Migration Streit um Bezahlkarte für Asylbewerber geht in die nächste Runde
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19. Februar 2024, 22:29 Uhr
Braucht es zur Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber eine neue Gesetzesgrundlage? Darüber streitet die Ampel. Die FDP droht mit Koalitionsbruch, die Grünen verstehen die Aufregung nicht. Die Union verlangt ein Machtwort des Kanzlers.
- FDP und Grüne streiten über die notwendigen gesetzlichen Änderungen bei der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete.
- Es geht um Details im Asylbewerberleistungsgesetz.
- Ministerpräsidenten der Union fordern eine schnelle Umsetzung.
Die geplante Bezahlkarte für Asylbewerber sorgt für Krach in der Ampel-Koalition. Knackpunkt ist die Frage, ob für die Einführung der Karte eine bundesgesetzliche Regelung nötig oder zumindest sinnvoll ist. SPD und FDP sind dafür, die Grünen dagegen halten die bereits geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen für ausreichend.
Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem Berliner "Tagesspiegel" am Montag: "Wir müssen den Bundesländern bei der Bezahlkarte jetzt Rechtssicherheit verschaffen". FDP-Chef Christian Lindner hatte sich bereits am Wochenende in die Debatte eingemischt. Er sagte dem "Münchner Merkur": "Der Widerstand der Grünen gegen eine Verabredung in der Regierung und mit den Ländern kommt überraschend. Die Grünen dürfen einen Konsens aller demokratischen Parteien nicht gefährden."
Zuvor hatte der stellvertretende FDP-Parteichef Wolfgang Kubicki via "Bild"-Zeitung sogar mit dem Bruch der Koalition gedroht: "Sollten die Grünen diesen minimalinvasiven Eingriff in das Asylbewerberleistungsgesetz tatsächlich torpedieren, stellt das die Fortsetzung der Koalition infrage."
Gesetz zu Leistungen für Asylbewerber – Uneinigkeit im Detail
Tatsächlich geht es offenbar um Details im Gesetzestext. Wie Geflüchte in Deutschland unterstützt werden, ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Dort heißt es zu den Leistungen für Asylbewerber außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen, dass hier "vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren" sind. Weiter steht dort: "Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden."
Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften erhalten ihre Leistungen ohnehin bislang vorwiegend als Sachleistungen.
Sozialleistungen für Asylbewerber
Alleinstehene Menschen, die sich um Asyl bewerben, haben derzeit Anspruch auf insgesamt 460 Euro im Monat. In Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten Geflüchtete davon lediglich höchstens 204 Euro als "Taschengeld". Hinzu kommen Sonderleistungen bei Krankheit oder Schwangerschaft. Asylbewerber erhalten damit rund 18 Prozent weniger Sozialhilfe als Deutsche und Flüchtlinge aus der Ukraine.
Sobald sie als Geflüchtete anerkannt werden, erhalten die Betroffenen das volle Bürgergeld. Dazu kommen bei einer Wohnung Hilfen für Miete und Heizung sowie eine eingeschränkte Krankenversorgung. Nach 18 Monaten haben Asylbewerber Anspruch auf sogenannte Analogleistungen, die weitgehend der Sozialhilfe gleichgestellt sind.
Die Frist von 18 Monaten soll nach den Beschlüssen von Bund und Ländern vom November künftig auf drei Jahre verlängert werden.
Mediendienst Integration, gekürzt
Die FDP beharrt hier auf einer Änderung des Textes. Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle: "Dazu gehört etwa, dass der Vorrang von Geldleistungen bei der Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen gestrichen wird. Das macht Bezahlkarten in mehr Konstellationen nutzbar und erleichtert so die bundesweite Einführung."
Die Grünen halten das für überflüssig. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", sie verstehe nicht, "warum über etwas gestritten wird, was rechtlich längst möglich ist und nur noch umgesetzt werden muss".
Auch der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch, verwies darauf, dass die Bezahlkarte in einigen Kommunen bereits eingeführt wurde und in Ländern wie Hamburg und Bayern auch ohne weitere Gesetzesgrundlage eingeführt wird: "Es war gemeinsame Haltung in der Koalition, dass die Länder die Bezahlkarte rechtssicher einführen können. Verschiedene Länder wie Hamburg oder Bayern tun dies auch bereits. Änderungen sind deshalb nicht nötig und nicht verabredet", sagte er.
CDU-Ministerpräsidenten drängen auf Regelung für Bezahlkarte
Die Grünen beziehen sich außerdem auf frühere Schreiben aus dem Kanzleramt, in denen es ebenfalls hieß, dass "keine gesetzliche Änderung" notwendig sei. Inzwischen hat sich diese Einschätzung aber geändert. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums bestätigte, dass im Auftrag einer Arbeitsgruppe der Länder eine Formulierungshilfe erarbeitet worden sei. Sie sehe vor, "dass die Leistungsform der Bezahlkarte ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen wird". Dem sei ein Austausch zwischen Hessen als Vorsitzland der Ministerpräsidendentenkonferenz (MPK), dem Co-Vorsitzland Niedersachsen und dem Ministerium vorausgegangen.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, derzeit Chef der MPK, warf den Grünen nun eine "Blockade" vor. Der CDU-Politiker forderte ein Machtwort von Kanzler Olaf Scholz (SPD). "Der Bundeskanzler muss jetzt ein Machtwort sprechen für einen realpolitischen Kurs der Ampel bei der Migration".
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mahnte ebenfalls eine schnelle Umsetzung an. Der CDU-Politiker sagte der "Bild": "Von einem gemeinsamen Beschluss aller 16 Bundesländer mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung erwartet man Verlässlichkeit und eine zügige Umsetzung. Wenn nicht, wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundespolitik weiter beschädigt."
dpa,KNA,AFP,MDR (ala)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – das Nachrichtenradio | 19. Februar 2024 | 21:47 Uhr
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