Museumsbefragung Wie die Museen in Mitteldeutschland ihr kulturelles Erbe bewahren
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13. August 2024, 03:00 Uhr
Viele Kunstmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betrachten den Erhalt des kulturellen Erbes als eine ihrer Kernaufgaben. Das hat eine Museumsbefragung von MDR KULTUR ergeben. Doch die Häuser berichten teils auch von großen Herausforderungen bei dieser Aufgabe, etwa beim Restaurieren. Außerdem fehlt es vielen Museen an Depot-Kapazitäten.
- Viele Museen in Mitteldeutschland sehen es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, ihre Objekte zu restaurieren und zu konservieren.
- Restaurationen sind oft sehr kompliziert, wie das Beispiel einer kleinen Statue zeigt, die die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden restauriert haben.
- Zudem gaben in der MDR-Befragung viele Museen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt an, dass sie neue Depots benötigen.
Der Erhalt des kulturellen Erbes gehört zu den Kernaufgaben jedes Museums. Das zeigt auch die MDR KULTUR-Museumsbefragung: Darin gaben 62 Prozent der teilnehmenden mitteldeutschen Häuser an, dass sie darin eine ihrer wichtigsten Aufgaben sehen.
Zum Erhalt des kulturellen Erbes gehört neben der Restaurierung auch die Konservierung sowie das nicht nur in Mitteldeutschland leidige Thema der Depots. Fast alle Museen in der Region brauchen ein neues.
Kernaufgaben des Museums
Anika Reineke, Kuratorin der Chemnitzer Textil- und Kunstgewerbesammlung, klärt zunächt das Grundsätzliche: "Die Museen haben fünf Kernaufgaben: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Bewahren bedeutet aber nicht nur Restaurieren, wenn etwas an den Werken defekt ist. Wichtiger ist noch das Konservieren, also die Objekte so zu lagern und in einen Zustand verbringen, dass sie lange überleben werden."
Bewahren bedeutet nicht nur Restaurieren, wenn etwas an den Werken defekt ist. Wichtiger ist noch das Konservieren.
Kleine Tänzerin von Edgar Degas wieder hergestellt
Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums, zaubert beim Interview eine restauratorische Großtat von 2023 aus dem Ärmel: Edgar Degas' "Kleine Tänzerin". Der Maler wurde Ende des 19. Jahrhunderts berühmt für seine Ballerinen, die er an der Opéra Garnier in Paris malte. Zudem fertigte er eine Bronzeplastik in 29 Abgüssen, heute weltweit über den Globus verteilt. Das Albertinum hat eine.
Hier in Dresden verwendete man eine 'Dederon'-Gardine als Tutu. Leider hatte sich dieses Material in seine chemischen Bestandteile zersetzt und die Oberfläche der Bronze beschädigt.
Die Restaurierung drehte sich auch um das Tutu, mit dem Degas seine Figuren ergänzte. "Keiner weiß, wie dieses Tutu aussah", erzählt Wagner. "Und so hat es jeder so gestaltet, wie er wollte, und hier in Dresden verwendete man eine 'Dederon'-Gardine. Leider hatte sich dieses Material in seine chemischen Bestandteile zersetzt und die Oberfläche der Bronze beschädigt." Damit sei es zum großen Restaurierungsprojekt für die Metallrestauratorin geworden, so Wagner – verbunden mit der Frage, wie das zu ersetzende Tutu aussehen soll. Bei der aktuellen Restaurierung wurde nun Tüll verwendet.
Neue Depots für mitteldeutsche Museen
Restaurierung kostet Geld, Sponsoren zu finden ist schwer – und was ist noch schwerer? Ein neues Depot zu bekommen! Die alten sind zu klein. Manche Museen in Mitteldeutschland erhalten in den nächsten zehn Jahren tatsächlich eines. "Wir werden dann endlich ein Depot haben, denn momentan haben wir nur so etwas wie Depots – Interimsdepots", hält sich Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle, noch bedeckt zum neuen Depot.
Auch das Lindenau-Museum in Altenburg bekommt im Zuge seiner Generalsanierung eines, das Leipziger Bildermuseum hätte gerne ein zentrales Depot. Direktor Stefan Weppelmann sagt: "Wir müssen für die städtischen Museen in Leipzig nach einer guten Strategie suchen, wie man vielleicht zentral nach einer guten Magazinierung suchen kann."
Ein Schau-Depot in einer Basketball-Halle?
Auch die Chemnitzer Kunstmuseen brauchen ein neues Depot, betont Generaldirektorin Florence Thurmes: "Es schwebt hier gerade das Gerücht herum, dass man eine Kultur-Sporthalle für die Basketball-Bundesliga-Mannschaft der 'Niners' bauen will, und da könnte ich mir ein Depot, ein Schau-Depot, auch sehr gut vorstellen. Auch um ein Verständnis zu erzeugen, wie wichtig das ist und wie akribisch da gearbeitet wird, wenn wirklich ein Gemälde restauriert wird."
Rudolf Hiller von Gaertringen, Kustos der Universität Leipzig, unter anderem in einer Restaurierungswerkstatt ausgebildet, wacht wiederum über den Kunstschatz der rund 600 Jahre alten Universität, wie über das Raumklima im Paulinum am Augustusplatz.
Dass dies gar zum Streit werden kann, erfuhr Hiller bei der hölzernen, barocken Kanzel aus der alten Paulinerkirche. Aus konservatorischen Gründen kam sie nicht ins Paulinum. Manche sahen darin Willkür.
Hiller will nun die Leipziger mit neuen Einsichten zu ihrem geliebten Fürstenhauserker in der Grimmaischen Straße erfreuen – mit einer Sonderschau Ende des Jahres. "Dort sind wundersamer Weise vor etwa zehn Jahren die Originalfragmente des Erkers wieder aufgetaucht", erzählt er. "Die Rekonstruktion ist stadtbekannt, in der Grimmaischen Straße, über einer Eisdiele – aber von dem Gebäude gegenüber, von dem sie eigentlich stammten, weiß kaum einer in Leipzig." Das wird sich nun ändern. Denn Forschen und Bewahren sind nun einmal die Kernaufgaben von Museen.
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann)
Redaktionell Bearbeitung: op
Hinweise zur Museumsbefragung 2024
MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 34 mittelgroßen und großen Kunst- und Kulturmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die eine eigene Kunstsammlung besitzen, befragt. 26 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Umfrage unter der MDRfragt-Community fand vom 5. bis 12. Juli 2024 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 19.056 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.