Abgeordnetenhaus in Berlin.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September sind ungültig. Bildrechte: IMAGO / Jürgen Ritter

Berliner Verfassungsgerichtshof Berliner Wahl muss komplett wiederholt werden

16. November 2022, 21:17 Uhr

Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat am Mittwoch entschieden: Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Die Abstimmung vom September 2021 sei ungültig. Statt einer Teilwiederholung, die der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags vorgeschlagen hatte, muss die Wahl in ganz Berlin wiederholt werden.

Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksparlamenten vom September 2021 müssen flächendeckend wiederholt werden. "Die verbundenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen werden im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt", sagte die Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofs, Ludgera Selting, am Mittwoch bei der Entscheidungsverkündung. Zur Begründung der Entscheidung sagte Selting, die Wahlen seien unzureichend vorbereitet worden. Die Anzahl der Wahlfehler sei in der Geschichte der Bundesrepublik wohl einzigartig. Die Richterin sprach von schweren systemischen Mängeln bei der Wahlvorbereitung.

Bei dem Urnengang war es zu zahlreichen Pannen gekommen. Teilweise hatten Wahllokale länger geöffnet, es gab lange Schlangen vor den Wahllokalen und es gab fehlende oder falsche Wahlunterlagen. Dazu kam, dass viele Wahlen am selben Tag stattfanden: der Bundestag und die zwölf Bezirksparlamente wurden neu gewählt – hinzu kam noch ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Außerdem fand auch der Berlin-Marathon statt, der zu Verkehrsbeeinträchtigungen führte.

Giffey: Neuwahlen mit allen finanziellen und organisatorischen Mitteln vorbereiten

Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey, sagte am Mittwoch, Berlin stehe jetzt vor einer Herausforderung. Die Entscheidung, die Wahl zu wiederholen, habe sich seit Wochen angekündigt. Sie bedauert den Vorfall und wolle alles tun, um diese Wahlen bestmöglich vorzubereiten, erklärte die SPD-Politikerin weiter. Dafür sollen alle notwendigen finanzielle und organisatorische Mittel eingesetzt werden. Des weiteren versicherte sie: "Wir respektieren dieses Urteil. Der Berliner Senat wird keine Beschwerde dagegen einlegen".

Auswirkung auf Bundestagswahl noch unklar

Zuletzte hatte der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags eine Teilwiederholung empfohlen. Von den Pannen waren 327 der 2.256 Wahlbezirke der Hauptstadt betroffen sowie 104 der 1.507 Briefwahlbezirke. Ob die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs auch Auswirkung auf die geplant Teilwiederholung der Bundestagswahl hat, ist noch offen.

Die CDU hatte bereits vergangene Woche mitgeteilt, dass ihr die Wiederholung in insgesamt 431 Wahlbezirken nicht weit genug gehe. Sie wollte in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise komplett neu wählen lassen. Es gilt deshalb als wahrscheinlich, dass der Parlamentsbeschluss noch vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird. Damit ist unklar, wann die Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin tatsächlich stattfinden wird. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksversammlungen müssen nach der Entscheidung von heute nun innerhalb von 90 Tagen wiederholt werden. Als wahrscheinlicher Termin gilt nach bisheriger Einschätzung des neuen Landeswahlleiters Stephan Bröchler der 12. Februar. Seine Vorgängerin war nach dem Berliner Wahlchaos im vergangenen Herbst zurückgetreten.

"Es ist ein Tiefpunkt für das Ansehen Berlins in Deutschland und der Welt", teilte der Generalsekretär der CDU, Stefan Evers, nach der Urteilsverkündung mit. "Es ist eine schwere Niederlage für Frau Giffey und ihren Senat."

Landtagswahl zuvor nur einmal ungültig gewesen

Es ist erst das zweite Mal seit Gründung der Bundesrepublik, dass ein Gericht eine Landtagswahl für ungültig erklärt. Das erste Mal passierte dies 1991 in Hamburg. Eine Gruppe von CDU-Mitgliedern klagte gegen die Gültigkeit der Bürgerschaftswahl vom 2. Juni desselben Jahres. Die Klagenden waren der Meinung, dass die Kandidatenaufstellung bei der CDU gegen Wahlrechtsgrundsätze verstoßen hatte. Das Hamburger Verfassungsgericht gab dem Antrag im Mai 1993 statt und erklärte die Bürgerschaftswahl für ungültig. Ebenso wurde das Wahlergebnis von fünf der sieben Bezirksverordnetenversammlungen für ungültig erklärt.

epd, AFP (kar)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. November 2022 | 11:45 Uhr

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