Gegen Einfluss von Tech-Unternehmen Informatikprofessor fordert "radikale" Regulierung von Big Tech
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02. Februar 2025, 15:44 Uhr
Twitter-Eigentümer Elon Musk, Facebook-Chef Mark Zuckerberg und US-Präsident Donald Trump – auf viele wirkt diese Aufzählung wie eine unheilige Allianz aus Politik und Internetgiganten. Deutschland und Europa können dem derzeit nur wenig entgegensetzen. Social Media, Internetwerbung, Onlineshopping, KI – alles dominiert von US-Konzernen. Internetexperten sagen mittlerweile: Deutschland ist eine digitale Kolonie.
- Große Tech-Unternehmen aus den USA bestimmen die internationalen Spielregeln.
- Die Suchmaschine Ecosia nutzt momentan noch die Daten von Google.
- Ecosia-Gründer Kroll: Eigener Suchmaschinenindex braucht viele Ressourcen und Nutzer.
Mit 17.000 Mitgliedern ist sie die größte Vertretung von Informatikerinnen und Informatikern in Deutschland: Die Gesellschaft für Informatik. Und nur selten überrascht diese mit so deutlichen Worten.
Deutschland habe sich längst abhängig gemacht, meint Harald Wehnes. Er ist Informatikprofessor in Würzburg und Sprecher der Gesellschaft für Informatik, wenn es um digitale Souveränität geht. "Der Begriff 'digitale Kolonie' trifft die Situation erschreckend genau. Verwaltung, Wirtschaft und Bildung hängen von digitalen Monopolen wie Microsoft, Google, Apple und Co. ab und diese beherrschen insbesondere die Datenströme und Regeln. Wir haben bereits heute einen wachsenden Kontrollverlust über unsere eigenen Daten."
Wehnes: Big Tech diktiert die Spielregeln
Wehnes zufolge untergräbt die Fremdbestimmung Deutschlands die Souveränität. Big Tech diktiere die Spielregeln und maximiere die Gewinne auf Kosten der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschland zahle Tribute – in Form von Lizenzgebühren und gebe seine Datenhoheit an die US-Tech-Monopole ab.
"Ohne radikale Maßnahmen zur Reduktion der Abhängigkeit von digitalen Monopolen ist die digitale Zukunft Deutschlands verloren", betont der Informatikprofessor. Unternehmen müssten sicherstellen, dass sie nicht in existenzgefährdende Abhängigkeiten geraten. Ansonsten seien auch Arbeitsplätze in Gefahr. "Nun, wir sind alle gefordert, alle Bürger, achtsamer Umgang mit den Daten", sagt Wehnes. "Die Politik muss Big Tech radikal regulieren und eigene Technologien priorisieren."
Suchmaschine ecosia ist auf Daten von Google angewiesen
Einer, der Deutschland aus der digitalen Abhängigkeit führen könnte, ist Christian Kroll. Der gebürtige Wittenberger ist der Gründer der Suchmaschine ecosia, die sich für Klimaschutz einsetzt. "Wenn uns Google und Bing abgeschaltet werden, müssten wir zurück zu Telefonbüchern aktuell. Was anderes haben wir tatsächlich nicht technologisch", erklärt Kroll.
Ecosia selbst bezieht seine Suchergebnisse von Google und von Microsofts Bing. Auch der KI-Chatbot von OpenAI nutzt Ergebnisse von Bing. Jetzt will Kroll zusammen mit dem französischen Suchmaschinenanbieter Qwant selbst einen europäischen Suchmaschinenindex entwickeln und investiert dafür mehrere Millionen Euro.
Eigener Suchmaschinenindex ist ressourcenintensiv
Man brauche viele Ressourcen dafür. Das könnten nicht viele Organisationen oder Unternehmen bewerkstelligen, meint Kroll. "Und was man auch noch braucht, sind tatsächlich viele Millionen Nutzer, weil ohne Nutzer kann man einen Suchalgorithmus nicht trainieren. Denn man muss wissen, okay, bei diesem Suchergebnis, worauf klicken die Leute? Und wenn Nutzer auf gewisse Ergebnisse öfter klicken, dann zieht man die eben weiter nach oben. Deswegen kann nicht jeder irgendwie eine Suchmaschine bauen."
Das könne man nur, wenn man wirklich viele Nutzer habe. "Und wir haben zum Glück Millionen Nutzer", betont Kroll. Er würde sich über mehr – auch staatliche Investitionen – freuen. Der Markt allein könne es nicht mehr regeln. Bis Ende des Jahres will ecosia ein Drittel bis die Hälfte seiner Suchanfragen mit dem eigenen Algorithmus abdecken.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 02. Februar 2025 | 12:30 Uhr