Pendler Befristet Beschäftigte pendeln länger zur Arbeit als unbefristete
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05. April 2023, 17:20 Uhr
Wenn es keine langfristige Job-Garantie gibt, lohnt es sich eher nicht, in die Nähe der Arbeit zu ziehen. So scheinen viele Deutsche zu denken. Im Ergebnis haben befristet Beschäftigte einen deutlich längeren Arbeitsweg.
Wenn Männer einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben, dann ist ihre Pendelstrecke zur und von der Arbeit im Schnitt um sechs Prozent länger als bei befristeten Beschäftigten. Bei Anstellungsverhältnissen über eine Zeitarbeitsfirma sind es sogar 17 Prozent Unterschied. Bei Frauen sind solche Unterschiede ebenso vorhanden, fallen allerdings etwas geringer aus (vier bzw. sechs Prozent).
Zu diesen Ergebnissen, die erstmals auf Längsschnittdaten aus dem Sozio-ökonomischen Panel beruhen, kommt eine Forschungsgruppe unter Federführung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).
Einen wesentlichen Grund für die unterschiedlich langen Wege zur Arbeit sehen die Forscherinnen und Forscher in der fehlenden Stabilität des Arbeitsplatzes: "Die unsichere und kurzfristigere Beschäftigungsperspektive hält viele temporär Beschäftigte davon ab, für einen Jobwechsel näher an den neuen Arbeitsort zu ziehen", sagt Soziologin Dr. Inga Laß vom BiB.
Vor allem Beschäftigte in Zeitarbeitsfirmen haben häufig wechselnde Einsatzorte, wodurch sich ein Umzug zumeist nicht rentiert. Sie bleiben daher oft in ihrem gewohnten Wohnumfeld und nehmen längere Pendelwege in Kauf. Im Gegensatz dazu kann es für unbefristet Beschäftigte durch die langfristige Beschäftigungsperspektive lohnender sein, den Wohnort zu wechseln und in die Nähe des Arbeitsorts zu ziehen.
Die geringeren Unterschiede bei den Frauen führen die Forscherinnen und Forscher darauf zurück, dass Frauen nach wie vor häufiger für Haus- und Familienarbeit verantwortlich sind und daher – insbesondere als Mütter – für den Job weniger räumlich flexibel sind.
Pendeln ist oft mit Stress verbunden
Zu den oft niedrigeren Löhnen und der größeren Arbeitsplatzunsicherheit haben temporär Beschäftigte also einen weiteren Nachteil. "Längeres Pendeln ist mit einem erhöhten Stressempfinden verbunden", sagt Mobilitätsforscher Dr. Heiko Rüger. Temporär Beschäftigte mit langen Arbeitswegen sollten daher stärker in den Fokus von Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wie Stressprävention und -bewältigung rücken.
Pendeln ist in Mitteldeutschland ein großes Thema. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht regelmäßig Zahlen für ganz Deutschland. Die letzten stammen vom vergangenen Juni. Auf der folgenden Karte sieht man, wohin mitteldeutsche Angestellte pendeln. Wählen Sie über die gelbe Schaltfläche einen Kreis (zum Beispiel Ihren Heimatkreis), dann sehen Sie wohin sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus diesem Kreis regelmäßig pendeln müssen.
Welche mitteldeutschen Kreise die meisten Auspendler haben, zeigt die folgende Karte. Es gibt mehrere Kreise, in denen mehr als die Hälfte aller Angestellten ihren Heimatkreis für die Arbeit verlassen muss. Nirgendwo sind es weniger als 20 Prozent.
Wenn Sie einen Kreis anklicken, sehen Sie weitere Einzelheiten und eine "Heat Map", wohin die Menschen aus diesem Kreis regelmäßig zur Arbeit fahren.
Umgekehrt kann man solche Karten natürlich auch von Arbeitsorten in Mitteldeutschland abhängig machen. Die Frage lautet also: Von wo kommen die meisten Pendler, die in einem bestimmten mitteldeutschen Kreis arbeiten?
Und wieder lässt sich natürlich darstellen, welche Kreise wie stark betroffen sind, wo es also besonders viele oder wenige auswärtige Angestellte gibt.
Jena ist mitteldeutsche Pendel-Hauptstadt
In den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit gibt es schließlich noch einen "relativen Pendlersaldo". Er beschreibt das Wechselspiel von Einpendlern und Auspendlern in einem bestimmten Ort bzw. Kreis. Einen hohen Saldo haben da vor allem die Großstädte, in die regelmäßig mehr Pendler zur Arbeit strömen als umgekehrt. Mitteldeutscher Spitzenreiter ist dabei Jena. 43.460 Menschen mit einem sozialversicherungspflichtigen Job haben dort im Juni 2022 gelebt. 11.803 davon pendeln regelmäßig anderswo hin zur Arbeit. Aber dafür kommen ebenso regelmäßig 28.514 Pendler von außerhalb in die Stadt zum Arbeiten. Das ergibt einen relativen Pendlersaldo von 38,5 Prozent.
In der eingangs erwähnten Forschungsarbeit kommen die Verfasser zu dem Schluss, dass Arbeitgeber das Thema Pendeln und dessen Nachteile in Zukunft stärker berücksichtigen sollten, gerade wenn sie aufgrund des sinkenden Erwerbspersonenpotenzials zunehmend auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind. Die Ergebnisse zeigen, so die Forschungsgruppe, dass lange Arbeitswege ein Nebeneffekt flexibler Arbeitsmärkte sein können, mit potenziell nachteiligen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Beschäftigten und auf die Umwelt.
Studien / Links
Die Studie "Does temporary employment increase length of commuting? Longitudinal evidence from Australia and Germany" ist in der Fachzeitschrift Transportation erschienen
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 01. April 2023 | 10:00 Uhr