Innenansicht des Doms "Zum Heiligen Kreuz" in Nordhausen.
Mehr als eine halbe Million Menschen sind im vergangenen Jahr aus der katholischen Kirche ausgetreten. Bildrechte: MDR/F.-Ulrich Börner

Kirchen Katholische Bistümer haben 2022 mehr als 500.000 Mitglieder verloren

01. Juli 2023, 05:00 Uhr

Es war schon Mitte der Woche in den Medien: ein neuer Negativrekord. Im vergangenen Jahr sind mehr als eine halbe Million Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Menschen, die auch Kirchensteuer bezahlt haben. Was bedeutet das für die Gemeinden vor Ort?

Wenn Pfarrer Günter Christoph Haase an sein letztes Pfarrhaus im thüringischen Eichsfeld denkt, wird er traurig. 2016 wurde seine Gemeinde St. Cosmas und Damian aufgelöst – der Pfarrer musste aus dem Pfarrhaus in Geisleden ausziehen. Haase bekam eine neue Pfarrstelle im Eichsfeld. Aber: "Seitdem ist das Pfarrhaus quasi sich selbst überlassen, was mich persönlich schmerzt. Denn schon zu meiner Zeit gab es erhebliche Mängel." Eine ganze Wand mit defektem Fachwerk sei zu sanieren, aber es tue sich nichts. Aus seiner Sicht hat das auch damit zu tun, dass die katholische Kirche wegen der Austritte immer weniger Geld zur Verfügung habe.

Pfarrer rechnet mit noch mehr Kirchenaustritten

Neben den Missbrauchsfällen sieht Haase einen Grund für die Austritte darin, dass sich die Menschen die Kirchensteuer lieber sparen. Und das wirke sich dann eben auch auf die Investitionen vor Ort aus. Siehe Pfarrhaus in Geisleden. "Sicher wird da geguckt – wie, wann und ob überhaupt saniert wird."

Und es wird wahrscheinlich noch schwieriger. Die Prognose in Sachen Kirchenaustritten ist düster. Das zeigt zumindest die sogenannte Freiburger Studie, an der Fabian Peters von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mitgewirkt hat. Demnach wird sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 nochmal halbieren. Mit der Auswirkung: "Dass sich die Kirchen 2060 nur noch in etwa die Hälfte von dem leisten können, was sie heute an Ausgaben tätigen", so Peters.

Kirchen werden sich in Zukunft weniger leisten können

Gründe seien etwa Steigerungen bei Löhnen, Baupreisen, Inflation. Die größten Posten, die von der Kirchensteuer finanziert werden, sind laut Peters Personal und Immobilien. Letztere bieten auch aus Sicht des Bischofs von Görlitz, Wolfgang Ipolt, viel Potential zum Sparen. Man arbeite gerade an einem neuen Immobilienmanagement. "Viele Gemeinden haben Immobilien – Räume, kleine Häuser, die sie eigentlich nicht mehr brauchen, die aber manchmal viel Geld verschlingen."

Jetzt würden die Pfarreien gebeten, vor Ort hinzuschauen, welche Immobilien noch gebraucht würden. Erbpacht oder Verkauf wären hier die Möglichkeiten. Der Bischof sieht auch die positiven Seiten. "Das ist, glaube ich, auch eine gesunde Aufgabe. Denn auch eine Kirchengemeinde kann ja Räume nutzen, die zum Beispiel der Kommune gehören und dadurch auch in Kontakt kommen mit Nicht-Christen."

Bei Chören und Schulen soll nicht gespart werden

Gleichzeitig ist Bischof Ipolt ganz sicher, an welchen Stellen er nicht sparen will: an Angeboten, die es den Menschen vor Ort ermöglichen, zusammenzukommen – etwa bei der Bibel-Arbeit oder im Chor. Auch im Bistum Magdeburg stellt man sich schon jetzt auf weniger Geld ein, erklärt Generalvikar Bernhard Scholz. "Wir müssen erstmal schauen: Wo können wir überhaupt sparen. Da sind Dinge, die wir unbedingt aufrechterhalten wollen. Das sind zum Beispiel unsere Schulen. Wir haben als Bistum Magdeburg acht Schulen."

Man werde künftig aber weniger geben können als bislang. Das bedeute: weniger Zuschüsse an Vereine, Verbände, Einrichtungen – und letztlich auch weniger Geld für die Pfarreien vor Ort.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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