Historiker auf Spurensuche Brigitte Klopfer: Tod im DDR-Gefängnis Hoheneck
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29. Januar 2024, 13:52 Uhr
Brigitte Klopfer – eine rebellische Jugendliche – kommt mit 17 Jahren ins Frauengefängnis Hoheneck. Dort stirbt sie mit gerade einmal 18 Jahren an einer Lungenentzündung. Historiker Stefan Appelius möchte ihre Lebensgeschichte erforschen und bittet dafür um Hilfe.
- Mit 17 Jahren wurde Brigitte Klopfer verhaftet, weil sie aus der DDR fliehen wollte.
- Sie wurde ins Frauengefängnis Hoheneck gebracht.
- Dort stirbt sie an den Folgen einer Lungenentzündung.
Brigitte Klopfer ist Lehrling beim VEB Halberstädter Fleischwaren. Und sie ist verliebt, damals 1972. Wieder einmal hat sie sich mit ihren Eltern überworfen. Brigitte ist 16 damals. Sie und ihr zwei Jahre älterer Freund Detlev beschließen, über die sogenannte grüne Grenze zwischen der CSSR und der Bundesrepublik zu fliehen – doch der Versuch scheitert. Die Polizei greift die beiden auf und schickt sie zurück, denn Detlevs Motorrad ist nicht verkehrssicher, die Papiere ungültig.
1973, Brigitte und Detlev sind inzwischen verlobt und wagen einen neuen Versuch, Halberstadt den Rücken zu kehren und – jung und verliebt – einfach zu verschwinden.
Erforschung von Brigittes Leben gleicht Puzzlespiel
Historiker Stefan Appelius hat ihre Lebensgeschichte erforscht: "Sie hatten sich in einen Zug gesetzt und in diesem Zug nach Erfurt wurden sie nachts gegen Mitternacht von der Transportpolizei aufgegriffen. Das war weit entfernt von irgendeiner Grenze. Daraus wurde dann von der Kreisstaatsanwaltschaft in Halberstadt ein großer politischer Prozess gebastelt, der dazu führte, dass die beiden zu Haftstrafen verurteilt wurden." 25 Monate waren das für die 17 Jahre alte Brigitte.
Die Akten zu diesem Fall sind schmal, die Spurensuche gleicht einem Puzzlespiel. Fotos gibt es nicht von der jungen Frau. Klein und zierlich war sie wohl, hatte lang dunkle Haare. Das sind die Erinnerungen einer Mitgefangenen von Brigitte aus ihrer Zeit im Frauengefängnis Hoheneck, nahe dem heutigen Chemnitz.
Dort sei sie zunächst in der Jugendstation gelandet, weil sie noch minderjährig gewesen sei, erzählt Appelius. "Sie wurde mit sehr vielen anderen Jugendlichen auf engstem Raum zusammengesperrt, bis sie Ende 1973 in Haft ihren 18. Geburtstag erlebte. Das war dann der Zeitpunkt, wo man sie aus dem Jugendvollzug in den ebenfalls sehr überbelegten Erwachsenenvollzug umgesetzt hat."
Zwei- bis dreifach überbelegt war Hoheneck damals: Drei-Etagenbetten, weitere Frauen, die auf dem Fußboden schliefen. Fehlende Hygiene, keine Privatsphäre.
Schwere Arbeit und unwürdige Haftbedingungen
Es war die Zeit zwischen 1973 und 1976, nach Erich Honeckers Machtantritt. Junge Menschen wie Brigitte Klopfer wurden auf der Straße, aus Betrieben heraus verhaftet – wegen vermeintlicher Asozialität oder angeblicher Republikflucht. Dunkelhaft wurde eingeführt in jener Zeit in Hoheneck, neue Arrest-Zellen geschaffen, um sogenannte Hausstrafen für die Gefangenen sofort vollziehen zu können – die Bestrafung der Insassen im Gefängnis. Dazu Arbeit an der Nähmaschine im Dreischicht-System, Bettwäsche und Strümpfe von DDR-Gefangenen für den West-Export.
In dieser Zeit hat sich Brigitte laut Appelius wohl eine Lungenentzündung zugezogen. Das sei aus den Akten, die diese Geschichte überliefern, zu erahnen. "Sie brach bei der Arbeit in Hoheneck zusammen und wurde auf die Krankenstation gebracht. Die dort tätigen jungen, uniformierten Damen der Volkspolizei hielten sie für eine Simulantin und schleppten sie an die Arbeit zurück. Sie wurde in die Nachtschicht zurückgetragen, wurde auf ihrem Hocker an ihre Nähmaschine gesetzt und es dauerte nicht lange, bis sie von ihrem Hocker gekippt ist und besinnungslos auf dem Boden lag."
Brigitte Klopfer stirbt mit gerade einmal 18 Jahren, wenige Tage nachdem sie in der Nachtschicht zusammengebrochen war, in einem Krankenhaus in Karl-Marx-Stadt.
Appelius: "Mich hat die Geschichte sehr berührt"
Historiker Appelius vermutet, dass sie keine Pläne gehabt habe: "Sie war wirklich total naiv, genau wie ihr Freund. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, was sie da tat und wie sie in die Mühlen dieses Systems geraten ist und wie sie da wirklich unentrinnbar am Ende von diesem System auch verschlungen worden ist. Das finde ich schon enorm tragisch und das hat mich persönlich sehr berührt, als ich die Geschichte hörte."
Brigitte Klopfers Geschichte soll in der künftigen Ausstellung in der einstigen Burg Hoheneck erzählt werden. Doch es fehlen noch weitere Details, und vor allem: Es fehlt ein Foto der jungen Frau. "Da ist leider bisher gar nichts an keiner Stelle aufgetaucht. Wir hoffen, dass wir in Halberstadt durch die Menschen, die dort leben, auch durch ihren früheren Freund, der auch noch in der Gegend lebt, in Kontakt kommen. Wir möchten die Geschichte von Brigitte Klopfer unter allen Umständen in die künftige Dauerausstellung in Hoheneck mit aufnehmen."
Stefan Appelius und die anderen Ausstellungsmacher hoffen deshalb weiter auf ein Foto von Brigitte Klopfer. Oder dass sich Verwandte, Klassenkameraden oder Arbeitskolleginnen von ihr aus Halberstadt finden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 29. Januar 2024 | 09:45 Uhr