Der Johannisfriedhof Dresden, im Vordergrund sitzt eine große Engelsstatue auf einem Stein 3 min
Friedhöfe gehören seit 2020 zum Immateriellen Kulturerbe Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Matthias Hiekel

Immaterielles Kulturerbe Dresden: Johannisfriedhof lockt Besucher mit Gottesackerhonig

30. Juni 2024, 04:00 Uhr

Der Dresdner Johannisfriedhof spiegelt die Stadtgeschichte – dort gibt es Bildhauerkunst, denkmalgeschützte Grabstellen und Gräber der Dresdner Prominenz. Sie zu erhalten ist allerdings teuer. Und es wird nicht leichter, denn Friedhofskultur verschwindet immer mehr aus dem Bewusstsein. Auf dem Johannisfriedhof gibt es einige Projekte, um das zu ändern und Besucher auf den Friedhof zu locken – etwa mit dem "Gottesackerhonig".

  • Weil Friedhöfen das Geld fehlt, verfallen vielerorts denkmalgeschützte Gräber und damit Immaterielles Kulturerbe.
  • Der Johannisfriedhof Dresden denkt Friedhofskultur neu und bietet Führungen zur Begräbnis-Kultur an.
  • Gottesackerhonig aus eigener Herstellung soll Geld einspielen, zum Erhalt des Friedhofs als Ort der Einkehr und Erinnerung.

Weil dem Johannisfriedhof in Dresden Geld fehlt, verwildern viele denkmalgeschützte Gräber. Bis zu eintausend Grabpaten bräuchte es, um die herrenlosen Grabstellen zu pflegen, schätzt Friedhofsleiterin Beatrice Teichmann. "Grabpaten gesucht!", steht deshalb auf einem kleinen orangenen Schild neben einer Grabstelle. "Informationen erhalten Sie bei der Friedhofsverwaltung." Von diesen Schildern gibt es auf dem Friedhof einige. Sich selbst um alle zu kümmern, sei unmöglich. Es fehle schlicht das Geld. Und so verwildern laut Teichmann viele dieser Gräber. "Hier geht Kulturgut verloren", kritisiert sie. Damit steht der Johannisfriedhof nicht allein: "Jeder Zentralfriedhof hat dieses Problem."

Finanzielle Abhilfe ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Rückläufige Einnahmen führen, zumindest bei vielen Dresdner Friedhöfen, zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Und auch die Stadt und der Freistaat Sachsen können nicht genügend Fördermittel stellen, um den Erhalt von Grabstellen zu sichern, bestätigt die Stadt Dresden auf Nachfrage von MDR KULTUR.

Friedhofskapelle des Johannisfriedhof Dresden: Eine mächtige Kuppel thront unter einem blauen Himmel
Die Friedhofskapelle des Johannisfriedhofs Dresden wurde 1894 von Paul Wallot gebaut. Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

Erinnerungsstätten und Kulturorte gehen verloren

Doch die Probleme enden nicht mit dem Verfall alter Gräber und dem Verlust von Erinnerungsstätten: Friedhofskultur selbst ist gefährdet. Das zeigt sich auch in der Schließung von Friedhöfen, erklärt Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur: "Der Wert der Friedhöfe als Gemeinschaftsort, als Kulturort, ist den meisten Menschen nicht mehr bewusst".

Der Wert der Friedhöfe als Gemeinschaftsort, als Kulturort, ist den meisten Menschen nichtmehr bewusst.

Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur

Friedhofskultur gehört zum immateriellen Kulturerbe

Um das zu ändern, wurde Friedhofskultur 2020 auf Empfehlung der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe erklärt – initiiert durch Pehle und andere Mitglieder des Kuratoriums. Ihr Ziel ist es, Friedhofskultur zu erhalten und zu entwickeln. Denn laut Pehle haben Friedhöfe wichtige gesellschaftliche Funktionen: als soziale Begegnungsstätten, Orte für Naturschutz und als Räume für Kulturgut.

Und: Friedhöfe bewahren Stadtgeschichte. Das gilt besonders für Dresden, so Friedhofsleiterin Teichmann, weil im Zweiten Weltkrieg große Teile der Stadt zerstört wurden: "Ich kann an originale Begräbnisstätten von Menschen treten, wo es in Dresden nur noch wenig Zeugnisse ihres Wirkens gibt."

Gottesacker-Honig vom Johannisfriedhof Dresden: Das Honigglas steht auf einem Tisch
Der Gottesackerhonig wird von Dresdner Friedhofsbienen gesammelt. Bildrechte: Annika Zegowitz

Friedhofsführungen zu Kunst und Vogelarten

Der Johannisfriedhof erzählt Geschichten – über Künstler, die das Dresdner Stadtbild geprägt haben, sowie Architekten und Bildhauer, die an Grabmälern gearbeitet haben. Außerdem bietet er Lebensraum: für Vögel, Kleintiere und natürlich Insekten. Daran sollen möglichst viele Besucher teilhaben können, findet Beatrice Teichmann.

Der Freundeskreis Trinitatis und Johannisfriedhof setzt sich deshalb mit einem Programm für den Erhalt der Friedhofskultur ein. Dazu gehören Führungen zu seltenen Vogelarten, rund ums Thema Genuss, oder zu verborgenen Kunstwerken auf dem Friedhof. Eine andere Aufgabe, der sich der Freundeskreis angenommen hat, ist die Pflege der verwaisten Grabstellen.

Imposante Grabstelle auf dem Johannisfriedhof Dresden mit verzierten Steinen und einer Frauenskulptur
Der Johannisfriedhof Dresden bräuchte bis zu eintausend Grabpaten, um herrenlose Grabstellen zu pflegen. Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

Friedhof neu denken mit Bienenstöcken und bunten Gräbern

Dafür wurde ein besonderes Projekt ins Leben gerufen: Der Gottesackerhonig, gesammelt von den Dresdner Friedhofsbienen. Sie leben weit weg von den Hauptwegen in ihren Bienenstöcken und werden gepflegt von Imker Albrecht Gähler. Die ersten Völker hat Gähler vor 14 Jahren bekommen, als Geburtstagsgeschenk: "Ich bin ein Hobbyimker – ich habe mir das mit einem Buch angelernt, und mit guten Ratschlägen."

Heute ist er Rentner und kümmert sich um sechs Bienenstöcke – eine herrliche Beschäftigung, sagt er. 2021 wurde der erste "Gottesackerhonig" verkauft. Für acht Euro Spende pro Glas bekommt man ihn bei der Friedhofsverwaltung. Von dem Erlös werden Werkzeuge und Pflanzen bezahlt, um alte Grabstellen wieder auf Vordermann zu bringen.

Gemeinsam mit den Grabpatenschaften hilft der Honig, Schritt für Schritt alte Gräber wiederzubeleben. Und wer ein Glas davon kauft, verlässt den Friedhof mit einem Lächeln, erzählt Teichmann. Die Friedhofsleiterin freut sich, dass das Projekt gut ankommt: "Da haben wir genau das Richtige erreicht, Menschen auf den Friedhof zu locken, und denen auch mal was mitzugeben, wo man schmunzeln kann."

Redaktionelle Bearbeitung: jb

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. Juni 2024 | 15:10 Uhr

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