Leipzig und Erfurt Wie die "Mietwucher-App" hilft, gegen überhöhte Mieten vorzugehen
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10. Januar 2025, 12:03 Uhr
Mietwucher ist in Deutschland schon lang verboten und kann theoretisch empfindliche Strafen nach sich ziehen. Trotzdem wird er kaum verfolgt. Die Linkspartei will das mit ihrer Mietwucher-App ändern. Die hilft dabei, herauszufinden, ob man zu viel Miete zahlt und gegebenenfalls Anzeige zu erstatten. Warum das vielleicht trotzdem nicht reicht.
- Wie die "Mietwucher-App" der Linken funktioniert und wer sie benutzen kann.
- So stark sind die Meldungen von Mietwucher in Leipzig und Erfurt angestiegen.
- Warum es so schwierig ist, gegen Mietwucher vorzugehen.
- Was der Mieterbund Mietern und Mieterinnen rät.
Das Sozialamt der Stadt Leipzig hat derzeit ungewohnt viel Arbeit mit Anzeigen von Mietwucher. Rund 260 Meldungen sind dort in den letzten zwei Monaten eingegangen. Das teilte das Amt auf Anfrage von MDR AKTUELL mit. Grund dafür ist die "Mietwucher-App", die die Bundestagsgruppe der Partei Die Linke programmiert und Mitte November online gestellt hat.
Von Mietwucher ist umgangssprachlich die Rede, wenn eine Miete mindestens 20 Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten liegt. Dem Vermieter droht dann ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Wird die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 Prozent überschritten, kann sogar eine Straftat vorliegen, die theoretisch mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden könnte. In beiden Fällen haben Mieter Anspruch auf eine Senkung ihrer Miete und Rückzahlung der zu viel gezahlten Miete. Geregelt ist das in Paragraph 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches.
Wie funktioniert ein Mietspiegel?
Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird nach der gesetzlichen Definition aus den üblichen Entgelten gebildet, die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten sechs Jahren vereinbart oder geändert worden sind.
Der Mietspiegel ist eine wichtige Informationsquelle bei der Anwendung der sog. Mietpreisbremse. Dies gilt in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, die im Einzelnen von den Ländern festgelegt werden. In diesen Gebieten darf die zulässige Wiedervermietungsmiete die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens 10 Prozent überschreiten.
Quelle: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
"Mietwucher-App": Mieten bei zwei Dritteln der Abfragen überhöht
Mit der "Mietwucher-App" können Mieter überprüfen, ob das bei ihrer Miete der Fall ist – aktuell aber nur in acht Städten: Berlin, Hamburg, München, Dortmund, Freiburg, Hannover – und in Leipzig und Erfurt.
Dafür müssen Mieter auf der Webseite ihre Stadt auswählen und dann einige Fragen zu ihrer Wohnung beantworten. Am Ende schätzt die App ein, ob Mietwucher vorliegen könnte. Ist dem so, kann man das per Knopfdruck an das Sozialamt der Stadt melden und dieses muss ermitteln. Wer in einer anderen Stadt wohnt, kann schauen, ob die Kommune oder ein lokaler Mieterverein einen Mietspiegelrechner anbieten, mit dem man ebenfalls herausfinden kann, ob man zu viel Miete zahlt.
Am allerliebsten würden wir das für das gesamte Land anbieten.
Caren Lay, mieten- und wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag sagt dazu: "Am allerliebsten würden wir das für das gesamte Land anbieten." Dem steht wohl aber auch die Verfügbarkeit der nötigen Daten im Wege.
Lay zufolge kann eine Kommune nur dann in die App aufgenommen werden, wenn diese einerseits einen Mietspiegel hat und andererseits öffentlich zugängliche Daten über die Wohnlagen vorliegen. "Einige Kommunen bieten die bei ihrem öffentlichen Online-Angebot an. Bei anderen müssen die erst erfragt werden und bei manchen Kommunen liegen sie auch nicht in dem Format vor, das man für die Programmierung braucht."
Bis zum 9. Januar ist die App nach Angaben der Linkspartei bundesweit rund 54.600 Mal genutzt worden. Bei etwa 70 Prozent der Abfragen seien die Mieten vermutlich um mindestens 20 Prozent überhöht, bei 40 Prozent der Abfragen seien die Mieten offenbar mindestens 50 Prozent überhöht.
