Syrische Flüchtlingsfamilie im Grenzdurchgangslager Friedland in Niedersachsen
Die Bundesregierung hat den Vorschlag, dass Asylrecht abzuschaffen, abgelehnt. (Archivbild) Bildrechte: imago/epd

Asylrecht-Debatte Bundesregierung: Individuelles Asylrecht bleibt

19. Juli 2023, 19:36 Uhr

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, hat vorgeschlagen, das Asylrecht abzuschaffen und stattdessen Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen festzulegen. Nach heftiger Kritik aus der Ampel-Koalition hat nun auch die Bundesregierung Freis Vorstoß zurückgewiesen. Zuspruch gibt es dagegen aus der CDU. Die EU will ihr Asylsystem reformieren und unter anderem die Verteilung von Flüchtlingen künftig anders regeln.

Die Bundesregierung will nicht am individuellen Anspruch auf Asyl rütteln. Das hat Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Nachfrage in Berlin klargestellt. Hintergrund war ein Vorschlag des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. Er hatte sich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" für ein grundsätzlich anderes Asylmodell ausgesprochen.

Frei zufolge sollte das Recht auf Asyl in Europa durch Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen ersetzt werden. Konkret würden nach diesem Modell jeweils zwischen 300.000 und 400.000 Menschen pro Jahr direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden.

Ampel-Koalition und Hilfsorganisationen üben Kritik

Freis Vorstoß stieß auf breite Ablehnung in der Ampel-Koalition, der Linkspartei und bei Flüchtlingshilfeorganisationen. Außenministerin Baerbock sagte zu Freis Vorschlag: "Offensichtlich sind wir schon im Sommerloch." Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat kritisierte: "Mit solchen Debatten befeuert die Union die Forderungen rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und Regierungen nach einer faktischen Abschaffung des Flüchtlingsschutzes nur weiter."

Nach Aussage des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, geht Freis Vorschlag ins Leere, "da er illegale Migration nicht stoppen wird". Vielmehr brauche es intensivere Bemühungen, um Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen, sowie "Migrationsabkommen auf Augenhöhe". Darüber hinaus verwies der SPD-Politiker auf die Verankerung des Asylrechts im Grundgesetz.

Ähnlich äußerte sich auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Der individuelle Anspruch eines verfolgten Menschen auf Aufnahme und Schutz sei in zahlreichen internationalen Verträgen festgelegt und gelte auch für Europa. "Menschen können nicht wie Apfelsinenkisten einfach anhand von Quoten auf die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verteilt werden."

CDU: Merz spricht von "wichtigem und guten Beitrag"

Zuspruch bekommt Frei dagegen aus der eigenen Partei. Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz sagte bei einer Klausurtagung der CSU in Bayern, man werde sich über ein europäisches Asylsystem nochmals von Grund auf unterhalten müssen. Dazu habe Frei einen wichtigen und guten Beitrag geleistet. Er spreche ein Problem an, für das es im Augenblick keine wirklich guten und überzeugenden Lösungen gebe.

Trotzdem unterstüzt Merz nach eigener Aussage die laufenden Verhandlungen in der EU für eine Reform des bestehenden europäischen Asylsystems. Was von den EU-Innenministern derzeit verhandelt werde, halte er für richtig.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begrüßte Freis Vorschlag und nannte seinen Artikel einen "wichtigen Debattenbeitrag". Kretschmer sagte, es könne bei der "illegalen Migration nicht so weitergehen wie bisher." Landkreise, Städte und Gemeinden seien an der Belastungsgrenze.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder bewertete Freis Aussagen etwas skeptischer. Der Vorschlag sei spannend, aber ob er in der Kürze der Zeit umsetzbar sei und tatsächlich die erwünschten Erträge bringe, sei noch offen. Forderungen aus Bayern zum Beispiel nach verstärkten Grenzkontrollen würden "einen schnelleren Ertrag" versprechen.

Migrationsexperte: Eingriff in Asylrecht löst keine Probleme

Aus Sicht des Migrationsforschers Gerald Knaus würde eine Abschaffung des Individualrechts auf Asyl die aktuellen Probleme bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa nicht lösen. "Das echte Problem ist, dass wir es nicht schaffen derzeit, die Migrationsabkommen zu schließen, die wir brauchen", sagte Knaus am Mittwoch im "Morgenmagazin" der ARD.

Freis Vorschlag würde an der aktuellen Situation nichts verbessern. Es fehlten Vereinbarungen, um Ausreisepflichtige aus der Europäischen Union zurückzubringen. Darüber hinaus müsse es möglich werden, Menschen in sichere Drittstaaten zurückzuschicken, um zum Beispiel Mittelmeerflüchtlingen eine Rückkehr nach Libyen zu ersparen. Als zentrales Problem nannte Knaus "die tödliche Außengrenze der EU". Dort werde Recht gebrochen. In Libyen werde versucht, die Migration "mit grauenhaften Partnern, die Menschen quälen", zu stoppen.

EU will eigenes Asylsystem reformieren

Die europäischen Reformpläne sehen unter anderem vor, Asylverfahren schon an den EU-Außengrenzen vorzunehmen. Zudem soll es eine Verteilung von Migranten unter den Mitgliedstaaten geben. Länder, die sich weigern, sollen Zwangsgelder zahlen. Das individuelle Recht auf Asyl soll dabei nicht angetastet werden.

Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zufolge stellten im vergangenen Jahr 217.774 Menschen in Deutschland einen Asylantrag – 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor und so viele wie seit 2016 nicht mehr. Zusätzlich fanden eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Aufnahme, allerdings ohne Asyl beantragen zu müssen.

AFP/dpa/epd/KNA (akq)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. Juli 2023 | 18:00 Uhr

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