Wehre, Wände, Evakuierungen und Co. So schützt sich Mitteldeutschland vor Hochwasser
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28. Dezember 2023, 18:34 Uhr
Aktuell drohen wieder große Überschwemmungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – wie schon häufiger in der Geschichte. Dagegen wurden teilweise ausgeklügelte Strategien entwickelt.
Es zeigt sich derzeit eine kritische Lage an Elbe, Saale, Mulde und anderen Flüssen in Mitteldeutschland, die an die Hochwasser 2022 und 2013 erinnert. Nach den ergiebigen Regenfällen im Dezember haben viele Gewässer derzeit sehr hohe Pegel, in Sachsen-Anhalt ist die Situation sogar historisch, da erstmals alle Flussgebiete in dem Bundesland gleichzeitig von Hochwasser betroffen sind. Für die Elbe wird der Verlauf des Scheitelpunkts in Sachsen und Sachsen-Anhalt ab dem 28. Dezember erwartet, für die Saale hat er diesen in Halle bereits erreicht. Dank neuer Schutzstrategien dürften die Folgen aber wohl nicht so dramatisch werden wie bei früheren Hochwassern. MDR WISSEN stellt einige davon vor.
Wahrzeichen schützt Magdeburg seit 150 Jahren
Für den Schutz der Region Magdeburg vor Hochwasser bildet das Pretziener Wehr zusammen mit dem Elbe-Umflutkanal das wichtigste System. Am Vormittag des 28. Dezember wurde das Wehr geöffnet, was in seiner 150-jährigen Geschichte schon mehr als 60 Mal passiert ist. Das Wehr ist Teil eines rund 900 Meter langen Damms und lässt bei seiner Öffnung einen Teil der Wassermassen der Elbe durch den 21 Kilometer langen Umflutkanal abfließen, womit besonders Magdeburg und Schönebeck geschützt werden. Dafür werden Acker- und Waldflächen zwischen den beiden Städten überflutet und auch die Bundestraße 246a zwischen Schönebeck und Plötzky muss gesperrt werden.
Schon beim Hochwasser 2002 schützte das Pretziener Wehr Magdeburg vor größeren Schäden. Auch 2013, als der Scheitelpunkt der Elbe in der Domstadt noch deutlich höher war, half es dabei, Schlimmeres zu verhindern. So wurde Magdeburg im Gegensatz zu Städten am Oberlauf der Elbe bei den beiden großen Hochwassern in diesem Jahrtausend nur wenig überschwemmt. Nach der starken Belastung 2002 wurde das Wehr grundlegend saniert, nachdem dies schon einmal zu DDR-Zeiten in den 1960er-Jahren passiert war. Mittlerweile gilt das Bauwerk von 1873 als ein Meisterwerk der Ingenieurbaukunst in Deutschland und bekam als solches 2015 auch eine Auszeichnung als Wahrzeichen der Bundesingenieurkammer.
Hochwasserschutzmauer in Grimma fertig, in Döbeln gerade im Bau
Ein solches Wehr fehlt in Dresden, weshalb die Elbmetropole von den Hochwassern 2002 und 2013 viel stärker betroffen war. Dazu kommen kleinere Flüsse aus dem Erzgebirge wie die Weißeritz und der Lockwitzbach, die bei Tauwetter schnell zu Strömen anschwellen können. Dennoch ist man auch in Dresden in den vergangenen Dekaden natürlich nicht untätig geblieben. So gibt es auch in der sächsischen Landeshauptstadt zwei Flutrinnen, die ähnlich dem Magdeburger Umflutkanal bei Hochwasser einen Teil der Elbfluten aufnehmen sollen. Dazu kommen großflächige Elbwiesen im Bereich der Innenstadt, die bewusst nicht bebaut wurden, um als Überflutungsräume fungieren zu können. Das Wasser der Weißeritz und des Lockwitzbaches kann außerdem durch mehrere Rückhaltebecken wie die Talsperren Malter, Lehnmühle und Reinhardtsgrimma reguliert werden.
Einen bedeutenden Schritt beim Hochwasserschutz weitergekommen ist man auch in Grimma, das 2002 wie nur wenige Städte von Überschwemmungen getroffen wurde. Dabei wurde etwa die historische Pöppelmannbrücke über die Mulde zerstört. Die Brücke wurde hochwassergerecht wieder aufgebaut und erhielt dafür im vergangenen Jahr den sächsischen Staatspreis für Baukultur. Noch wichtiger ist aber die neue Hochwasserschutzanlage rund um die Grimmaer Altstadt, die nach den Erfahrungen von 2002 errichtet wurde. Dabei handelt es sich um ein zwei Kilometer langes und bis zwölf Meter tiefes Bauwerk mit einem verschließbaren Tor. Beim Hochwasser 2013, als Grimma erneut unter Wasser stand, war die Schutzanlage noch nicht rechtzeitig fertig, doch bei den aktuellen Überschwemmungen konnte es Grimma vor Schlimmeren bewahren, wie Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) betonte.
Ähnlich hochwassergefährdet wie Grimma ist das weiter flussaufwärts an der Freiberger Mulde gelegene Döbeln. Die Stiefelstadt wurde dabei ebenfalls 2002 und 2013 stark getroffen, als jeweils die auf einer Muldeinsel gelegene Altstadt überflutet wurde. Für den künftigen Schutz Döbelns ist am Oberlauf des Fluss bei Bobritzsch ein Hochwasserrückhaltebecken geplant. Bereits gebaut wird seit dem Herbst 2023 an einer Hochwasserschutzanlage in der Döbelner Innenstadt. Dazu wird bis 2027 an der Wappenhenschanlage eine 200 Meter lange Schutzwand errichtet, ebenfalls mit einem verschließbaren Tor wie in Grimma. Dazu kommen neue Überflutungsflächen, etwa auf der Mühlgrabeninsel Sörmitz.
Nachhaltiger Schutzmaßnahmen in Thüringen geplant
Thüringen traf es 2002 und 2013 nicht ganz so schlimm wie Sachsen und Sachsen-Anhalt, dafür sind nun der Norden und der Süden des Freistaats stark betroffen. Im Landkreis Nordhausen musste die Ultima Ratio des Hochwasserschutzes angewandt werden: Über Weihnachten wurde Windehausen komplett evakuiert, weil der Ort von Schmelzwasser aus dem Fluss Zorge und nach oben gedrücktem Grundwasser überflutet wurde. Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte das Wasser um die 70 Zentimeter hoch auf den Straßen gestanden. Inzwischen dürfen die Einwohner wieder in ihre Häuser zurückkehren. Im Süden ist die Lage vor allem entlang der Werra kritisch, im Kreis Hildburghausen wurde ein Mann tot aus dem Fluss geborgen.
Beim Hochwasserschutz setzt der Freistaat vor allem auf eine weitere nachhaltige Methode: den Bächen und Flüssen möglichst wieder mehr Raum zu geben. Im Thüringer Landesprogramm Hochwasserschutz 2022-2027 werden verschiedene Projekte gebündelt. Dazu gehören etwa die bereits erfolgte Rückverlegung der Deiche an der Hörsel im Eisenacher Ortsteil Stedtfeld. Neu angelegte Flussschlingen vergrößern hier die Abflussfläche bei Hochwasser. Weitere Maßnahmen wie Gewässerbettaufweitungen, Renaturierungen und der Rückbau von Querbauwerken sind an Risikogewässern wie Felda, Frieda, Kotschau und Schweina geplant. Auch diese Projekte kommen für das aktuelle Hochwasser zu spät, könnten sich aber langfristig noch als hilfreich erweisen.
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