Klimawandel und Journalismus Klimaschutz statt Klimafrust
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19. April 2024, 00:01 Uhr
Hochwasser und Hitzewellen – Berichte über den Klimawandel frustrieren zumeist. Doch warum nicht alltäglich über Klimaschutz berichten? Muss sich Klimajournalismus ändern, um Menschen für das Thema zu sensibilisieren?
Tagelang anhaltender Regen, Hochwasser, Überschwemmungen, Hitzewellen oder Stürme: Katastrophen-Meldungen in den Nachrichten und Sendungsberichten: Jeden Tag können wir die Auswirkungen des Klimawandels in den Medien verfolgen. Jedoch können die Berichte bei vielen Menschen Hilflosigkeit, Frustration und Überforderung auslösen. Das Auseinandersetzen mit der Klimakrise kann mitunter Ängste schüren und zu Gefühlen wie Traurigkeit und Wut führen – und schlimmstenfalls damit auch zur Nachrichtenvermeidung.
So stellt der Klimawandel und dabei vor allem die Klimaberichterstattung auch den Journalismus vor große Herausforderungen. Gilt es also, die Bilder, die Art der Darstellung, die Ansprache und die Wahl der Begriffe, mit denen Medien das wichtige Themengebiet Klimawandel vermitteln, zu überdenken?
Der Klimawandel betrifft alle Redaktionen
"Wenn es krasse Unwetterereignisse gibt, dann hat es natürlich einen Nachrichtenwert. Dann muss es auch in die Hauptnachrichten, weil man ja die Menschen warnen möchte. Und dann sind wir als Experten auch tatsächlich gefragt und kommentieren die Ereignisse", ordnet Özden Terli, Diplommeteorologe vom Wetterteam des ZDF die Wichtigkeit von Meldungen zu besonderen Wetterereignissen und deren mitunter katastrophale Folgen ein.
Özden Terli ist eine wichtige Stimme für die Wissenschafts- und Klimakommunikation. Regelmäßig präsentiert er das Wetter im ZDF, erstellt Wetterprognosen und klärt auf über Zusammenhänge zwischen Klimaveränderung und Wetterphänomenen. Er ist sich gewiss: Mit seiner Arbeit trägt er Verantwortung. Denn als Meteorologe kennt er die Einflüsse und Auswirkungen der Klimakrise, in der wir stecken und empfindet es als seine Aufgabe, darüber zu berichten, aufzuklären und sich für den Klimaschutz einzusetzen – auch entgegen aller Widerstände und etwaiger Anfeindungen von Klimaleugnern.
Denn: Der Klimawandel "ist ja eigentlich ein Querschnittsthema. Also, es tangiert ja alle Bereiche. Es tangiert jeden Menschen, jede Redaktion – alle sind davon betroffen. Es ist eine systematische Veränderung der physikalischen Parameter auf unserem Planeten. Davon kann sich niemand freimachen", verdeutlicht Özden Terli. Für ihn steht damit außer Frage, dass verstärkt über das Thema Klimanotstand berichtet werden muss.
Bedeutet Klimaberichterstattung auch Aktivismus?
Bei aller Dringlichkeit sollte es zur Aufgabe für alle Journalistinnen und Journalistinnen werden, die Klimakrise in ihrem gesamten Ausmaß anzuerkennen und deren Auswirkungen und Folgen bei allen Berichterstattungen mitzudenken, entsprechende Fragen und Erkenntnisse in ihre Arbeit mit einfließen zu lassen.
Der Vorwurf – zum Teil auch aus dem eigenen journalistischen Umfeld – hierbei zu viel Haltung zu zeigen oder damit gar aktivistisch zu sein, sollte dabei nicht gelten. Das verdeutlichen unter anderem immer mehr Berichte von Medienschaffenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – und Aufrufe, wie der der Journalistin Sara Schurmann, mit dem sie sich bereits Ende 2020 eindringlich an alle Journalistinnen und Journalisten richtet.
Dass die Klimaberichterstattung nicht zwingend mit Aktivismus verbunden ist, schlussfolgert auch Journalismus-Professor Torsten Schäfer in einem Gespräch bei Deutschlandfunk. Bei diesem äußert er: "Die Frage, soll ich mich für Klima einsetzen, geht völlig an der Größe des Themas vorbei." Klimabezogener Journalismus sei ein Handeln, das im Rahmen von Grundwerten der nachhaltigen Entwicklung geschieht.
Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz scheint in Sachen Klimaberichterstattung insgesamt Aufholbedarf zu herrschen – bedenkt man, dass es erst seit 2018 überhaupt eine regelmäßige Klimaberichterstattung im Fernsehen gibt, wie eine Studie der Universität Hamburg aufzeigt. Und selbst diese erfolge dann noch immer häufig nur in Zusammenhang mit Nachrichtensendungen und zeige zu selten auf, wie Lösungen aussehen können.
Wir müssen ehrlicher darüber sprechen. Und das tun wir nicht genug.
Maren Urner meint: Genau das müsse sich ändern! Die Professorin für Medienpsychologie, die Medienschaffenden vermittelt, wie diese bei ihrem Publikum und den Medienkonsumenten zum Thema Klimawandel Gehör finden, ist überzeugt: "Die wichtigste Voraussetzung aus meiner Erfahrung, um Menschen dazu zu bekommen, ihr Verhalten zu ändern ist, wenn sie selbst von einer Sache überzeugt sind. Und das ist das Tolle! Wir wissen, wie wir das machen können", berichtet sie mit Blick auf die journalistischen Möglichkeiten dieses Thema passend und interessant für Medienkonsumenten aufzuarbeiten und verrät: "Die Währung, die dafür am allerwichtigsten ist, sind Emotionen."
Letztlich schlussfolgert Maren Urner: "Und wie kommen wir da dran? Und das ist auch klar – aber es ist anstrengend und gleichzeitig wunderbar schön – in dem wir ehrlicher darüber sprechen. Und das tun wir nicht genug."
Dass die mediale Berichterstattung über Klimawandel und Artensterben auch das Denken und Handeln unserer Gesellschaft prägt und beeinflusst, zeigt sich auch in den Ergebnissen der Untersuchung der MaLisa-Stiftung zu "Klimawandel und Biodiversität". Daraus geht beispielsweise hervor, das Fernsehen das am häufigsten genutzte Medium ist, wenn es darum geht, sich über den Klimawandel zu informieren.
Dabei liegt übrigens die wahrgenommene Präsenz der Befragten beim Thema Klimawandel mit 41 Prozent deutlich höher, als bei der Biodiversität mit 18 Prozent. Interessant ist in jedem Fall, dass sich 62 Prozent aller befragten Personen dafür aussprechen, zukünftig gern häufiger gute Geschichten im Fernsehen und Film mit Klimabezug sehen zu wollen.
Das Bedürfnis nach guter Information ist diesbezüglich also groß – steht aber zugleich einer Masse an Desinformationen und einer riesigen thematischen Flut an Beiträgen ums Klima in den sozialen Netzwerken gegenüber, gegen die sich die journalistischen Berichte behaupten müssen.
Klima und Alltag in den Berichten verbinden
Es stellt sich nun die Frage, wie Journalistinnen und Journalisten dieser Aufgabe gerecht werden können: Wie sie hier lösungsorientiert und nachhaltig zugleich berichten und Klimathemen zusätzlichen Raum verschaffen – das insbesondere auch ressortübergreifend.
"Man schaut, was berührt dieses Thema – also, wo spielt es überall hinein und was kann man jetzt quasi erzählen", kennt Journalistin Claudia Reiser für sich bereits die Antwort. In ihrer Arbeit praktiziert die MDR-Klimaexpertin, auch aus eigenem Interesse, genau das. Oft berichtet sie mitten "aus dem Leben", beispielsweise über zukunftsorientierte Landwirtschaft, die ohne Pflanzenschutzmittel auskommt – und praktiziert damit eine ansprechendere Art der Klimakommunikation.
Dieser Ansatz könnte mitunter auch zahlreichen anderen journalistischen Beiträgen gut zu Gesicht stehen, die Klima und Alltag auf eine ganz natürliche Weise miteinander verbinden ließen, die Zusammenhänge zwischen unserem Handeln und dem Klima aufzeigten und vermittelten, wie wir klimafreundlich leben.
Außerhalb von Wetterbeiträgen könnten Journalistinnen und Journalisten so in ihren Berichten den vielleicht oft naheliegende Kontext zum Klimawandel und zu den Auswirkungen für unsere Umwelt herstellen: beispielsweise beim Bau von Autobahnen und Gebäuden, Flugreisen, Grilltipps, Einkauf, Haushalt und Co. – inklusive Faktenwissen um komplexe Zusammenhänge, Transparenz und Einordnung.