Ein Transparent von einer pro-palästinensischen Gruppe hängt am Audimax der Universität Leipzig.
Audio: Laut dem Antisemitismusbeauftragten der Uni Leipzig mischten sich in die Proteste immer wieder klassische antisemitische Narrative. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Nach Hörsaal-Besetzung Antisemitismus-Beauftragter: Propalästinensische Uni-Proteste oft antisemitisch

10. Mai 2024, 20:42 Uhr

Der Konflikt im Nahen Osten ist nun auch an deutschen Hochschulen angekommen. Sowohl in Leipzig als auch Berlin wurden Protestcamps von propalästinensischen Unterstützern geräumt. In Berlin widersprachen Lehrende dem Polizeieinsatz an der Freien Universität und stellten sich hinter die protestierenden Studierenden. Das wiederum kritisiert der Hochschulverband. Laut Antisemitismusbeauftragtem der Uni Leipzig mischen sich in die Proteste immer wieder klassische antisemitische Narrative.

Im Zuge der Besetzung deutscher Universitäten durch propalästinensische Aktivisten hat der Antisemitismusbeauftragte der Universität Leipzig, Gert Pickel, die Proteste kritisiert. Er sagte MDR AKTUELL, dass bei derartigen Protesten immer wieder klassische antisemitische Erzählungen aufgenommen würden. Diese würden unter anderem stark von der Hamas geprägt.

Pickel erläuterte, er halte Proteste prinzipiell für legitim und richtig, jedoch werde es problematisch, wenn sie in antisemitische Erzählungen übergingen oder eine Übertragung auf alle Juden und Jüdinnen stattfände.

Auch der Hochschulverband kritisierte die Besetzungen von Universitäten durch propalästinensische Aktivisten. Dem Verbandspräsident Lambert T. Koch zufolge seien Universitäten Orte differenzierter geistiger Auseinandersetzungen, aber "keine Orte für gewaltsame und aus dem Ruder laufende Proteste".

Der Verband sieht die Grenze zum Antisemitismus überschritten. "Was wir im Moment sehen, ist, dass es ein fließender Übergang ist von anti-israelischen Haltungen, Protesten gegen die Politik der israelischen Regierung hin zu antisemitischen Haltungen. Das ist nicht akzeptabel."

Lehrkräfte kritisieren Räumungen von Protestcamps an Unis

Die Debatte um die Proteste an deutschen Universitäten hatte in den letzten Tagen an Schärfe zugelegt. Lehrkräfte und Studierende der FU Berlin kritisierten die Räumung der Protestcamps. In einem Statement schrieben etwa 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen: "Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, was auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt."

Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) kritisierte daraufhin die Unterstützung von Hochschuldozenten für die jüngsten propalästinensischen Proteste. Sie verstehe, dass sich viele Hochschullehrende um ihre Universitäten sorgen, sagte sie im RBB-Inforadio. Das sei legitim. Jedoch stimme die Grundthese dieses Briefes schon nicht. "Wir haben es nicht mit friedlichem studentischem Protest zu tun." Es habe von Anfang an verbotene Parolen, Hetze und erhebliche Sachbeschädigung gegeben.

Kritik an den Uni-Besetzungen kommt auch aus den Reihen der Studierenden. Der Verband "Freier Zusammenschluss von Student*innenschaften" (fzs) warnte vor einer weiteren Radikalisierung der Besetzer.

Propalästinensische Protestcamps an Uni Leipzig und FU Berlin

Auch das Protestcamp auf dem Innenstadtcampus der Universität Leipzig war nach der Besetzung des Audimax durch propalästinensische Aktivisten am Dienstag geräumt worden. Laut Polizei hatte ein Dutzend Menschen den Hörsaal besetzt, 50 bis 60 Unterstützer fanden sich auf dem Innenhof ein. Die Unterstützer blockierten die Türen des Audimax, worauf hin die Polizei auf die Bitte der Unileitung das Gebäude räumen ließ.

Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften forderte das Rektorat auf, das Audimax und das Protestcamp sofort räumen zu lassen. Sie sahen die Sicherheit von jüdischen und israelischen Studierenden und Mitarbeitenden gefährdet.

Die Rektorin Eva Inés Obergfell verurteilte die Besetzung. Zwar halte sie Proteste und Demonstrationen grundsätzlich für legitim, "solange sie das Ziel der Information und Verständigung verfolgen. Eine gewaltsame Störung des Lehrbetriebs und Inbesitznahme universitärer Räumlichkeiten dulden wir nicht. Es war Gefahr in Verzug für die Sicherheit aller Studierenden und Lehrenden."

Protest in den USA

In den USA protestieren seit Wochen Studierende teils massiv gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen. Dabei eskalierte die Situation an vielen Unis, als propalästinensische und proisraelische Demonstrierende aneinandergerieten.

Die Demonstranten fordern von den Universitäten, ihre finanziellen und wirtschaftlichen Verbindungen nach Israel zu kappen. Israel-Unterstützer haben antisemitische Vorfälle während der Uni-Proteste angeprangert.

MDR/dpa/epd(lmb)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. Mai 2024 | 16:46 Uhr

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