DAS MDR KLIMA-UPDATE | FREITAG, 5. NOVEMBER 2021 Eine Minute vor zwölf – geht's denn voran in Glasgow?
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02. Mai 2024, 17:22 Uhr
Das MDR Klima-Update: Die Weltklimakonferenz COP26 ist in vollem Gange. Zeit für ein Zwischenfazit. Außerdem: Warum schlängelnde Flüsse dem Klima helfen, die Sache mit der Atomkraft hingegen schwierig ist.
Liebe Leserin, lieber Leser,
sind Sie auch ein kleiner Spielmatz? Na dann spielen Sie mal hier. Das Tool Picturing Our Future (dt. Unsere Zukunft ausmalen) zeigt schonungslos, dass man schon bei 1,5 Grad Erderwärmung am Bremer Stadtgraben nasse Füße bekommen wird. Was bei drei Grad passiert? Fragen Sie lieber nicht, sondern schieben Sie den Regler selbstständig nach rechts.
Apropos Regler. Die lassen sich auch am Modell von Glasgow verschieben (und zeigen, wie die Stadt bereits bei zwei Grad Erderwärmung geflutet wird). Das passt ganz gut, weil es in der schottischen Metropole gerade um noch ganz andere Regler geht. Beim Weltklimagipfel COP26 treffen sich in diesen Tagen Delegierte aus den Ländern dieser Erde.
Wissen Sie, das ist jetzt das 26. Mal, dass Expert*innen, Vertreter*innen, Menschen zusammenkommen, um zu beraten, wie man der Weltbevölkerung einen klimatischen Kollaps in diesem Jahrhundert ersparen könnte. Oder, um es mit den Worten des gastgebenden britischen Premiers Boris Johnson zu sagen:
Es ist eine Minute vor zwölf.
Aber wie Sie vermutlich auch wissen, ist das mit dem Druck immer so eine Sache. Entweder bereitet er der Prokrastination endlich ein Ende. Oder er führt zur Schockstarre. Was den aktuellen Stand der Verhandlungen betrifft, vermag ich nicht zu urteilen. Nur so viel: Wirklich Bahnbrechendes ist bisher nicht bei rumgekommen. Weiter unten lesen Sie meine Notizen dazu.
Ansonsten: Vielleicht ist es ja erst am Freitag nächster Woche, am letzten Tag der COP26, eine Minute vor zwölf. Und jetzt 11 Uhr 58 und 45 Sekunden.
Wir haben also noch ein bisschen Zeit.
Zur Einstimmung würde ich aber erstmal gern die Kollegin Claudia Reiser von MDR AKTUELL zu Wort kommen lassen:
Das, was von der Konferenz zu erwarten ist, hat Sarah-Maria Köpf bereits vergangene Woche zusammengefasst. Schauen wir mal auf die Ergebnisse der vergangenen Tage:
🌳🌲🌴 WÄLDER
Die Zerstörung der Wälder unseres Heimatplaneten ist ein in vielerlei Hinsicht schwerwiegendes Problem. Auch fürs Klima. Erfreulicherweise haben sich hundert Staaten verpflichtet, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Wenn das Wörtchen Wenn nicht wäre: So verweist die BBC auf eine ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014, die sich als vollkommen wirkungslos erwiesen hat. Eine Enttäuschung in neun Jahren ist also erstmal naheliegend. Auch, weil sich die neue Abmachung nicht mit der wachsenden Nachfrage nach Produkten auseinandersetzen würde, die für gerodete Regenwaldflächen verantwortlich sind. Der steigende Fleischkonsum etwa.
🐄💨 METHAN
Einer Initiative von Seiten der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zur Minderung von Methan-Emissionen haben sich achtzig Staats- und Regierungschefs angeschlossen. Um dreißig Prozent wolle man den Ausstoß bis zum Ende des Jahrzehnts senken. Leider schlossen sich China und Russland dieser Initiative nicht an, obwohl sie zu den größten Emittenten gehören. Letztendlich kann das Ziel auch nur mit einem Umdenken in der Landwirtschaft erreicht werden. Und einem Umdenken bei uns, den Verbraucher*innen (findet Helga Schmidt aus dem ARD-Studio Brüssel).
