Bundespräsident im Interview Auch die Ostdeutschen haben "Grund zur Zuversicht"
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07. Dezember 2022, 16:50 Uhr
Bundespräsident Steinmeier ist zuversichtlich und findet, die Ostdeutschen können es auch sein. In Freiberg, bei seiner fünften und letzten "Ortszeit" in diesem Jahr, spricht er mit MDR-Chefredakteurin Julia Krittian über seine Bemühungen, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen und sein Verständnis für die Ängste der Ostdeutschen – aber auch darüber, dass ihm die fortschrittlichen Betriebe und Technologien in Mitteldeutschland viel Mut für die Zukunft machen.
Schon früh hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemahnt, die Menschen in Ostdeutschland in der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht zu vergessen. Diese Haltung hat er nun am Mittwoch im Interview mit MDR AKTUELL in Freiberg erneut bekräftigt: "Wenn man auf ein Leben zurückschaut, bei dem sich schon einmal Grundsätzliches verändert hat, wenn man schon einmal gewisse Sicherheiten verloren hat, das prägt eine Generation." Angesichts geringerer Einkommen und Ersparnisse verstehe er, dass die Verunsicherung im Osten besonders groß sei.
Bei seinen "Ortszeiten" hat sich der Bundespräsident in diesem Jahr besonders auf den Osten konzentriert, vier der fünf Stationen lagen in den neuen Bundesländern. In den drei Tagen, die der Bundespräsident seinen Amtssitz jeweils nach Altenburg, Quedlinburg, Neustrelitz, Rottweil und nun Freiberg verlegt hat, ging es nach seiner Erklärung vor allem darum zuzuhören. "Wir müssen wissen, ob die politischen Gespräche, die in Berlin geführt werden, dem entsprechen, was in der Region gedacht wird", sagte Steinmeier. Und dafür müsse man "raus aus der Hauptstadt".
"Genau hinschauen, mit wem man auf die Straße geht"
Nach Freiberg sei er gekommen, weil er sehr gern in Sachsen sei. Aber auch, weil es in der Stadt so viele Proteste im Zusammenhang mit der Corona-Politik gegeben habe. "Ich bin einfach neugierig, ob das Bild, das ich aus den Medien bekomme, der Lebensrealität der Menschen entspricht", erklärt der Bundespräsident. Und nach dem ersten Tag könne er bereits sagen, dass das Bild, das er vor Ort bekomme wesentlich vielfältiger sei. So zeigte er sich begeistert davon, wie die Freiberger sich um Geflüchtete aus der Ukraine kümmerten.
Wir müssen wissen, ob die politischen Gespräche, die in Berlin geführt werden, dem entsprechen, was in der Region gedacht wird.
In Bezug auf Demonstrationen und Proteste sagte Steinmeier, es sei wichtig, genau hinzuschauen mit wem man auf die Straße gehe. Später merkte er an: "Die Wehrhaftigkeit einer Demokratie beweist sich daran, dass diejenigen, die anderer Meinung sind, die ein liberales, offenes Deutschland wollen, sich lauter äußern als das oft der Fall ist."
Steinmeier lobt fortschrittliche Wirtschaft im Osten
In seiner Grundsatzrede hatte der Bundespräsident die Menschen erst kürzlich auf "raue Jahre" eingestimmt und auch im Interview mit MDR AKTUELL betonte er erneut, dass die "Jahre mit Rückenwind" erst einmal vorbei seien. Vor diesem Hintergrund war sein Tenor in Freiberg überraschend positiv, insbesondere mit Blick auf die fortschrittlichen Betriebe der Region: "Was mir wirklich Mut macht, ist hier in Freiberg zu sehen, wie sich aus einer alten Bergbautradition eine neue zukunftsgerichtete Industrie entwickelt hat".
Nach Steinmeiers Einschätzung seien Halbleiterindustrie, Elektromobilität und Energiestandorte in den östlichen Bundesländern so stark, dass es auch in Ostdeutschland viel Grund zur Zuversicht gebe. "Wir werden die härteren Zeiten, auf die wir zulaufen, überwinden und stark bleiben".
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra | 07. Dezember 2022 | 19:50 Uhr