Kommentar Earth Day und Klimaschutz: Erst die Gesellschaft, dann die Eigeninitiative

22. April 2025, 16:17 Uhr

Der diesjährige Earth Day steht unter dem Motto "Du machst den Unterschied". Soll heißen: Jede und jeder Einzelne ist beim Umwelt- und Klimaschutz gefordert. In der großen Mitte der Gesellschaft, also bei den viel zitierten Leistungsträgerinnen und -trägern, Handwerkerinnen, Selbstständigen, Landwirten, sieht es aber derzeit überhaupt nicht danach aus, das zeigen aktuelle Untersuchungen: Klimaschutz ist für die meisten in Ordnung, solange er nicht das eigene Leben betrifft. Kein Wunder.

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Beim Zähneputzen nicht das Wasser laufen zu lassen, das Licht ausmachen und auch mal aufs Fahrrad statt ins Auto zu steigen – das dürfte mittlerweile, als eine Art bundesdeutsche Umwelt-DNA, für die meisten gelernte Selbstverständlichkeit sein. Und weniger ein heldenhaftes Klimaschutz-Unterfangen. Kein Wunder: Wasser und Strom abzudrehen, spart Geld und eine Runde mit dem Rad die Monatskarte für Fitness- und Pilates-Club.

Echter Klimaschutz heißt aber in vielen Fällen Verzicht: auf den Verbrenner. Die Gasheizung. Fleisch. Langstreckenflüge. Konsumgüter sowieso. Die große Gegenleistung – ein auskömmliches Klima auf dem Heimatplaneten – winkt erst Jahrzehnte später. Und so zweifelt das Rückgrat der Gesellschaft, die bürgerliche Mitte, die je nach Eingrenzung ein gutes Viertel der Deutschen ausmacht, nicht am Klimawandel, sondern an der Art und Weise, wie Klimaschutz fabriziert wird. Empfunden als, unterm Strich, Bedrohung des hart erarbeiteten Wohlstands.

Diese Haltung ist zutiefst menschlich. Und trotz der Maßgabe, im Kleinen zu beginnen, kein individuelles Versagen. Sondern der Beweis, dass unsere Gesellschaft im Krisenmodus immer noch nicht so richtig funktioniert. Ihre Aufgabe – allen voran die der Politik – ist es nicht nur, die richtigen klimapolitischen Entscheidungen zu treffen, also einen CO2-Preis festzulegen oder möglichst sozialverträglich zu verhindern, dass aus der Zeit gefallene Heizungsysteme weiterhin munter in Häuser eingebaut werden. Sondern den Menschen im Land klarzumachen, dass wir jetzt mal Tacheles reden müssen und ein "Weiter so" einfach nicht drin ist.

Statt dabei endzeitliche Szenarien auszumalen, tun wir gut daran, Umwelt und Klima als etwas Erhaltenswertes zu erzählen. Klimaschutz bedeutet Sicherheit, Lebensqualität, Heimatschutz – und letztendlich auch Wohlstand. Diese Lesart dürfte insbesondere in der Mitte der Gesellschaft ganz gut ankommen, denn konservativ kommt nicht umsonst von konservieren, also bewahren. Ist das erstmal klar, klappt es auch besser mit der Eigeninitiative. Nicht nur beim Zähneputzen.

Dieses Thema im Programm: ARD Audio | NDR Info | 22. April 2025 | 17:00 Uhr

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