlen, müsste eigentlich frühere Bürgerrechtler auf den Plan rufen." Doch hätten die Briefeschreiber offenkundig den Kontakt zur Bevölkerung weitgehend verloren.
Landeschefin Wolf: BSW spreche Ukraine nicht das Recht zur Verteidigung ab
Auch die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf wies die Kritik im Gespräch mit MDR THÜRINGEN zurück. Laut Wolf habe ihre Partei bisher immer klar gesagt, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine nicht zu rechtfertigen sei. "Niemand spricht der Ukraine das Recht ab, sich zu verteidigen", so Wolf weiter. Das BSW fordere nur lauter als andere Parteien Friedensgespräche. Laut Wolf sei ein Signal nötig, um aus der Spirale der Gewalt auszubrechen. Die Aufforderung der Bürgerrechtler an die CDU, nicht mit dem BSW zusammenzuarbeiten, wollte Wolf nicht kommentieren.
Bürgerrechtler demonstrierten - Wagenknecht ging in die SED
Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler wie Meckel und Birthler oder der Sachse Martin Böttger, jetzt Initiator des Offenen Briefs, hatten im Herbst 1989 gegen die DDR-Einheitspartei SED und die Staatsführung in Ostberlin protestiert, bis diese stürzten. Wagenknecht trat hingegen noch 1989 der SED bei. Sie verteidigte die DDR noch Jahre nach deren Ende. Davon distanzierte sie sich später.
CDU schließt nach Landtagswahl BSW-Zusammenarbeit nicht aus
Im September werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt. In Umfragen erreicht das BSW in den drei Ländern teils Werte von 15 bis 20 Prozent. Die CDU in den drei Ländern hat eine etwaige Zusammenarbeit mit der neuen Partei nicht ausgeschlossen. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat eine Zusammenarbeit mit dem BSW nicht ausgeschlossen. Wagenknecht hatte vergangene Woche gesagt, das BSW werde sich nur an einer Landesregierung beteiligen, "die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht".
MDR (ws/rom/ost)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 04. August 2024 | 18:00 Uhr