Ein Mann steht bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Brandenburg in Cottbus am Stand der Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der AfD.
Die "Junge Alternative" ist als Verein organisiert, auf den die Partei kaum Durchgriffsmöglichkeiten hatte. Bildrechte: picture alliance/dpa | Frank Hammerschmidt

Rechtsextremismus AfD übernimmt Kontrolle über Parteijugend

30. Januar 2025, 15:03 Uhr

Die AfD baut einen neuen Jugendverband auf, um den Partei-Nachwuchs unter Kontrolle zu halten. Was aus der bisherigen Jugendorganisation wird, zeigt sich am Wochenende in der Stadthalle Apolda.

"Patriotische Jugend" wird der neue Jugendverband der AfD möglicherweise heißen und nicht mehr wie bisher "Junge Alternative" (JA). Beschlossen werden soll der neue Name auf der "ersten bundesweiten Mitgliederversammlung der Jugendorganisation", zu der der Bundesvorstand der Partei einlädt.

Bei dem Treffen sollen ein Vorstand gewählt und Richtlinien beschlossen werden. Wann und wo die Versammlung stattfindet, ist nicht bekannt.

Trennung in Riesa

Mitte Januar hatte sich die AfD auf einem Bundesparteitag in Riesa mit großer Mehrheit von ihrer bisherigen Jugendorganisation "Junge Alternative" getrennt. Nur noch bis zum 31. März bleibt sie der offizielle Nachwuchsverband der Partei. Zudem wurde in Riesa beschlossen, einen neuen Jugendverband zu gründen.

MDR Investigativ liegen mehrere in Riesa beschlossene Satzungsänderungsanträge vor. Die Dokumente belegen, dass die Mutterpartei den Nachwuchs mit dieser Reform künftig deutlich stärker unter Kontrolle halten wird als bisher.

JA seit 2023 erwiesen rechtsextremistische Bestrebung

Die "Junge Alternative" ist als Verein organisiert, auf den die Partei kaum Durchgriffsmöglichkeiten hatte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft ihn seit 2023 wegen Verstößen gegen das grundgesetzlich garantierte Menschenwürde-Prinzip als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.

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Daniel Haseloff (AfD)
Daniel Haseloff ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Thüringer AfD-Landtagsfraktion. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Auch der Thüringer AfD-Landtagsfraktion um Björn Höcke gehören bisherige JA-Mitglieder an - neben der Juristin Vivien Rottstedt und dem Wirtschaftsingenieur Peter Gerhardt auch Daniel Haseloff, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender fungiert. Das hiesige Landesamt für Verfassungsschutz stuft die Thüringer JA sowie den AfD-Landesverband ebenfalls als erwiesen rechtsextrem ein.

Wie es mit der JA weitergeht, ist unklar. Am Wochenende trifft sich der bald ehemalige AfD-Parteinachwuchs in der Stadthalle Apolda, um über die eigene Zukunft zu beraten. Dass sich der Verein mit circa 2.400 Mitgliedern auflöst, gilt als unwahrscheinlich. Für eine Selbstauflösung bräuchte es eine Mehrheit von 90 Prozent.

Zudem hatte es vor dem Parteitag in Riesa Protest gegen die Reform von JA-Funktionären aus Brandenburg und Schleswig-Holstein gegeben. Auch der Thüringer AfD-Chef Höcke hatte sich dagegen ausgesprochen. Auf MDR-Anfragen hat der Verein nicht reagiert. Seine Zukunft ist offen. Wie hingegen der neue AfD-Jugendverband aussehen könnte, zeigt sich bereits jetzt recht deutlich.

AfD-Jugend unter Kontrolle

Aus den Partei-Papieren, die MDR Investigativ vorliegen, geht hervor, dass man bis zur Vollendung des 36. Lebensjahres mitmachen kann, dass sich der monatliche Mitgliedsbeitrag für unter 26-Jährige auf drei und für die Älteren auf fünf Euro belaufen wird und dass es Unterverbände in allen 16 Bundesländern geben soll.

Darüber hinaus soll auf der kommenden "ersten Mitgliederversammlung" ein sogenanntes "Jugendstatut" festgelegt werden. Damit sind Regeln und Richtlinien gemeint, die die Ausrichtung der neuen Vereinigung bestimmen.

In den AfD-Dokumenten heißt es dazu: "Die Jugendorganisation der AfD ist ein rechtlich unselbstständiger Teil der Partei." An anderer Stelle ist zu lesen: "Das Jugendstatut der Jugendorganisation bedarf der Genehmigung durch den Bundesvorstand der Partei."

Zum Vergleich: In der bisherigen Bundessatzung der AfD hieß es im Kapitel zur Jugendorganisation: "Die JA verfügt als eigenständiger Verein über Satzungs-, Programm-, Finanz- und Personalautonomie." Damit ist es nun vorbei und mehr als das: Die Parteiführung hat in Riesa zahlreiche weitere Änderungen beschlossen, um den eigenen Nachwuchs fortan unter Kontrolle zu halten.