Erfurt: Vor Mietwucher-App keine einzige Meldung
In der Stadt Erfurt, die am 19. Dezember 2024 aufgenommen wurde, sei die App bisher rund 960 Mal genutzt und 15 Meldungen zu Mietwucher an das Sozialamt gemacht worden, sagt Lay. Bei diesen Meldungen sei mit einer durchschnittlichen Miete vom 10 €/qm die ortsübliche Vergleichsmiete um 85 Prozent überschritten worden.
Toni Schellenberg, Leiter des Sozialamtes in Erfurt, teilte auf Anfrage von MDR AKTUELL mit, dass bei ihnen bisher 12 Meldungen eingegangen seien. In den fünf Jahren zuvor sei es keine einzige gewesen. Aufgrund der bestehenden Rechtssprechung seien die Erfolgsaussichten jedoch gering.
Leipzig: Mieter müssen sich auf Hausbesuch einstellen
Leipziger können in der App schon seit Mitte November ihre Mieten prüfen. Lay zufolge wurde die App bis dato etwa 5.000 Mal genutzt und es habe mehr als 300 Meldungen von Mietwucher an das Sozialamt gegeben.
Dem Sozialamt in Leipzig sind nach eigenen Angaben bisher 263 Meldungen über die Mietwucher-App bekannt. Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilte eine Sprecherin mit, dass es in den fünf Jahren zuvor nur eine einzige Meldung gegeben habe. Diese werde noch geprüft.
Wie die Erfolgsaussichten der Mietwucher-Meldungen über die App sind, sei noch unklar, teilte das Sozialamt Leipzig mit. Weiterhin hieß es, die Mieterinnen hätten eine Eingangsbestätigung erhalten und würden weitere Angaben zum Mietvertrag und zur Miethistorie machen müssen. Zudem würden aller Voraussicht nach Vor-Ort-Termine in den Wohnungen der Mieter erfolgen.
Warum Mietwucher in den meisten Städten nicht wirksam verfolgt wird
Das Sozialamt in Erfurt geht also davon aus, dass man keinen Erfolg dabei haben werde, die gemeldeten potenziellen Fälle von Mietwucher zu ahnden und begründet dies mit der vorliegenden Rechtssprechung.
Damit bezieht sich das Amt auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs. Darin wurde festgesetzt, dass Mieter für die Ahndung von Mietwucher erstmal nachweisen müssen, dass der Vermieter eine Zwangslage ausgenutzt hat. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, sagt, genau dieser Nachweis sei in der Praxis sehr schwer durchführbar. "Und das macht diesen Paragraphen im Prinzip zu einem stumpfen Schwert."
Dass Mietwucher trotz der Rechtssprechung geahndet werden kann, zeigt die Stadt Frankfurt am Main. Dort wurden einem Bericht von rbb24 zufolge zwischen 2020 und 2022 fast 1.400 Verfahren gegen Mietwucher geführt und Bußgelder in Höhe von 321.000 Euro festgesetzt. Betroffene Mieterinnen und Mieter erhielten 419.000 Euro von ihren Vermietern zurück. Dass das möglich ist, liegt Weber-Moritz zufolge auch daran, dass die Stadt vergleichsweise viel Personal dafür aufwendet.
Letztlich bräuchte es zwei Dinge, um Mietwucher in ganz Deutschland wirksam zu verfolgen, sagt Weber-Moritz: "Eine Reform des Wucherparagraphen und zum anderen müssten die Kommunen auch tatsächlich deutlich mehr Personal und Ressourcen in die Ahndung von Wucher-Fällen stecken."
Was Mieter bei überhöhten Mieten tun sollten
Die Mietwucher-App der Linken hält Weber-Moritz für ein gutes Instrument, um zu zeigen, wie weit verbreitet Mietwucher ist. "Sie hilft Mieterinnen und Mietern auf jeden Fall festzustellen, ob eine Wuchermiete vorliegt und sie hilft, diese Fälle an die zuständigen Wohnungsämter weiterzumelden."
Die App sei dennoch erstmal nur eine Bestandsaufnahme und noch nicht der Schritt, um die Vermieter in die Verantwortung zu nehmen, sagt Weber-Moritz. "Wenn sich die Wohnungsämter melden sollten, kann man immer noch schauen, was man jetzt tut." Es läge dann bei den Mietern und Mieterinnen, inwieweit sie mit dem Amt kooperieren und welche Daten sie herausgeben.
Mietern, die feststellen, dass ihre Miete deutlich überhöht ist, rät Weber-Moritz in jedem Fall, sich von einem Mietrechtsexperten oder einer Mietrechtsexpertin beraten zu lassen. Das könne zum Beispiel der örtliche Mieterverein sein.
MDR (ewi)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 12. Januar 2025 | 21:45 Uhr