FAQ Gemüsegärtnern auf dem Friedhof: Geht das überhaupt?
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30. Mai 2024, 14:34 Uhr
Immer mehr Menschen sehnen sich nach einem Stück Grün in der Stadt, um dort selbst Gemüse anzubauen oder tolle Stauden anzupflanzen. Ein neues Konzept ist das gemeinschaftliche Gärtnern auf dem Friedhof. Wie es funktioniert und was es kostet? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was zunächst bizarr klingt, ist am Ende vielleicht eine "Win-Win"-Situation für Gärtnernde und für die Friedhöfe. Denn diese leiden unter Leerstand und finanziellem Druck, da die populären Urnengräber weniger Einnahmen bringen als Bestattungen mit Särgen. Doch die Pflichten einer Friedhofsverwaltung bleiben, wie Sicherheit, Grünschnitt, Grabpflege, Schutz vor Wildtieren und mehr.
Die Gärtnernden können helfen: Sie unterstützen bei der Grab- und Friedhofspflege, dafür dürfen sie kostengünstig und ohne eigenes Grundstück gärtnern.
Tomaten und Salat auf dem Friedhof anbauen: Pietätlos oder innovativ?
Lebensmittel auf dem Friedhof anzubauen und zu ernten, damit ist für so manche Friedhofsbesucher womöglich eine Grenze überschritten. Andererseits ist für Friedhöfe der Druck hoch, leere Flächen zu nutzen oder zumindest so zu pflegen, dass sie nicht verwildern - ohne dafür zusätzliche Kosten zu verursachen.
Die ehrenamtlichen Gemeinschaftsgärtner auf dem Neuen Annenfriedhof in Dresden etwa sehen darin eine besondere Chance für den Ort. Durch die aktive Nutzung wird der Friedhof in ihren Augen wieder ins städtische Bewusstsein, ins Leben zurückgeholt. Die Kombination von Friedhof und Nutzgarten sehen sie somit keineswegs als Widerspruch. Vielmehr genießen sie den fließenden Übergang zur Natur: Der für sie abgetrennte Bereich wirkt wie ein eigener Park.
Warum öffnen sich Friedhöfe fürs Gärtnern?
Man könnte sagen: Not macht erfinderisch, und die Friedhöfe sind in Not. Seit einigen Jahren schon nimmt die Anzahl der klassischen Einzelgräber mit Grabsteinen ab. Viel häufiger werden Urnenbestattungen und Gemeinschaftsgräber gewählt, die im Verhältnis weniger Platz und Pflege benötigen.
Auf dem Friedhofsgelände entstehen dadurch mehr Freiflächen. Es gibt kaum Perspektiven, nach denen Flächen in dieser Größenordnung in Zukunft weiter benötigt werden. Gleichzeitig fehlt es oftmals an Konzepten für eine nachhaltige, verantwortungsbewusste Verwendung der Grünflächen.
Wer kann Flächen auf dem Friedhof zum Gärtnern nutzen?
Normalerweise steht ein Verein hinter einem Gemeinschaftsgarten. Vorrangig werden darum Vereine von Friedhofsverwaltungen bevorzugt, wenn es um das Gärtnern zwischen Gräbern geht. In Ausnahmefällen dürfen auch Privatpersonen auf einem Friedhof gärtnern. Wichtig ist, dass alle Beteiligten die Friedhofsordnung einhalten und Rücksprache mit der Friedhofsverwaltung halten. Diese sollte dem Thema natürlich offen gegenüberstehen. Fragen Sie doch einmal nach, welche Vorgaben es in Ihrer Gegend gibt und wie die Friedhofsverwaltungen zu der Idee stehen.
Muss es unbedingt Gemüseanbau sein?
Im deutschsprachigen Raum gibt es einige Ansätze in dieser Richtung: Freiflächen auf Friedhöfen werden zu Beeten umgewandelt, unbetreute Gräber für die Tomatenzucht vermietet. Wegen der Hygiene muss man sich keine Sorgen machen: Mindestens ein Meter hoch Erde liegt zwischen Sarg und Pflanzen.
Wieder andere Konzepte denken die Friedhofsnutzung ganz neu. Etabliert haben sich auf etwa Cafés und sogar ein pädagogischer Spielplatz; ungenutzte Grabsteine dienen als öffentliches Bücherregal. Mit Maßnahmen wie diesen versuchen Friedhofsverwaltungen, Besucher zum Verweilen auf dem Gelände einzuladen - und Friedhöfe gleichzeitig als Orte der Trauer zu bewahren und behutsam als Orte der Begegnung zu öffnen.
Wie hoch sind die Kosten fürs Gärtnern auf dem Friedhof?
Die Gemeinschaftsgärtnerinnen und -gärtner bekommen die Beetfläche in der Regel kostenlos zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug helfen sie bei der Friedhofspflege mit. Manchmal ist auch das Gießwasser kostenlos inkludiert. Wenn nicht, muss der Verein für das Wasser an die Friedhofsverwaltung zahlen.
Welche Aufgaben fallen beim Gärtnern auf dem Friedhof an?
Die Friedhofsgärtner entscheiden, was auf den betreuten Gräbern gepflanzt wird; die Gemeinschaftsgärtner pflegen die Neupflanzungen und kümmern sich sonst vorrangig um ihre Gemüseanpflanzungen. Dadurch, dass sie ihren Boden für die Gemeinschaftsgärnter umsonst zur Verfügung stellen, versprechen sich die Friedhöfe Unterstützung bei der Pflege des Bestandes. "Wie nebenbei" bemerken die Freiwilligen, welche Pflanze Wasser braucht, welche sich vielleicht nicht von allein erholt, ob Pfade neu zu legen sind oder an einem Grab oder einer Gruft Unkraut zu jäten ist. Auch unterstützen sie die Berufsgärtner beim Aufhängen und Kontrollieren von Nistkästen. Außerdem können die Gemeinschaftsgärtner eigene Vorschläge für die Umgestaltung anbringen, wo zum Beispiel trockenheitsverträgliche Pflanzen sinnvoll wären.
Wie funktioniert gemeinschaftliches Gärtnern?
Miteinander arbeiten und voneinander lernen - das ist die Kurzfassung. Anstatt allein zu werkeln wird das Schwarm-Wissen angezapft. Bei kleineren Misserfolgen, etwa, weil die Saat nicht aufgeht, oder Pflanzen trotz guter Pflege welken, hilft das gemeinsame Recherchieren. Oft kommt man so sogar schneller zum Ergebnis. Dieses kollektive Wissen, und natürlich die Erfolgserlebnisse, stärken wiederum den Rücken für die nächste Saison.
Welchen Wert hat die Arbeit der ehrenamtlich Helfenden über die Friedhofspflege hinaus?
Quasi nebenbei erweitern die freiwilligen Gemeinschaftsgärtner ihr Gartenwissen, lernen etwa, dass Efeu und Sedum gute Beetnachbarn und die ideale Bepflanzung für eine Gruft sind. Durch die Nutzung der Flächen helfen sie wiederum der Artenvielfalt. Mithilfe der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden wurde zum Beispiel auf dem Neuen Annenfriedhof in Dresden ein Bestand von zehn verschiedenen Fledermaus-Arten mitten im innerstädtischen Raum nachgewiesen. Das zeigt, wie wichtig diese Fläche auch für die Biotopvernetzung ist.
Quelle: MDR Garten (Claudia Hempel/fra)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 02. Juni 2024 | 08:30 Uhr