Bombardierung am 13. Februar 1945 Dresdner Komponist erinnert mit "Requiem A" an Zweiten Weltkrieg
Hauptinhalt
09. Februar 2025, 04:00 Uhr
Sven Helbig hat mit "Requiem A" eine eigene Trauermusik für Dresden geschrieben, die an die Bomardierung im Zweiten Weltkrieg erinnern, aber auch Denkanstoß sein soll. Am Sonntag, den 9. Februar, wird das Werk von der Sächsischen Staatskapelle, dem Kreuzchor und Opernstar René Pape in der Kreuzkirche uraufgeführt.
- Sven Helbig hat eine neue Trauermusik für Dresden geschrieben, um mit aktuellem Blick der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zu gedenken.
- Krieg sei heute wieder Teil des Alltags geworden, er sieht es als große Verantwortung, an die "Bestie im Menschen" zu erinnern.
- Entstanden ist ein Gesamtkunstwerk für Orchester und Chor, mit Sologesang, elektronischen Sounds und Videokunst.
In Dresden soll am Sonntag erstmals ein neukomponiertes Requiem an die Zerstörung Dresdens vor 80 Jahren erinnern. Das "Requiem A" wird von der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem Kreuzchor und Opernstar René Pape uraufgeführt. Komponist Sven Helbig blickt dem Konzert mit Aufregung entgegen, sagte er im Gespräch mit dem MDR.
Neue Musik für Gedenken in Dresden
Traditionell ist in Dresden zum Gedenken an die Bombardierung am 13. Februar 1945 das Requiem des ehemaligen Kreuzkantors Rudolf Mauersberger zu hören, eine Trauermusik für eine zerstörte Stadt. Sven Helbigs neues, zeitgemäßes Stück "Requiem A" dreht sich nun ebenfalls um Trauer, aber auch um Aufbau und den Anfang von etwas Neuem, dafür stehe das A im Titel, erklärte er dem MDR.
Eine Dresdner Ärztin habe einmal auf die Frage, wie sie mit dem Tod von Patienten umgehe, gesagt, man könne nicht immer mitsterben, so Helbig. Und so sehe er das auch: Der Tote brauche ja die Lebenden, um ihn zu betrauern und ihm zu gedenken. "Und ich dachte, ich stelle mich mal dem Übergang der Trauer, dem Ende, wie kommt man da raus, wie kommt man wieder ins Leben, in so ein anderes Gefühl." Die Musik eröffne einen Raum, über solche Dinge nachzudenken.
Und jetzt haben wir diesen 80. Jahrestag Ende Zweiter Weltkrieg und können schon gar nicht mehr sagen: Frieden in Europa. Das hat mich bewegt.
Krieg ist in Europa zurück im Alltag
Helbig hat viel mit seinem Großvater über den Krieg gesprochen. Er ist heute 98 Jahre alt, lebt in Eisenhüttenstadt und sei der Einzige in seinem Umfeld gewesen, der vom Krieg erzählt hat, so der Komponist. "Viele Jahre war er stumm zu dem Thema, weil er mit 16 oder 17 auch noch an die Front musste und gesehen hat, wie seine Kameraden da umgekommen sind. Und jetzt reden wir jeden Tag darüber."
Das kann man immer wieder entfesseln, dieses Grauen, und man muss dafür sorgen, dass die Situation nicht entsteht – und das ist die Verantwortung.
Krieg präge wieder die Nachrichten, die Politik, käme näher und sei Teil des Alltags geworden, so Helbig. Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist 80 Jahre her, aber von Frieden in Europa könne man heute nicht wirklich sprechen. "Und das hat mich bewegt." Nach der Wende, mit dem Ende des Kalten Krieges, habe Helbig gedacht, nun sei es vorbei. "Dann kam der Euro, es öffnete sich alles, ich konnte nach New York gehen, Musik studieren. Die Neunziger haben sich angefühlt wie ein großes Freudenfest und jetzt fühlt sich alles so ungeheuer schwer an, jeden Tag das zu hören, zu ertragen und zu durchdenken." So habe er dann angefangen, die ersten Stücke für sein Requiem zu schreiben.
Musik für Erinnerung und Verantwortung
"Das kann man immer wieder entfesseln, dieses Grauen, und man muss dafür sorgen, dass die Situation nicht entsteht und das ist die Verantwortung", so Helbig. Mit einem Abstand von vier bis fünf Generationen werde es ganz schwer, die Trauer von damals immer wieder empathisch nachzuempfinden.
Das waren nicht Wahnsinnige damals, sondern das waren wir.
"Aber eine Verantwortung hat man dennoch: Weil das waren nicht Wahnsinnige damals, sondern das waren wir. Und das schlummert in allen Gesellschaften, in allen Menschen." Es sei wichtig, an der Geschichte immer wieder stehen zu bleiben, weil im Menschen eine Bestie wohne. "Und das ist der Grund, warum wir regelmäßig an diese tragischen Ereignisse erinnern." Mit seinem "Requiem A" schafft er einen Raum dafür.
Beim Konzert in Dresden wird auch Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch als Schirmherrin zu Gast sein. Ein Requiem sei ein starkes Symbol für Erinnerung, Vergebung und für Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, so Klepsch in einer Mitteilung des Ministeriums. Die Gedenkveranstaltungen in Dresden senden ein starkes Symbol gegen Gewalt und Hass.
Elektronische Sounds und Videokunst
Komponist Sven Helbig hat mit seinem Requiem eine Art Gesamtkunstwerk geschaffen für Orchester, Chor und Sologesang. Er selbst kommt nicht aus der Klassik, sondern fühlt sich heimisch in Musikgenres wie Jazz und R'n'B. Helbig wird selbst beim Konzert am Synthesizer mitwirken. Mit elektronischen Elementen lasse sich ein ganz einzigartiger Klang erzeugen, den er allerdings sparsam einsetze.
Zudem hat der Videokünstler Máni Sigfússon aus Reykjavik eine zusätzliche Ebene für das Konzert geschaffen. Sigfússon hat bereits für viele Indiebands gearbeitet, wie Sigur Rós, aber auch große Shows mitgestaltet, wie die jüngste AC/DC-Tour oder die Rolling-Stones-Tour. Helbig schätzt ihn, weil er nicht einfach das illustriert, was man ohnehin im Text hört, "sondern uns weiterführt". Helbig hat die Videoinstallation selbst noch nicht gesehen und ist gespannt.
Aufgeführt wird das Werk am 9. Februar 2025 in der Kreuzkirche Dresden, live übertragen von Arte Concert. Es folgen weitere Konzerte: In Wien am Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai mit den Wiener Symphonikern sowie in Coventry mit dem Birmingham Symphony Orchestra und dem Trinity Cross Choir, immer mit dabei ist der Dresdner Kreuzchor.
Transparenzhinweis Sven Helbig moderiert jeden Sonntagabend die Radiosendung "Schöne Töne" bei MDR KULTUR.
Quelle: MDR Sachsen (Andreas Berger), redaktionelle Bearbeitung: sg, vp
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Aufgefallen - der sächsische Kulturpodcast | 03. Februar 2025 | 20:00 Uhr