High-Tech-Monopole Können Google, Facebook oder Amazon kontrolliert werden?
Hauptinhalt
04. Dezember 2023, 04:59 Uhr
Die großen High-Tech-Konzerne können sich fast unbegrenzt wirtschaftlich ausbreiten. Doch auf ihren Plattformen verbreiten sich auch Unwahrheiten rasant. Dadurch könnten demokratische Gesellschaften zerstört werden. Wie kann das verhindert werden?
Gerade in sozialen Netzwerken verbreiten sich Falschmeldungen rasend schnell – mit bewegenden Bilder, oft in Echtzeit und tausendfach geteilt. Manche Videos, die angeblich einen Angriff im Gaza-Streifen zeigen sollen, sind aus einem Computerspiel. Oder ein angebliches Bild eines Mannes, der mit staubverdrecktem Gesicht Kinder aus den Trümmern eines zerbombten Hauses trägt, ist KI-generiert. Solche Fake-News verbreiten sich laut einer Studie sechs Mal schneller und erreichen hundert Mal mehr Menschen als die Wahrheit. Doch welche Rolle spielen dabei die Plattformen und wie viel Einfluss können sie auf das Internet und damit die Gesellschaft nehmen?
Fast die ganze Nutzung ist auf ganz wenigen Plattformen konzentriert. Man kann eigentlich sagen: Der ganze Rest des Internets ist ein riesengroßer Friedhof.
Wieviel Zeit die Menschen in Deutschland wo im Netz verbringen, hat Medienwissenschaftler Martin Andree untersucht. Trotz Millionen Domains teilen die größten zehn Firmen über 70 Prozent des Traffics unter sich auf. "Wir haben gesehen, dass fast die ganze Nutzung auf ganz wenigen Plattformen konzentriert ist. Man kann eigentlich sagen: Der ganze Rest des Internets ist ein riesengroßer Friedhof", so Andree gegenüber dem NDR.
Wenige Männer kontrollieren den Großteil des Netzes
Und hinter den Big-Tech-Firmen stehen nur wenige Männer. So kontrolliert etwa der Facebook-Gründer und Meta-Chef Marc Zuckerberg 77 Prozent der sozialen Medien, wie aus einer Analyse hervorgeht. Larry Page und Sergey Brin, die Gründer von Google: Über ihre Suchmaschine laufen 90 Prozent aller Suchanfragen im Internet. Hinter der größten Handelsplattform steht der Amazon-Chef Jeff Bezos. Sie alle gehören zu den reichsten Menschen auf der Welt.
Der reichste Mann der Erde, Elon Musk, hat vor einem Jahr den Mikroblogging-Dienst Twitter gekauft und es inzwischen in X umbenannt. Diese Plattform wird von 350 Millionen Menschen weltweit als Nachrichten- und Meinungsportal genutzt. Seitdem hat Musk dort zeitweise die Accounts von Journalisten sperren lassen, die negativ über ihn berichtet haben. Als zweitgrößten Anteilseigner von X holte er sich die saudische Kingdom Holding ins Boot. Das ist einer der größten Fonds von Saudi-Arabien – einem Land, in dem Menschen der Tod droht, wenn sie auf Twitter von der Meinungsfreiheit Gebrauch machen.
Wie groß ist der Einfluss von sozialen Netzwerken?
Eine repräsentative Umfrage von Bitkom fand heraus, dass jeder zweite Befragte findet, dass soziale Medien ihre politische Meinung beeinflussen – und für fast 80 Prozent sind soziale Medien der schnellste Zugang zum aktuellen Weltgeschehen. Medienwissenschaftler Andree schreibt in seinem Buch "Big Tech muss weg!", die Plattformen seien über Jahrzehnte zu Monstern herangewachsen.
Andree zählt auf: "Sie haben ein Quasi-Monopol von Google auf dem Feld der Suchmaschinen. Sie haben ein Quasi-Monopol von Meta auf dem Feld der sozialen Medien. Alphabet (Google) besitzt YouTube, das sind 90 Prozent des Gratis-Bewegtbildes. Stellen Sie sich vor, man hätte 90 Prozent Marktanteil im Bewegtbild-Rundfunk, also im Fernsehen. Das wäre undenkbar." Den großen Firmen gehe es dabei vor allem um Gewinnmaximierung.
