Nach Abschaffung von Hartz IV Jeder Zweite trotz Jobvermittlung auf Bürgergeld angewiesen
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22. Oktober 2024, 09:44 Uhr
Gerechter und moderner sollte das Bürgergeld werden. Und es sollte auch mehr Menschen in langfristige Arbeit bringen. Das war zumindest das Versprechen von Bundesarbeitsminister Heil, als Hartz IV abgeschafft und das Bürgergeld im Januar 2023 eingeführt wurde. Wird dieses Versprechen eingehalten? Neue Zahlen aus dem Arbeitsministerium zeigen eine gemischte Bilanz.
- Wegen befristeter Verträge fallen einige wieder in die Arbeitslosigkeit zurück.
- Arbeitsmarktforscher Holger Schäfer fordert, es müsste mehr Anreize geben, Jobs in Vollzeit anzunehmen.
- Arbeitsmarktforscher Enzo Weber zufolge hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt gebessert.
Etwa die Hälfte der Bürgergeld-Empfänger, die einen Job aufnehmen, beziehen sechs Monate später immer noch Bürgergeld. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hervor. Die "Bild"-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.
Enzo Weber, Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kennt die Zahlen. "Aber das bezieht diejenigen ein, die den Bürgergeldbezug erst gar nicht verlassen haben, weil der Job normalerweise dann halt einfach nicht genug gebracht hat, um bedarfsdeckend zu sein. Es geht da also nicht unbedingt nur um Menschen, die zurückfallen, sondern auch um andere Fälle."
Zurück in Arbeitslosigkeit wegen befristeter Jobs
Weber meint damit Aufstocker, also Menschen die zusätzlich zum Bürgergeld einer Beschäftigung nachgehen. Wenn man die aus der Statistik rausrechne, dann seien sechs Monate nach Beschäftigungsbeginn immer noch mehr als Dreiviertel im Job. Für diejenigen, die tatsächlich aus dem Job wieder rausfallen, sieht Weber zwei häufige Gründe.
"Wenn Menschen aus der Arbeitslosigkeit einen Job aufnehmen und dann wieder in die Arbeitslosigkeit zurückkehren, dann geht es da normalerweise darum, dass sie entlassen wurden oder das einfach befristete Verträge ausgelaufen sind", erklärt Weber. Viele Arbeitslose nehmen Weber zufolge zum Beispiel Jobs in der Zeitarbeit auf. Aber die würden oft nur ein paar Monate andauern.
Schäfer: Mehr Anreize für Vollzeitjobs schaffen
Trotzdem: Das Versprechen des Bürgergeldes, mehr Menschen langfristig in Arbeit zu bringen, wurde bisher nicht eingelöst, sagt Holger Schäfer. Er forscht zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft. "Wir haben zwar auch noch keine gegenteilige Inzidenz, sondern eine dahingehend, dass sich durch die Einführung des Bürgergeldes, was die Nachhaltigkeit der Integration in Arbeit angeht, eigentlich gar nicht so furchtbar viel geändert hat. Also da sehen wir keinen Effekt durch das Bürgergeld."
Wir haben ein System, was sehr stark begünstigt, eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen [...] und die mit ergänzendem Bürgergeld aufzustocken.
Schäfer zufolge müssten wieder mehr Anreize zum Arbeiten geschaffen werden. "Im Moment haben wir ein System, was sehr stark begünstigt, eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen oder eine geringfügige Beschäftigung und die mit ergänzendem Bürgergeld aufzustocken", verdeutlicht Schäfer. Das sei finanziell einigermaßen attraktiv. "Was nicht attraktiv ist, ist aus dieser Beschäftigung eine Vollzeitbeschäftigung anzunehmen."
Weber: "Situation hat sich gebessert"
Arbeitsmarktforscher Enzo Weber findet, dass sich die Situation aber schon deutlich verbessert habe. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sei es gelungen wieder mehr Menschen langfristig in Arbeit zu bringen. Vor zehn Jahren waren das Weber zufolge noch zehn Prozentpunkte weniger.
"Also die Situation hat sich verbessert. Das lässt sich zwar nach einer Studie von uns kausal nicht auf das Bürgergeld zurückführen, aber insgesamt geht die Entwicklung in die richtige Richtung." Bürgergeldempfänger müssten künftig noch mehr qualifiziert und die Anreize für Jobs gestärkt werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. Oktober 2024 | 06:08 Uhr
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