Desinformation auf Tiktok, Telegram und X Welche Rolle spielen "Fake News" im Wahlkampf?
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21. Februar 2025, 14:51 Uhr
Mutmaßlich verbreitete Falschinformationen können politische Einstellungen verändern. Aktuell ermittelt das LKA Sachsen wegen eines Videos mit manipulierten Stimmzetteln in Leipzig. Soziale Medien spielen bei der Verbreitung von falschen Informationen eine tragende Rolle.
2,3 Millionen Menschen dürfen bei dieser Bundestagswahl zum ersten Mal abstimmen. Viele dieser jungen Wähler informieren sich hauptsächlich in sozialen Netzwerken. Das verändert den Wahlkampf. Gerade Tiktok spiele in Deutschland eine große Rolle bei der Verbreitung von falschen und manipulativen Inhalten, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Edda Humprecht von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Außerdem spielen Messenger-Dienste eine übergeordnete Rolle: "In Deutschland ist es Telegram, das unterscheidet sich aber von Land zu Land." X (ehemals Twitter) sei aber auch betroffen. Aus ihrer Sicht trete Elon Musk derzeit als Verstärker rechtspopulistischer Thesen auf, betont Humprecht.
Falschinformation wird als Gefahr für die Gesellschaft eingestuft
In Deutschland sind 84 Prozent der Menschen der Meinung, dass vorsätzlich verbreitete Falschinformationen ein großes Problem für unsere Gesellschaft darstellen. Das ergab eine Studie der Bertelsmann Stiftung.
Der Begriff "Fake News" wird in der Forschung allerdings nicht verwendet, erklärt Humprecht. Dabei handle es sich um einen politisierten Kampfbegriff, der meist verwendet würde, um Medien zu diskreditieren. "Der Begriff suggeriert, dass es sich dabei um Nachrichten handelt, was aber eigentlich nicht der Fall ist."
Im Vorfeld einer Wahl gibt es mehr Desinformation
In der Forschung sind in diesem Zusammenhang zwei Begriffe etabliert: Desinformation und Missinformation. Letzteres trifft beispielsweise auf die klassische "Zeitungsente" zu: Eine Meldung, die sich als falsch herausstellte und aus Versehen veröffentlicht wurde. Anders ist es dagegen bei Desinformation. Der Begriff beschreibt das gezielte Verbreiten von falschen Informationen mit dem Ziel, Menschen zu täuschen und zu manipulieren. Das kann beispielsweise in den sozialen Medien oder über Messenger-Dienste wie WhatsApp und Telegram geschehen.
Insbesondere im Vorfeld von Wahlen kursiert häufig mehr Desinformation im Netz, berichtet Edda Humprecht: "Weil das eine kritische Phase ist, in der es um Meinungsbildung geht." In Leipzig befassen sich aktuell etwa die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt mit Desinformation: Ermittelt wird gegen Personen, die Videos von gefälschten Wahlunterlagen in den sozialen Medien in Umlauf gebracht haben. Zu sehen sind auf den Videos Stimmzettel, die den Eindruck erwecken, die AfD sei dort nicht mit aufgeführt. Der Stadt Leipzig selbst ist nach eigenen Angaben kein derartiger Vorfall bekannt, dennoch verbreitet sich das Video in den sozialen Medien.
Soziale Medien springen auf Desinformation an
Gerade weil Desinformation häufig emotionalisiert, wird sie vielfach geliked, geteilt oder weitergeleitet. Die Algorithmen der sozialen Netzwerke reagieren darauf. Weil sie wahrnehmen, dass ein Post auf Interesse stößt, spielen sie die Inhalte an noch viel mehr Nutzende aus. So verstärken soziale Medien die Dynamik noch weiter.
Aus wissenschaftlicher Perspektive sei das besorgniserregend, betont Kommunikationswissenschaftlerin Humprecht: "Sehr, sehr viele Menschen können innerhalb von kürzester Zeit mit diesen Informationen in Kontakt kommen." Die Faktenchecks, die viele Unternehmen vor einigen Jahren eingeführt hatten, um die Dynamik aufzulösen, wirkten Desinformation entgegen – allerdings mit eher schwachen Effekten. Die Netzwerke des Konzerns Meta, Instagram und Facebook, werden in den USA ihre Faktenchecks künftig sogar ganz einstellen.
Desinformation wirkt längerfristig auf politische Einstellungen
Per se ist ein einziges, gefälschtes Bild oder eine falsche Erzählung auch noch gar nicht das Problem. Edda Humprecht beschreibt das folgendermaßen: "Wenn man Personen nach einem ganz bestimmten Inhalt fragt, dann ist die Antwort häufig: Naja, das ist vielleicht nicht richtig, aber es könnte so sein." Wenn Desinformation zur Voreinstellung passe, werde sie häufig als weiteres Argument herangezogen, um beispielsweise für eine bestimmte Partei zu stimmen oder eine bestimmte Perspektive zu unterstützen.
Aktueller Fall in Leipzig
Zu Wahlzeiten bezieht sich Desinformation häufig auf Stimmzettel oder Wahllokale. Beispielsweise mit der Behauptung, man müsse einen eigenen Stift bringen, weil im Wahllokal nur Bleistifte ausliegen würden. Oder eben auf vermeintlich gefälschte Stimmzettel, wie aktuell in Leipzig.
In diesem Zusammenhang kann auch generative KI künftig eine bedeutsame Rolle spielen, beispielsweise wenn es darum geht, täuschend echte Fälschung zu erstellen, sogenannte Deepfakes. Noch sei die Wirkung solcher Fakes aber begrenzt, sagt Edda Humprecht: "Es geht auch gar nicht so sehr um die Fälschungen an sich, sondern darum, wie sie politische Einstellungen längerfristig verändern können." Sie stelle fest, dass die Bilder, die aktuell im Zusammenhang mit Desinformation von einem größeren Publikum (viral) geteilt werden, eher schlechte Fälschungen seien. "Das ist keineswegs so gut, dass man das nicht mehr auseinanderhalten kann."
Wirkung von Desinformation auf Wahlentscheidungen ist schwer messbar
Insgesamt beschreibt Forscherin die Wirkung von Desinformation auf die tatsächliche Wahlentscheidung als "schwer messbar". Es gebe Hinweise darauf, dass Desinformation beeinflusst, wie Menschen politisch denken. Außerdem befördere sie eine schleichende Verzerrung des Meinungsklimas: "Wir können beobachten, dass es in Deutschland zunehmen schwer wird, konstruktive Diskussionen zu bestimmten Themen zu führen."
Was wir bei der Diskussion über Desinformation aber auch berücksichtigen sollten: Das Thema führt zu Verunsicherung. Wenn Medien zu intensiv über das Thema berichten, kann das auch dazu führen, dass viele Menschen nicht sicher sind, ob sie wahre und falsche Inhalte auseinanderhalten können. Das kann nach Einschätzung von Edda Humprecht zu Zynismus, Politikverdrossenheit und letztendlich auch zur Abwendung von Politik führen.