Wohin die Nutzer geleitet werden
Plattformen wie Instagram (gehört zu Meta) regeln, was die Nutzer sehen, verbieten aber laut Andree etwa Links zum Original und streichen die Werbegelder ein. Big Tech entscheidet über die mediale Grundversorgung. Wer etwa bei Google sucht, landet überproportional oft bei anderen Google-Plattformen.
Hinzu kommt: Die Unternehmen sorgen dafür, dass die Nutzer quasi süchtig nach ihnen werden. "Amazon ist genauso beliebt wie Süßigkeiten und Social Media. Auf Alkohol würden mehr als dreimal so viele Befragte verzichten wie auf Amazon", heißt es im "Amazon Shopper Report", den der Software-Anbieter Remazing gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Appinio veröffentlicht hat.
Das Problem mit den Daten
Diese Sucht nutzen die Unternehmen – und sammeln etwa Daten. "Interessant wird die Masse, und im Zweifelsfall interessiert sich ja auch ein Meta-Konzern gar nicht so spezifisch für mich", sagt Jochim Selzer vom Chaos Computer Club. "Sondern die wollen ja Werbung verkaufen. Das heißt, die versuchen, über jeden ihrer Kunden möglichst viel rauszufinden und ein möglichst genaues Profil zu finden." So könne etwa auch WhatsApp, was ebenfalls zum Meta-Konzern gehört, "allein aus der Tatsache, welche Leute in meinem Adressbuch stehen, wann ich mit wem wie lange gesprochen habe, eine ganze Menge Rückschlüsse ziehen."
Das müsse nicht per se ein Problem sein, aber bei bestimmten gesammelten Informationen könne es dann auch kritisch werden, so Datenschutzexperte Selzer: "Wenn ich in einer westdeutschen Großstadt homosexuell bin, kümmert sich da kein Mensch drum." Doch dieser Aspekt kann in einem anderen Kontext relevant werden. "Zum Beispiel bei der Einreise in Staaten, in denen Homosexualität unter Strafe steht, wie meinetwegen Saudi-Arabien." Ob diese Information abgerufen werden kann, sei zweitrangig. Es reiche erstmal, dass die Möglichkeit bestehe.
Das lukrative Geschäft mit dem Monopol – EU will Macht einschränken
Doch die Big-Tech-Unternehmen betreiben mit der Sammlung von Informationen über die Nutzer erstmal vor allem eines – ein äußerst lukratives Werbegeschäft. Die sechst größten Tech-Firmen auf der Welt machen über 1,4 Billionen Dollar Umsatz pro Jahr. Das ergibt eine Menge Macht und viele Möglichkeiten. So haben allein Google, Facebook, Amazon, Apple und Microsoft in den vergangenen 20 Jahren mehr als 1.000 Unternehmen geschluckt.
Die EU versucht gegen diese enorme Marktmacht mit mehreren Gesetzen vorzugehen – und ist damit weltweit Vorreiter. Der "Digital Service Act" etwa verpflichtet die Plattform-Betreiber hinter den Sozialen Medien, Falschinformationen oder illegale Bilder schneller zu löschen. Der "Digital Markets Act" will die wirtschaftliche Macht der Monopole beschneiden. Bei Nicht-Einhaltung drohen als Strafe bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Da bin ich gespannt, ob das wirklich zeitnah dann auch so Zähne zeigt.
"Die Regeln, die im Digital Markets Act getroffen sind, sind prinzipiell sinnvoll", sagt Professor Jan Krämer, der an der Universität Passau den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Internet- und Telekommunikationswirtschaft innehat. Doch die Kontrolle dafür aufzubauen sei komplex. "Und da bin ich gespannt, ob das wirklich zeitnah dann auch so Zähne zeigt, wie wir hoffen, dass es vielleicht Zähne zeigen könnte."
Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 21. November 2023 | 21:45 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/1fb2cedc-7c82-48f0-8e45-3b4891d1042f was not found on this server.