Freiheitsrechte massiv eingeschränkt

Beispielsweise wird künftig jeder, der in den Jugendverband eintritt, automatisch AfD-Parteimitglied. "Mitglieder der Jugendorganisation sind alle Parteimitglieder bis zur Vollendung des 36. Lebensjahres, die ihren Beitritt zur Jugendorganisation erklärt haben", heißt es. Die Mitgliedschaft entstehe "unmittelbar mit Zugang der Beitrittserklärung schriftlich oder per E-Mail bei der Bundesgeschäftsstelle".

Auch an unter 16-Jährige, die gesetzlich noch nicht in Parteien aber in deren Jugendorganisationen eintreten dürfen, hat die Parteiführung gedacht. Vorstandsposten sind den Jüngsten verwehrt, und wer später nicht gleichzeitig Mitglied der AfD werden möchte, muss wieder gehen.

Teilnehmer des AfD-Bundesparteitags mit einem Stoffbeutel bzw. Pullover mit dem Logo der AfD-Jugendorganisation «Junge Alternative» (JA).
Der Verein "Junge Alternative" war den AfD-Parteigerichten bisher nicht unterlegen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Besonders der beschlossene Satzungsänderungsantrag zur Schiedsgerichtsordnung garantiert der Parteiführung fortan großen Einfluss auf den Jugendverband. Der Verein "Junge Alternative" war den AfD-Parteigerichten bisher naturgemäß nicht unterlegen.

Jetzt gilt laut geänderter Parteisatzung: "Die Parteimitglieder und die Mitglieder der Jugendorganisation sind verpflichtet, sich bei Streitfragen, für deren Entscheidung die Schiedsgerichte zuständig sind, zunächst an diese zu wenden."

Dabei sind die Parteioberen in manchen Streitfragen erst gar nicht auf die Gerichte angewiesen. Denn in Riesa wurde auch festgelegt: "Verstößt ein Funktionsträger der Jugendorganisation gegen Satzung, Ordnung oder Grundsätze der Partei, ist der Parteivorstand der jeweiligen oder höheren Gliederung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder berechtigt, den Funktionsträger seiner Funktion zu entheben."

Für die AfD-Parteijugend beinhalten die Beschlüsse von Riesa also massive Freiheitseinschränkungen. Von Vorteil könnte für den Nachwuchs hingegen sein, dass Partei-Unterorganisationen vom Verfassungsschutz weniger leicht beobachtet und von Innenministerien schwerer verboten werden können als Vereine.

Übergangsregelung bis 1. April

Für einen Großteil der Reform gilt den AfD-Dokumenten zufolge eine Übergangsregelung bis zum 1. April. Zur Frage, wie weit die Partei mit dem Aufbau des neuen Verbands inzwischen gekommen ist, teilte Pressesprecher Jakob Drapal auf MDR-Anfrage mit:

"Die für den umbenannten Aufgabenbereich ‚Jugendorganisation/ Nachwuchsförderung‘ verantwortlichen Vorstandsmitglieder, Dennis Hohloch und Hannes Gnauck, werden in den kommenden Wochen alle notwendigen Schritte zum Organisationsaufbau vornehmen."

Gnauck ist AfD-Bundestagsabgeordneter und Bundesvorsitzender der JA. In Riesa hatte er sich für die Reform stark gemacht. Auf eine MDR-Anfrage hat er nicht reagiert.

Ein Mann steht bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Brandenburg in Cottbus am Stand der Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der AfD. 4 min
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Die AfD will ihre Jugendorganisation neu aufbauen. Unser Reporter Sven Kochale hat sich nach Reaktionen umgehört.

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Das kommende JA-Treffen in Apolda sowie die mögliche Zukunft des Vereins JA kommentierte Parteisprecher Drapal nicht. "Die Treffen obliegen der Verantwortung der zuständigen Vereinsführung", teilte er mit. Auch zu der spekulativen Frage, wie viele JA-Mitglieder mutmaßlich in die neue AfD-Jugendorganisation überwechseln könnten, äußerte sich der Sprecher nicht.

Der andere Laden soll verschwinden.

AfD-Bundestagsabgeordneter

Hingegen deutlich offener gegenüber diesen Fragen zeigte sich am Telefon ein AfD-Bundestagsabgeordneter, der anonym bleiben möchte: "Der andere Laden soll verschwinden", sagte der Parlamentarier dem MDR. Der Verein solle "egal" werden und könnte "am Ende ja sogar auf die Unvereinbarkeitsliste der AfD landen".

Laut dem Abgeordneten soll mit der Reform auch der Einfluss auf den Nachwuchs durch weitere extremistische Gruppierungen zurückgedrängt werden. Als Beispiele nennt der AfD-Politiker am Telefon Akteure aus dem Umfeld des rechtsextremen "Compact"-Magazins sowie des neurechten Verlags "Antaios".

Mehr zur "Jungen Alternative"

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 30. Januar 2025 | 18:00 Uhr

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