🔌☀️ GRENZENLOS ÖKOSTROM
Ebenfalls achtzig Staaten haben angekündigt, die Strominfrastruktur besser zu verknüpfen. Unter dem Stichwort Green Grids-Initiative, die Idee stammt von Indien und Großbritannien, soll grüne Energie besser verteilt werden – über Grenzen und Zeitzonen hinweg. Der britische Premier Johnson erwarte dadurch auch mehr Wachstum und Jobs im Bereich der Erneuerbaren. Außerdem solle so mehr Menschen der Zugang zu Strom ermöglicht werden.
❗ Knackpunkt bei der diesjährigen Konferenz sind auch Zaster, Asche, Moneten, you name it. 💸 Denn es steht die Frage im Raum: Wer soll das eigentlich alles bezahlen? Fakt ist: Die (wohlhabenden) Staaten, die überproportional stark für den Klimawandel verantwortlich sind, bekommen die Folgen – zumindest in diesen Tagen – deutlich weniger zu spüren als die ärmeren Länder des globalen Südens.
Die ärmsten Länder fanden am dritten Tag der Konferenz bereits deutliche Worte und erhöhten noch einmal den verbalen Druck. Auch bzgl. nicht eingelöster Versprechen der Industriestaaten. Denn selbst wenn Deutschland durch Dürre oder die verheerende Flutkatastrophe im Juli inzwischen gemerkt haben dürfte, dass die Klimakrise Realität und keine lustige Was-so-alles-mal-passieren-könnte-Dystopie ist – in den Ländern des globalen Südens sind die Auswirkungen durch Wassermangel, Überschwemmungen, Ernteausfälle und Hunger an der Tagesordnung.
Eine Herzensempfehlung meinerseits ist diesbezüglich die bereits ein paar Jahre alte, aber nach wie vor sehr aktuelle, hervorragende Weltspiegel-Reportage SOS Südsee.
❓ Wie geht's denn jetzt weiter?
Tagesaktuell auf dem Laufenden zu den Entwicklungen auf der COP26 halten Sie die Kolleg*innen von MDR AKTUELL ➡ im Nachrichten-Blog.
Und wenn Ihnen das gesprochene Wort lieber als das geschriebene ist: In ➡ Kemferts Klima-Podcast beantwortet die Energie- und Klimaökonomin Claudia Kemfert die Klimafragen unserer Zeit.
Bei der COP26 sind allerhand Menschen vor Ort, das wissen wir bereits. Delegierte am Verhandlungstisch, Expert*innen, Beobachter*innen die danebenstehen. Um den Teilnehmenden-Nebel ein bisschen zu lichten, hat sich mein Kollege Marcel Roth auf die Suche gemacht nach denjenigen – Sie ahnen es schon – die aus Mitteldeutschland in Glasgow vor Ort sind:
Lösungen her!
Kritik an der Klimapolitik und fehlendem Umweltengagement einzelner Akteur*innen ist, ganz vorsichtig ausgedrückt, durchaus berechtigt – aber lassen Sie uns konstruktiv werden. Manche Ideen, das Klima zu retten, klingen erstmal so naiv und simpel gedacht, dass sie erst recht interessant sind. In dieser Woche machten gleich zwei Studien aus der Schweiz von sich reden.
Wir wäre es denn zum Beispiel …
Weniger verheißungsvoll scheint hingegen Atomkraft zu sein. Vor dem Hintergrund vieler Staaten, die durch Kernenergie versuchen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, hat sich ein Forschungsteam die Faktenlage zum Thema noch einmal angesehen:
Dass es meistens keine so gute Idee ist, den natürlichen Lauf eines Flusses zu verändern, ist soweit nichts Neues. Aber hätten Sie gedacht, dass mäandernde Flüsse einen positiven Beitrag zum Klima leisten können? Meine Kollegin Kristin Kielon hat sich das hier erklären lassen:
Und um in diesem Zusammenhang mal ein hübsches Bild zu zeichnen: Wie nett wäre es denn eigentlich, wenn die Flüsse jene Anbauflächen umschlängeln, die sie durch ihre mäandernde Weise gerade retten? Will sagen: Um das Getreide steht es künftig nicht so gut, wie aktuelle Forschung im Fachblatt Nature Food nahelegt:
So, was tun Sie eigentlich?
