Bundeslagebild des BKA Häusliche Gewalt hat erneut zugenommen

11. Juni 2024, 10:29 Uhr

Mehr als 256.000 Menschen wurden 2023 Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Das zeigt ein Lagebild des Bundeskriminalamts. Wie in den Vorjahren sind überwiegend Frauen Opfer von partnerschaftlicher Gewalt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigt ein neues Angebot an: Speziell geschulte Beamtinnen der Bundespolizei sollen Ansprechpartner für betroffene Frauen sein.

Erneut ist die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt in Deutschland angestiegen. Das geht aus einem aktuellen Bericht zur polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Danach wurden 2023 mehr als 256.000 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt – ein Plus von 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bereits im Jahr 2022 hatte es einen Anstieg um mehr als acht Prozent gegenüber 2021 gegeben. 

Mehrheitlich Frauen Opfer von häuslicher Gewalt

Die Zahlen von polizeilich registrierter häuslicher Gewalt steigen nahezu kontinuierlich an, in den vergangenen fünf Jahren um 19,5 Prozent. Doch nach wie vor ist dem Bericht zufolge davon auszugehen, dass viele Taten der Polizei nicht gemeldet werden, etwa aus Angst oder Scham. Die meisten Opfer von häuslicher Gewalt sind weiblich (70,5 Prozent). In fast zwei Drittel der Fälle sind Opfer und Täter in einer partnerschaftlichen Beziehung (65,5 Prozent). Das waren demnach insgesamt knapp 168.000 Fälle – ein Anstieg von 6,4 Prozent im Vergleich zu 2022.

Im Bereich der Partnerschaftsgewalt lebte die Hälfte der Opfer mit der tatverdächtigen Person zusammen. Die Mehrheit sowohl der Opfer als auch der Tatverdächtigen waren zwischen 30 und 40 Jahre alt. 155 Frauen und 24 Männer sind im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden.

Gewalt kommt auch innerhalb der Familie vor

Die anderen Opfer von häuslicher Gewalt (34,5 Prozent) waren laut Statistik von innerfamiliärer Gewalt betroffen – die meisten von ihnen waren jünger als 21 Jahre alt. Hier handelt es sich um eine Form von Gewalt, die sich beispielsweise auch zwischen Großeltern und Enkelkindern oder anderen nahen Angehörigen abspielen kann. Diese Form von Gewalt betraf 2023 laut Statistik insgesamt 78.341 Menschen. Dies sind 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. 

Von den 88.411 Opfern innerfamiliärer Gewalt waren 54 Prozent weiblich und 46 Prozent männlich. Insgesamt ist fast ein Viertel der Opfer unter 14 Jahre alt. Im Jahr 2023 wurden 92 weibliche und 63 männliche Personen Opfer von innerfamiliärer Gewalt mit tödlichem Ausgang.

Familienministerin Paus spricht von trauriger Realität

Martina Link (l-r), Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes (BKA), Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, stellen auf einer Pressekonferenz
BKA-Vizepräsidentin Martina Link, Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nacy Faeser (v.l.n.r.) stellen den Lagebericht zur Häuslichen Gewalt vor. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Bundesfamilienministerin Lisa Paus zeigte sich erschüttert: "Die erneut deutlich gestiegenen Zahlen zur häuslichen Gewalt zeigen das erschreckende Ausmaß einer traurigen Realität. Gewalt ist ein alltägliches Phänomen – das ist nicht hinnehmbar", sagte Paus. Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser und der Vizepräsidentin des Bundeskriminalamts, Martina Link, stellte sie am Freitag das sogenannte Bundeslagebild zur häuslichen Gewalt vor. 

Paus zufolge wird derzeit an einem neuen Gesetz für Betroffene gearbeitet. "Wir brauchen dringend ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot bestehend aus sicheren Zufluchtsorten und kompetenter Beratung", sagte sie in Berlin. Dieses sogenannte Gewalthilfegesetz werde "die Grundlage für ein verlässliches und bedarfsgerechtes Hilfesystem bei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt schaffen."

Faeser kündigt 24/7-Schalter für betroffene Frauen an

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich: "Wir müssen als Gesellschaft sehr deutlich machen, dass wir hinschauen, eingreifen und Gewalt gegen Frauen und Gewalt in Familien keinesfalls akzeptieren. Wir wollen die Betroffenen stärken und sie ermutigen, Taten anzuzeigen. Dann können mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden". Sie betonte zudem, "niemand solle sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Die Schuld liegt nie beim Opfer, sondern immer beim Täter."

Des Weiteren kündigte sie eine schnelle Sofortmaßnahme an. Demnach sollen an Standorten der Bundespolizei 24/7-Schalter für von Gewalt betroffene Frauen eingerichtet werden. Speziell geschulte Beamtinnen sollen dort Anzeigen aufnehmen und helfen. Faeser spricht davon, dass die Gewaltspirale gestoppt werden müsse. "Entscheidend ist, dass die Täter ihr aggressives Verhalten beenden und sich tatsächlich verändern. Dafür brauchen wir neben konsequenter Strafverfolgung verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für die Täter", erklärte sie.

dpa,KNA (kar)

Hilfsangebote für Betroffene von Gewalt Das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" unter der Telefonnummer 0800 22 55 530 (kostenfrei) ist eine Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.

Das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" bietet unter der Telefonnummer 116 016 (kostenfrei) rund um die Uhr, anonym und in 18 Sprachen Beratung und Vermittlung in das örtliche Hilfesystem an. Weitere Informationen unter hilfetelefon.de.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Juni 2024 | 11:00 Uhr

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