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Befragung Academixer bis Zwickmühle: Wie geht es unseren Kabaretts?
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Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben eine reiche Kabarett-Landschaft. Viele Ensembles pflegen eine lange Tradition, die bis in die DDR-Zeit reicht. Kabaretts sind Orte, an denen gesellschaftliche Debatten, politische Themen und Alltagsphänomene unterhaltsam verhandelt werden. Sie helfen der Meinungsbildung mit einem Augenzwinkern. MDR KULTUR hat Kabaretts befragt, wie es ihnen geht. Auch potenzielle Besucher wurden um ihre Meinung gebeten. Die Antworten im Überblick.
- Das Thema Meinungsfreiheit beschäftigt Kabaretts sehr.
- Kabaretts wollen finanziell unabhängig sein – doch das ist gar nicht so leicht.
- Politische Satire und die Auseinandersetzung mit dem Alltag sind die wichtigsten Themen des Kabaretts heutzutage.
- Viele Kabaretts sind bei Social Media aktiv – "Content Creator" sehen sie dort nicht als Konkurrenz.
Die MDR KULTUR Kabarettbefragung 2025 ging an alle Kabaretts mit einem eigenen Ensemble. Das trifft in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf 16 Häuser zu. Fast alle (15) von ihnen haben teilgenommen. Die Kabarettbefragung entstand in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland. MDRfragt hat auch seine Community befragt, wie sie auf heutiges Kabarett blickt. An dieser Befragung haben sich gut 12.000 Menschen beteiligt.
Diese Kabaretts haben teilgenommen (zum Aufklappen)
Sachsen:
- Herkuleskeule Dresden
- Chemnitzer Kabarett
- Leipziger Pfeffermühle
- Academixer
- Centralkabarett
- Theater am Wettiner Platz/FriedrichsstaTT Palast (ehem. "Breschke und Schuch")
Sachsen-Anhalt:
- Magdeburger Zwickmühle
- "Nach Hengstmanns" Magdeburg
- Theater in der grünen Zitadelle Magdeburg
- "Die Kiebitzensteiner" Halle
- Clack Theater Wittenberg
Thüringen:
- Nörgelsäcke Gößnitz
- Arche Erfurt
- Geraer Fettnäppchen
- Weimarer Kabarett
Wie frei kann man sich im Kabarett äußern?
Eines der wichtigsten und auch umstrittensten Themen der Kabarettbefragung von MDR KULTUR war die Meinungsfreiheit. Haben Kabarettisten den Eindruck, sich in ihren Programmen in irgendeiner Art und Weise zurückhalten zu müssen? Gibt es Themen, die sie besser nicht verhandeln sollten? Das Ergebnis: Keines der befragten Kabaretts ist der Meinung, sich nicht frei äußern zu können – aber einige (20 Prozent) fühlen sich durchaus eingeschränkt.
Das sagen die Profis in puncto freie Meinungsäußerung. Parallel dazu wurde die MDRfragt-Gemeinschaft stellvertretend für Privatpersonen gefragt: Haben Sie hin und wieder das Gefühl, Ihre Meinung nicht frei äußern zu können? Da sieht das Ergebnis anders aus: Zwei von drei Befragten (64 Prozent) haben aktuell den Eindruck, zumindest ab und an die eigene Meinung nicht frei äußern zu können. Jeder und jede Dritte dagegen teilt diesen Eindruck nicht (35 Prozent).
Anke Geißler vom Leipziger Kabarett academixer sagte im Gespräch bei MDR KULTUR, sie könne es nachvollziehen, wenn Menschen im Alltag Angst hätten, ihre Meinung zu sagen. Seit der Corona-Pandemie habe sich der Ton und die Konfliktführung verschärft, sodass viele davor zurückschreckten, sich frei zu äußern. "Rein theoretisch könnten sie das tun, aber sie müssen mit einem saftigen Echo rechnen und das kann schon dazu führen, dass man sich lieber zurückhält."
Das sei auf der Bühne bei bestimmten Themen nicht anders, erklärte die Kabarettistin. "Vor manchen Sachen hat man vielleicht auch bisschen mehr Respekt und lässt Dinge dann aus." Doch in der Theorie dürfe man sich im Kabarett nach wie vor frei äußern. "Von Gesetzes wegen hat sich da nichts geändert. Aber der Scharfrichter sitzt im Volk." Es könne immer passieren, dass sich jemand im Publikum beleidigt fühlt. Dann komme es in Ausnahmefällen auch zu Beschimpfungen. Das sei vor allem in Sozialen Medien ein Problem.
Unabhängiges Kabarett kostet Geld
Kabaretts brauchen Freiheit. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, auch wirtschaftlich unabhängig zu sein. Spenden, Sponsoring, öffentliche Förderung und andere zusätzliche Einnahmequellen spielen bei den Kabaretts in Mitteldeutschland deshalb nur eine untergeordnete Rolle. Die Häuser geben an, ein großer Prozentsatz ihrer Finanzierung komme über Eintritte zustande. Keine leichte Situation in Zeiten, in denen Kultur immer teurer wird und das Publikum sehr genau auswählt, was es sich noch leisten möchte.