Verstehen Sie diese Frage bitte nur ein bisschen rhetorisch. Denn sie wurde tatsächlich gestellt. Die Kolleginnen von MDRfragt haben ein mitteldeutsches Stimmungsbild eingefangen und haben herausgefunden:
Drei Viertel der MDRfragt-Teilnehmenden wünschen sich einen stärkeren Einsatz gegen den Klimawandel. Und viele haben dafür auch den eigenen Lebensstil geändert.
Warum Leon vom Wurstfan zum Veganer wurde und Anja den spontanen Lustkäufen abgeschworen hat, das lesen Sie hier.
Autsch.
Sorgen Sie sich nicht, ich habe mich nur gerade ein bisschen zu fest an der eigenen Nase gefasst. Schadet im Übrigen nicht, dass wir Journalist*innen ab und an mal reflektieren, wie wir eigentlich Geschichten rund um die Klimakrise erzählen. Einen wertvollen Impuls zum Thema liefert ein Gastbeitrag, der vergangene Woche im Medienkritik-Blog Übermedien erschienen ist. Darin zeigen die Autor*innen zum Beispiel, wie wir durch unsere Erzählweise möglicherweise verhindern, dass die Botschaften der Klimakrise auch wirklich überall ankommen.
Beispiel: Einen Abschnitt weiter oben habe ich Sie gefragt, was Sie eigentlich gegen die Krise tun und auf gute Beispiele aus der MDRfragt-Community verwiesen. Nun sollte vielleicht gar nicht so im Vordergrund stehen, dass Leon auf seine Wurst verzichtet. Sondern dass Leon ein Interesse daran hat, auch in Zukunft ordentlich futtern zu können. Oder Anja: Auch wenn sie Lustkäufen den Kampf angesagt hat – damit stellt sie sicher, dass sie auf die Konsumfreuden des Lebens auch in Zukunft nicht gänzlich verzichten muss.
Behalten wir im Hinterkopf, versprochen!
Zum Schluss
… entlasse ich Sie in den hochherbstlichen Freitag mit einem Anekdötchen. Wie Sie wissen, sind wir – das betrifft zumindest meinen Kolleg*innenkreis von MDR WISSEN – ganz verrückt nach Elektromobilität. Seit Tagen geht es in der Mittagspause darum, ob und wie man am besten mit einem E-Scooter nach Feierabend zum Nordstrand des Cospudener Sees gelänge. Und der Themenschwerpunkt Wasserstoff hat das Feuer erst wieder so richtig loslodern lassen – nicht zuletzt weil das einfach immer alles so grandios nach Zukunft klingt, nach Zukunft, die es jetzt schon gibt, ach, hach!
Und schon lange gab. Denn wussten Sie, dass das die ersten Elektroautos bereits 1888 gebaut wurden? Verantwortlich zeigte sich dafür die Firma Flocken aus Coburg. Okay. Sah eher aus wie eine Kutsche. Aber ohne Pferdchen. Ach ja: Der Anteil an Elektroautos in den USA lag zur vorletzten Jahrhundertwende bei 38 Prozent. Mehr dazu haben die Kolleg*innen von FM4 auf Instagram zusammengetragen.
Ob mein Chef eigentlich weiß, dass sein neuer Wagen ein alter Hut ist?
Kommende Woche erzählt Ihnen meine Kollegin Sarah-Maria Köpf an dieser Stelle, was sich auf der Weltklimakonferenz in Glasgow indes so zugetragen hat.
Passen Sie auf sich auf.
Herzlich
Florian Zinner
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