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Über die Forschung am MPI für Neurologie und Kognition in Leipzig

MDR FERNSEHEN Mo 29.01.2024 12:35Uhr 03:49 min

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Hirnforschung Langsames Babyhirn gibt die Reihenfolge beim Spracherwerb vor

27. Januar 2024, 15:59 Uhr

Wenn wir auf die Welt kommen, ist unser Gehirn noch nicht voll entwickelt. Deshalb arbeitete es in unseren ersten Lebensmonaten sehr langsam. Unsere Sprache jedoch ist schnell, einzelne Laute klingen meist nur 50 Millisekunden. Wie schaffen es Babys trotzdem, Worte ihrer Muttersprache zu erkennen und so Sprache zu erlernen? Forschende aus Leipzig haben es herausgefunden.

Porträtfoto einer Frau mit einer rosa Bluse.
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Wie sich unser Gehirn im Laufe der Zeit entwickelt, damit beschäftigt sich die Hirnforscherin Katharina Menn seit Jahren, vor allem damit, wie es Worte verarbeitet. "Sprache ist ja relativ schnell. Einzelne Laute klingen in natürlich gesprochener Sprache nur etwa 50 Millisekunden. Wir wissen aber, dass das Gehirn eines Neugeborenen noch sehr langsam arbeitet und nur akustische Reize verarbeiten kann, die 150 bis 200 Millisekunden dauern. Da haben wir uns gefragt, wie Babys trotzdem schon in den ersten Lebensmonaten Sprache erwerben, scheinbar mühelos und schnell", erinnert sich die Wissenschaftlerin daran, wie gemeinsam mit ihrem Team am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig die Idee zur Studie entstand.

Katharina Menn
Katharina Menn forscht zur Entwicklung des Gehirns von Babys und Kleinkindern. Bildrechte: MPI CBS

"Wir haben gesehen, dass einzelne Laute zwar kurz sind, aber meist mehrere davon hintereinander auftreten, die eine bestimmte Eigenschaft teilen, zum Beispiel die Stimmhaftigkeit. So besteht das Wort 'Band' aus stimmhaften Lauten. Spricht man sie aus, gerät die Stimmritze im Kehlkopf in Schwingung." Das trifft in manchen Fällen für ein ganzes Wort zu. Damit ist sein Klang dann länger als bei einem einzelnen, weniger stimmhaften Lauten.

Der Klang einzelner Laute entscheidet darüber, wie schnell sie gelernt werden

Katharina Menn und ihr Team vermuteten, dass Säuglinge diese länger klingenden Lautmerkmale eher wiedererkennen als die einzelnen kurzen. Um herauszufinden, ob das wirklich so ist, spielten sie Babys die Geschichte von Lars dem Eisbären auf Deutsch vor. Während die kleinen Teilnehmer zuhörten, zeichneten die Forschenden mittels Elektroenzephalogramm (EEG) deren Hirnströme auf und konnten daran sehen, wann die Nervenzellen besonders aktiv waren und wie intensiv sie arbeiteten. Die aufgezeichneten Wellen zu den einzelnen Lauten wurden übereinandergelegt, der Durchschnitt ermittelt und geschaut, ob das Gehirn immer gleich stark auf die jeweiligen Reize reagiert.

Baby mit EEG
Elektroden am Kopf des Babys messen, wann das Gehirn beim Zuhören besonders aktiv ist. Bildrechte: MPI CBS

"Wenn das so war, war das unser Beleg dafür, dass die Babys die Laute beziehungsweise Lautverbindungen wiedererkannt, also bereits erworben hatten. Und das waren eben die länger dauernden stimmhaften Lautverbindungen. Erst später kommen die kürzeren hinzu, wenn das Gehirn so weit gereift ist, dass es dazu in der Lage ist", fasst Katharina Menn die Ergebnisse zusammen. Die Studie zeigt erstmals, dass die Langsamkeit des Babygehirns darüber entscheidet, in welcher Reihenfolge Säuglinge Sprache erwerben.

Zur Kontrolle bekamen die Babys übrigens die Geschichte auch auf Französisch zu hören. Das EEG zeigte, dass sie darauf auch reagierten, dass das Gehirn die Signale verarbeitete. Sie erkannten jedoch die fremden Laute nicht wieder, konnten also bereits zwischen Muttersprache und Fremdsprache unterscheiden.

Ist die Langsamkeit des Babyhirns ein Nachteil?

Das Verarbeitungstempo des Gehirns von Babys gibt also vor, in welcher Reihenfolge sie Laute ihrer Muttersprache erwerben. Ist diese Langsamkeit für sie grundsätzlich ein Nachteil? Nein, vermuten die Leipziger Forschenden.

"Wir können uns vorstellen, dass sie sogar ein Vorteil ist. Man muss sich ja vorstellen: Ein Baby wird geboren und irgendwie ist alles neu, da sind plötzlich so viele Eindrücke, so viele Reize", sagt Menn. "Da sind Leute, die reden, da ist Licht, da ist Sehen. Wir glauben, dass diese Langsamkeit vielleicht eine Möglichkeit für das Kind ist, sich erstmal auf etwas zu fokussieren, Struktur und Ordnung zu finden, eine Reihenfolge, in dem es neue Informationen aufnimmt. Dazu gehört auch, dass sie zuerst die langsameren Lautmerkmale aufnehmen und später erst die Schnelleren."

Wie können Eltern ihre Babys beim Spracherwerb unterstützen?

Die meisten Erwachsenen passen ihr Sprechtempo und die Betonung intuitiv den Bedürfnissen von Babys an. Die Forschung ist sich darüber einig, dass das den Kindern beim Spracherwerb hilft. Aber wie verändert sich dieser Umgang miteinander im Laufe der ersten zwei Lebensjahre? Wie passen sich Eltern der Entwicklung ihrer Kinder an? Passen sie sich überhaupt an? Besonders im Hinblick auf die Lautmerkmale wurde dazu noch nicht viel geforscht.

Deshalb ist das die nächste Fragestellung, der sich Katharina Menn und ihr Team widmen. Die Wissenschaftler werten dazu derzeit Daten aus eine Untersuchung aus, bei der Eltern mit ihren Kindern in einer Laborsituation beobachtet wurden. In einem Raum mit Spielzeug blieben sie unter sich, die Kommunikation wurde mit einem Mikrofon aufgezeichnet. Anschließend unterhielten sich die Forschenden mit den Eltern, um herauszufinden, wie sie mit Erwachsenen interagieren.

Die Studien des Max-Planck-Instituts für Kognition und Neurowissenschaften in Leipzig dienen der Grundlagenforschung, dem Verständnis dafür, wie bestimmte Prozesse ablaufen. "Wir hoffen natürlich, dass unsere Erkenntnisse irgendwann einmal Kindern helfen können, die Probleme haben mit dem Spracherwerb", so Katharina Menn.

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