Befragt nach ihrer finanziellen Situation im Vergleich zur Vergangenheit, wird in der Befragung klar: Die Mehrzahl der Kabaretts verfügt aktuell offenbar über weniger Geld als früher. Insgesamt acht Häuser – und damit eine knappe Mehrheit von 53 Prozent – geben an, ihre finanzielle Situation habe sich im Vergleich zu 2000 verschlechtert; nur bei einem Drittel der befragten Kabaretts (27 Prozent) ist sie besser geworden. Im Vergleich mit 2019, also vor der Corona-Pandemie, ist die finanzielle Situation bei sechs Häusern (40 Prozent) schlechter geworden; bei einem von fünf Kabaretts hat sich die finanzielle Situation positiv entwickelt und bei einem Drittel der befragten Häuser ist sie gleichgeblieben.
Leidet Kabarett an Überalterung?
"Was hat hundert Beine und drei Zähne? – Die erste Reihe im Kabarett!" Ein Klischee, sagen die Kabarettbetreiber in Mitteldeutschland. Nur einige von ihnen bemerken eine Überalterung ihres Publikums (40 Prozent). Aber alle sind sich einig: Wenn das Durchschnittsalter ansteigt, kann das die Existenz des Kabaretts bedrohen. 12 Häuser (80 Prozent) gaben an, dass sie versuchen, gezielt jüngere Menschen für ihr Programm zu begeistern. Nur zwei der befragten Häuser machen das nicht.
Die mitteldeutschen Kabaretts geben bei der Befragung allerdings an, dass die Zuschauerzahlen eher abnehmen. Allerdings gab es bei den einzelnen Häusern da offenbar unterschiedliche Entwicklungen. Beim Vergleich mit dem Jahr 2000 hält es sich noch etwa die Waage: Jeweils ungefähr gleich viele Kabaretts antworten, dass die Zuschauerzahlen zugenommen, abgenommen oder gleich geblieben sind. Das sieht mit Blick auf die Entwicklung seit der Corona-Pandemie anders aus: Verglichen mit 2019 geben 40 Prozent der Kabaretts an, weniger Zuschauer zu haben, 33 Prozent zählen mehr und bei 20 Prozent sind die Zuschauerzahlen ähnlich wie vor der Pandemie.
Politik neben Comedy und Musik Top-Thema
In ostdeutschen Kabaretts hat die sogenannte "Ensemble-Spielweise" eine lange Tradition. Dabei stehen mindestens zwei Personen auf der Bühne und performen. Wir wollten von den Kabaretts wissen, inwiefern das für auch 2025 noch eine passende Form ist – und welche Themen sie 2025 vorrangig in ihren Programmen verhandeln. Demnach nehmen politisches Kabarett, Comedy und Musik-Kabarett den größten Teil des Spielplans ein.
Kabaretts sehen sich nicht als diejenigen, die Missstände anprangern müssen. Als ihre wichtigsten Aufgaben sehen sie politische Satire, die differenzierte Betrachtung von Themen und die humorvolle Auseinandersetzung mit dem Alltag.
Das stimmt mit den Bedürfnissen des Publikums überein. Eine große Mehrheit der Befragten aus der MDRfragt-Gemeinschaft erwartet bei Kabarett-Besuchen eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Alltag (75 Prozent). Auch politische Satire wird bei den Erwartungen vergleichsweise oft genannt (72 Prozent).
Social Media wie Tiktok und Instagram keine Konkurrenz
In den Sozialen Medien kann mittlerweile jeder "Content kreieren" – viele Laien sind erfolgreich mit lustigen Reels bei TikTok oder Instagram. Über Facebook, Instagram oder YouTube kann heute fast jede und jeder auf die eigene (Klein-)Kunst aufmerksam machen. Wir wollten wissen: Wie stehen Profi-Kabarettisten dazu?
Das Ergebnis: Social-Media wird eher als Chance und weniger als Bedrohung für die eigene Arbeit empfunden. Die festen Häuser mit ihren Ensembles empfinden das aber mehrheitlich nicht als eine Gefahr für die Arbeit von professionellen Kabarettmachern (73 Prozent). Nur jedes vierte Haus (27 Prozent) hat den Eindruck, dass damit die Arbeit der Kunstschaffenden schwieriger wird.
Ihre eigenen Kanäle auf Insta, Facebook und Co. nutzt die ganz große Mehrheit der Kabaretts, um für sich zu trommeln. Für eine Mehrheit der Häuser spielt dabei auch der Dialog mit dem Publikum eine Rolle. Acht Kabaretts versuchen, mit ihren Kanälen gezielt jüngere Publikumsschichten anzusprechen.
Hinweise zur Kabarettbefragung 2025
MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 16 festen Kabaretthäuser mit eigenem Ensemble in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragt. 15 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Befragung der MDRfragt-Gemeinschaft fand vom 14. bis 17. Januar 2025 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 12.197 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.
Quelle: MDR KULTUR (Ilka Hein, Anne Sailer, Philipp Lakomy, Ben Hänchen), MDRfragt
Redaktionelle Bearbeitung: bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 10. Februar 2025 | 07:10 Uhr