Drogen-Kriminalität Rekordfund der Droge Captagon in Deutschland

21. Dezember 2023, 06:00 Uhr

Es ist der bisher größte Fund der Droge Captagon in Deutschland. Zollfahnder aus Essen haben in den letzten Monaten rund 460 Kilogramm der Aufputschdroge sichergestellt. Nach Recherchen von BR, MDR, SWR, RBB, der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und der Mediengruppe Bayern beläuft sich der Verkaufswert auf etwa 60 Millionen Euro. In dem Verfahren führen Spuren nach Sachsen.

Die Beamten des Zoll am Flughafen Leipzig/Halle wurden fündig. Ende Oktober vergangenen Jahres war ihnen eine Frachtladung aufgefallen, die nach Saudi-Arabien gehen sollte. Inhalt der beiden Pakete sollten Duftkerzen gewesen sein. Doch beim Durchleuchten entdeckten die Zöllner eine ungewöhnliche Struktur, die nicht wie Kerzen aussah und offenbar hatten die Beamten bei diesen Duftkerzen den richtigen Riecher. Bei einer genaueren Kontrolle entdeckten sie Tüten mit der Aufputschdroge Captagon, die in Form von Tabletten hergestellt wird.

Droge wird in Syrien und Libanon hergestellt

Captagon ist eine kleine Tablette, die hauptsächlich aus Amphetaminen besteht und vor allem im arabischen Raum konsumiert wird. Beim Handel mit Captagon spielt Europa, und damit auch Deutschland, eine wichtige Rolle. Denn Captagon wird überwiegend in Syrien und dem Libanon hergestellt.

Da inzwischen die Behörden besonders in Saudi-Arabien Container aus diesen beiden Ländern genauer unter die Lupe nehmen und immer öfter fündig werden, wählen die Schmuggler seit einigen Jahren einen Umweg. Auf dem Land- oder Seeweg erreichen Tonnen von Captagon aus Syrien oder dem Libanon Europa. Hier wird es mit sogenannter Tarnware umverpackt und dann per Flugzeug oder Schiff vor allem nach Saudi-Arabien und in andere Länder auf der arabischen Halbinsel gebracht.

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Professionelle Schmuggler-Netzwerke

Nach Recherchen von BR, MDR, SWR, RBB, der F.A.Z. und der Mediengruppe Bayern gehen Fahnder davon aus, dass es in Deutschland hochprofessionelle Schmugglernetzwerke gibt, die vor allem aus Syrern bestehen. Auch im Fall der Duftkerzen vom Flughafen Leipzig sollte sich eine Spur zu einer Tätergruppe ergeben, die im Verdacht steht, große Mengen der Droge durch Deutschland durchzuschleusen.

Zollfahnder überwachen Verdächtige

Der Captagonfund von Leipzig fand seinen Weg in die Medien und sah nach einem Einzelfall aus. Doch die Fahnder hatten sich inzwischen mit Kollegen aus Nordrhein-Westfalen vernetzt. Denn dort waren zuvor am Flughafen Köln/Bonn Ende 2022 zehn Kilogramm Captagon gefunden worden.

Zollfahnder aus Essen gingen den Spuren nach und durch aufwendige Ermittlungen konnten sie vier syrische Tatverdächtige ausfindig machen. Drei waren im Raum Aachen ansässig, einer in Wien. Im September dieses Jahres wurden dann an den Flughäfen Leipzig/Halle und Köln/Bonn erneut insgesamt 47 Kilogramm der Droge gefunden. Wieder sollen die vier Tatverdächtigen im Zusammenhang mit den Funden stehen.

Verkaufswert: 60 Millionen Euro

Anfang Oktober dieses Jahres schlugen die Ermittler dann zu und fanden in einem Lager bei Aachen noch einmal 300 Kilogramm der Droge. Zusammen mit den bisherigen Funden sind das rund 460 Kilogramm Captagon mit einem Straßenverkaufswert von etwa 60 Millionen Euro. Die vier Tatverdächtigen wurden alle im Raum Aachen verhaftet.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Aachen werden inzwischen die Verbindungen zu weiteren Captagonfunden geprüft. Darunter auch zu einer Produktionsstätte in Regensburg, die im Juli dieses Jahres von Ermittlern des Bundeskriminalamtes ausgehoben wurde. 300 Kilogramm Drogen und nochmal Rohstoffe für die Herstellung von drei Tonnen der Droge wurden gefunden. Nach Recherchen von BR, MDR, SWR, RBB, der F.A.Z. und der Mediengruppe Bayern summieren sich die Funde der letzten drei Jahre in Deutschland auf einen Gesamtwert von einer halben Milliarde Euro.

Spur führt nach Nossen in Sachsen

Unter diesen Funden sind auch rund 250 Kilogramm Captagon, die in einer Lagerhalle in der Nähe von Regensburg im Mai 2021 gefunden worden waren. Die Drogen waren in verschiedenen Lieferungen in die Halle gebracht worden. Darunter auch aus einer Lagerhalle in Nossen bei Dresden. Denn der bei Regensburg festgenommene Syrer hatte Kontakte zu einem syrischen Komplizen, der in Dresden wohnte.

Dieser, so stellten es die bayrischen Ermittler beim Auswerten der Handys fest, hatte die Lagerhalle in Nossen angemietet. Mindestens eine Ladung soll von dort nach Regensburg gebracht worden sein und sollte mit der gesamten Lieferung von 250 Kilogramm nach Saudi-Arabien geschmuggelt werden. Wie die Captagontabletten zuvor nach Nossen gekommen sind, ist bis heute ungeklärt.

Die beiden syrischen Männer sind von einem Gericht in Regensburg inzwischen rechtskräftig zu sieben Jahren und neun Monaten sowie zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.

Syrische Regierung soll am Drogenhandel verdienen

Der Handel mit Captagon ist ein Milliardengeschäft. Ursprünglich war es ein Medikament, das in den sechziger Jahren vom deutschen Pharmaunternehmen Degussa als Mittel gegen ADHS entwickelt wurde. Die Produktion wurde 1986 eingestellt. Inzwischen ist es ein vor allem in Saudi-Arabien beliebtes Aufputschmittel.

Die Tablette wird dort für rund 20 Dollar gehandelt, was die enormen Gewinne beim Handel mit Captagon ausmacht. Die Produktion läuft in Syrien und im Libanon. Seit Jahren gibt es den dringenden Verdacht, dass die syrische Regierung unter Machthaber Bashar Assad in das Geschäft verwickelt ist und dabei Milliarden abkassiert.

Hinweise auf Droge bei Terroristen

Captagon wird auch immer wieder als sogenannte "Dschihadisten-Droge" bezeichnet, weil sie unter anderem bei Kämpfern der Terrorgruppe Islamischen Staat (IS) gefunden wurde. Angeblich sollen diese sich mit den Tabletten für Kämpfe im Irak oder Syrien aufgeputscht haben. Nach Angaben der israelischen Armee sollen auch Elitetruppen der Terrorgruppe Hamas bei dem Massaker an Israelis am 7. Oktober dieses Jahres Captagontabletten bei sich getragen haben.

Fahnder in Europa haben allerdings bisher keine Hinweise, dass die Hamas in den Schmuggel der Droge zwischen dem Nahen Osten, Europa und der arabischen Halbinsel involviert sein könnte. 

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. Dezember 2023 | 06:53 Uhr

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