Klimakrise Getreideausfälle und Hungersnöte: Der Klimawandel bedroht unsere Ernten
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01. November 2021, 17:00 Uhr
Nicht nur für das Klima, auch für den Ertrag von Nutzpflanzen gibt es Modelle, die beschreiben sollen, ob wir trotz Klimawandel in Zukunft noch satt werden. Die Modelle sind besser geworden. Und die Lage ernster, wie eine neue internationale Studie zeigt. Ohne entsprechende Maßnahmen wird es künftig vor allem diejenigen treffen, für die eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln schon jetzt keine Selbstverständlichkeit ist.
Im Prinzip könnten alle Mahlzeiten betroffen sein: Die vegane Reisbowl zum einen. Das zünftige Entrecôte Château zum anderen. Denn der Bowl-Reis wird knapp. Und Soja auch – und damit Tierfutter. Und damit Steaks. Ein Problem, das uns nicht erst Mitte-Ende des Jahrhunderts beschäftigen wird.
Zu dem Schluss kommen Forschende im Fachmagazin Nature Food. Das internationale Team hat sich damit beschäftigt, wie sich der Klimawandel auf die Erträge von Mais, Weizen, Reis und Soja auswirken wird. Das mahnende Ergebnis: Bereits in den kommenden zwanzig Jahren kann es zu einem spürbaren Rückgang der Erträge kommen. Am deutlichsten wird davon Mais betroffen sein, eine beliebte Futterpflanze für Tier und Mensch. Und das am meisten angebaute Getreide der Welt. Neben Futtersilage für die Nutztierhaltung ist Mais eine entscheidende Nahrungsgrundlage in vielen Ländern Afrikas, Mittel- und Südamerikas. Und auch um Soja und Reis steht es schlechter als bisher angenommen.
Weizen kommt weitestgehend durch – erstmal
Grundlage der Untersuchung sind Pflanzen- und Klimamodelle der neuesten Generation, deren Vorhersagen präziser, aber eben auch pessimistischer sind. Nur um die Doppelsemmel zum Sonntagsfrühstück sieht's noch nicht ganz so wild aus. Denn das Wachstum unser aller liebster Weißmehlbasis profitiert – wie andere Pflanzen auch – eigentlich von höheren CO2-Konzentration. Deshalb werde der Studie zufolge der Weizenertrag bis Mitte des Jahrhunderts auch weiter zunehmen, allerdings stetig langsamer. Danach könnte es wieder zum Ertragsverlust kommen. Der CO2-Wachstumseffekt ist also keineswegs linear und von verschiedenen Faktoren abhängig.
"Die aktuelle Studie kommt mit verbesserten Methoden und Daten zu dem Ergebnis, dass deutliche Ertragseffekte durch den Klimawandel vermutlich schon sehr viel früher zu erwarten sind als bisher angenommen. Aus meiner Sicht sind diese Ergebnisse plausibel und müssen sehr ernst genommen werden", so die Einschätzung von Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie an der Universität Bonn. "Im Klartext heißt das: Der Zeitraum für mögliche Anpassungen wird kürzer. Der Druck, schnell und entschieden zu handeln, wächst massiv an. Ohne deutliche Veränderungen kann es regional sehr leicht zu Versorgungsengpässen und Hungernöten kommen."
Als Ursache für die verminderte landwirtschaftliche Produktivität verweisen die Studienautor*innen auf wärmere Durchschnitts- und Extremtemperaturen, veränderte Niederschläge und Dürren sowie eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Damit tut sich eine zweite Baustelle im Kampf gegen den Klimawandel auf, so Matin Qaim: "Den Klimawandel so gut es geht noch aufzuhalten, muss natürlich Top-Priorität bleiben. Gleichzeitig müssen wir aber auch rasch Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft entwickeln und umsetzen." Das würde bedeuten: Vielfältigere Produktionssysteme, auch unter Berücksichtigung neuer beziehungsweise bisher vernachlässigter Kulturarten. Neue Züchtungsmethoden – wie die Genschere – könnten Qaim zufolge zudem helfen, Pflanzen gezielt und schnell widerstandsfähiger gegen Hitze, Dürre und anderen Klimastress zu machen. "Hier sollten wir weit verbreitete Vorurteile zügig überwinden, denn diese Technologien bieten großes Potenzial, zur Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit in der Landwirtschaft beizutragen."
Reiche Ländern können sich sattkaufen
Ein dauerhafte Lösung ist dies freilich nicht, eher eine Bekämpfung von Symptomen, um vorrübergehend Hungerkrisen zu verhindern. Die werden vor allem den globalen Süden treffen, Länder, in denen die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln ohnehin weit weniger selbstverständlich ist als in unseren Breiten. Matin Qaim: "Bei uns in den gemäßigten Klimazonen werden die negativen Ertragseffekte durch den Klimawandel viel weniger stark auftreten als in tropischen und subtropischen Regionen." Durch unseren Wohlstand seien wir zudem in der Lage, bei Ertragsausfällen immer Nahrungsmittel aus anderen Regionen zukaufen können. "Ganz anders sieht das in den armen Regionen Afrikas und Asiens aus, wo nicht nur die Ertragsausfälle größer sein werden, sondern auch mehrere Hundert Millionen Kleinbauern direkt von der Landwirtschaft abhängig sind. "
Die Studie zeigt auch, dass viele sehr wichtige Anbauregionen – sogenannte Kornkammern – von dieser Entwicklung betroffen sein werden. In höheren Breiten könnte die Entwicklung hingegen dazu führen, dass Anbauflächen überhaupt erst in Frage kommen. Ein Phänomen, das sich zum Beispiel derzeit im britischen Weinbau zeigt, einer klimatischen Grenzregion, die in dieser Hinsicht zuletzt vom Klimawandel profitiert hat. Ob Riesling aus den Midlands oder Maiskolben unter Polarlichtern – wert dürfte es diese Zugewinne wohl trotzdem kaum sein.
flo
Link zur Studie
Die Studie Climate impacts on global agriculture emerge earlier in new generation of climate and crop models erschien am 1. November 2021 im Fachblatt Nature Food.
DOI: 10.1038/s43016-021-00400-y
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