Flüsse als C02-Senken Wie mäandernde Flüsse dem Klima helfen

02. November 2021, 16:26 Uhr

Kennen Sie noch einen Fluss, der sich in großen Schleifen durch die Landschaft schlängelt? Viele Flüsse und Bäche sind ja über die Jahrhunderte begradigt worden, zum Beispiel damit man mit Schiffen schneller vorankommt. Doch das ist nicht nur bei Hochwasser ein Problem, wenn sich der Fluss seine natürliche Aue zurückerobert und sie überflutet, sondern auch fürs Klima.

Wenn ein Sandkorn sich auf die 1.200 Kilometer lange Reise den Rio Bermejo hinunter macht, dauert es rund 8.500 Jahre bis es die Mündung in den Rio Parana erreicht. Denn der Fluss zieht sich in unzähligen Schleifen durch das argentinische Tiefland.

Rio Bermejo, Fluss 3 min
Bildrechte: Kristen Cook

Er verläuft noch ganz natürlich und hat keine Zuflüsse, erklärt Dr. Dirk Sachse vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ). Und er bietet noch einen Vorteil: Der Fluss transportiert auch noch sehr viele Sedimente. "Ein wirklich kakaofarbener Fluss", sagt der Wissenschaftler, "der es uns bei der Probennahme leicht macht, weil wir einfach größere Mengen nehmen können als bei Flüssen, die klar sind, die weniger Material transportieren." Das Forschungsteam hat die Proben analysiert und konnte so die lange Reise der Sandkörner im Rio Bermejo nachzeichnen.

Sandkörner reisen mit Zwischenstopps im Schneckentempo

Und diese Reise kann dauern: Sandkörner werden Sachse zufolge nämlich entlang der Mäander immer wieder in der Flussaue abgelagert und teils Jahrtausende später weiter transportiert. Dabei wird das Sandkorn von Kohlenstoff begleitet, der aus aus Pflanzen und Boden eingespült wird. "Der Kohlenstoff in den Böden wird durch den Fluss transportiert. Wenn dieser Kohlenstoff nun während des Transportes oder während der Ablagerung in den Flussauen wieder oxidiert, wird er zu Kohlendioxid. Dann ist der Kreislauf quasi wieder geschlossen. Wird dieses Material aber in die Ozeane verfrachtet, ist das ein effizienter Prozess, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen." Und das für Millionen von Jahre, setzt Sachse nach.

Die unsichtbaren Prozesse in Flüssen, die sich schlängeln

Flusslauf der Lippe
Hier schlängelt sich die Lippe: Und dank der GFK-Forschung wissen wir jetzt, wozu das gut ist. Bildrechte: IMAGO / Hans Blossey

Das GFZ-Forschungsteam konnte zeigen, dass mäandernde Flüsse das besser können. Die lange Wanderung durch die Schleifen verhindert, dass der Kohlenstoff oxidieren und als CO2 in die Atmosphäre entwischen kann. Das heißt, der Kohlenstoff muss ohne diese chemische Reaktion das Meer erreichen. Dr. Dirk Sachse erklärt: "Wir haben gesehen, dass in dem Bereich, wo der Fluss diese Mäander zieht, die Kohlenstoff-Bilanz besser ist, weil man der Atmosphäre dort mehr Kohlenstoff entziehen kann als in den Bereichen, wo der Fluss gerade ist." Damit Flüsse eine möglichst effektive Kohlenstoff-Senke sind, müssen sie mit ihrer natürlichen Aue interagieren können, erläutert der Geomorphologe. Sie müssen dort Sedimente abtragen und wieder ablagern können.

Wenn wir Flüsse wieder freilassen, hilft das dem Klima?

Heißt das also, wir müssen auch hierzulande unseren begradigten Flussläufen wieder mehr Platz für Mäander machen im Kampf gegen die Klimakrise? "Die Hypothese wäre schon, dass, wenn man dem Fluss mehr Raum gibt, der dann mehr Kohlenstoff der Atmosphäre entziehen kann. Aber wir sprechen hier über Prozesse, die nicht in in zehn Jahren passieren. Wenn wir jetzt die Oder oder andere Flüsse in ihren natürlichen Lauf lassen würden, würden wir nicht in fünf Jahren einen Effekt sehen, sondern in tausenden von Jahren." GFZ-Forscher Sachse will als nächstes Flüsse, bei denen der Mensch eingegriffen hat, untersuchen, um zu schauen wie stark der Unterschied tatsächlich ist. Doch er ist jetzt schon überzeugt davon, dass wir uns künftig an dem orientieren sollten, was wir von natürlichen Flussläufen wie dem des Rio Bermejo lernen können, um möglichst nachhaltige Landschaften für die Zukunft zu gestalten.

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